Tagung der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands
Jürgen Schmude
Schneeberg, Sachsen
Zu Ihrer Tagung bringe ich Ihnen die Grüße und guten Wünsche der Synode und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Schneeberg liegt nicht gerade zentral in Deutschland. Es braucht etwas Findigkeit und Mühe, in diese schöne Stadt mit ihrer reizvollen Umgebung zu kommen. Ich möchte mir die Dankbarkeit dafür bewahren, dass das schon alles ist, was es braucht. Vor elf Jahren hätte es bei weitem nicht gereicht; eine Tagung der Synodalen aus allen deutschen lutherischen Landeskirchen an diesem Ort wäre undenkbar gewesen.
Im Zentrum unserer Braunschweiger Tagung im November wird das Schwerpunktthema Ökumene stehen. Den Weg der Kirchen zu mehr Gemeinschaft werden wir beleuchten und unterstützen.
Im Hinblick auf unsere ökumenischen Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche hat diese Zielsetzung seit Anfang September diesen Jahres zusätzliche Aktualität bekommen. Nachdem sich nun die erste Aufregung über den Text der Glaubenskongregation und die Gebrauchsanweisung für den Umgang mit dem Wort "Schwesterkirchen" gelegt hat, lassen sich ruhigere und durchaus zuversichtliche Betrachtungen anstellen.
Sie beginnen für mich mit einem Dank an alle, die schnell, selbstbewusst und deutlich Stellung genommen haben. Die im Ergebnis gleichlautenden Aussagen haben gezeigt, wie stark und zuverlässig in derartigen Grundfragen die Übereinstimmung der Kirchen im Bereich der EKD ist. Auch darüber hinaus hat es viele gleichlautende Äußerungen gegeben.
Mein Dank gilt besonders Prof. Eberhard Jüngel für seine klare, theologisch gehaltvolle und erfrischende Gesamtbewertung, die nicht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sondern im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt veröffentlicht worden ist. In die FAZ mochten die für das Feuilleton Verantwortlichen Jüngels Aufsatz ausdrücklich nicht aufnehmen. Für die "postwendend" ausführlich erteilte Antwort Kardinal Ratzingers an die "lutherischen Freunde" und, mehrfach namentlich erwähnt, an Jüngel, stellte eben diese Zeitung einen Interviewer und zwei volle Seiten zur Verfügung. Bei der Bewertung von Informationen aus dieser Quelle müssen wir also leider das auffällige Engagement der Redakteure berücksichtigen.
Die Belehrungen aus Rom gelten in erster Linie nicht uns evangelischen Christen. Im Gegenteil dürfen wir es bei dieser Gelegenheit wieder hoch schätzen, dass die Reformation Martin Luthers uns davon befreit hat, der Autorität von kirchenamtlichen Befehlen und Verboten in Glaubenssachen unterworfen zu sein.
Soweit wir uns als Zweitadressaten betroffen fühlen, zitiere ich die erste Stellungnahme des Ratsvorsitzenden Präses Kock mit den Worten: "Die Zukunft der Kirche wird eine ökumenische sein. Das entspricht der Verheißung Jesu Christi, und es entspricht - in Deutschland ebenso wie an anderen Orten - den praktischen Notwendigkeiten von Zeugnis und Dienst der Kirche. Darin kann uns auch die Kongregation für die Glaubenslehre nicht irre machen."
Ich erwarte, dass die Synode der EKD ihr Schwerpunktthema Ökumene genau mit dieser Entschlossenheit behandeln wird. Sie hat im vorigen Jahr den zwischen Lutheranern und römisch-katholischer Kirche erreichten Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre begrüßt und ausdrücklich die Erwartung ausgesprochen, dass er vertieft werden und zum Ziel gegenseitiger Anerkennung der Kirchen und der Einheit in versöhnter Verschiedenheit führen möge. Die EKD war an diesem Konsens nicht handelnd beteiligt, aber sie war von ihm mitbetroffen und hat ihn mitgetragen.
Evangelisch-katholische Verständigung ist gewachsene - und auch liebgewonnene - Praxis in unserem Land. Manchen, besonders den Betrachtern von außerhalb, mag sie verdächtig erscheinen. Wir sollten sie uns nicht verdächtig machen lassen. Für uns sollte es kein Zurück von dem erreichten guten Stand der persönlichen und auch sachlichen Gemeinsamkeiten mit den katholischen Bischöfen geben. Und erst recht keine Distanz zu den Schwestern und Brüdern in Gemeinden, Dekanaten und Kirchenkreisen. Wir freuen uns über das Maß, in dem Verkündigung in glaubensstärkender Gemeinsamkeit möglich geworden ist. Dabei sollten wir bleiben, auch um der Gemeindeglieder willen, die sich nach mehr Gemeinsamkeit sehnen.
Themen, Methoden und Ziele des theologischen und des kirchenamtlichen evangelisch-katholischen Dialogs werden natürlich im Lichte der neueren Erklärungen bedacht. Das uns leitende ökumenische Modell hält der Prüfung stand. Der Ratsvorsitzende der EKD hat es in seiner Stellungnahme so beschrieben: "Die "ökumenische Zukunft der Kirche bedeutet nicht die Auflösung und Nivellierung aller konfessionellen Profile, sondern die Überwindung ihres trennenden Charakters." Anders gesagt: Konfessionen mit ihren vielfältigen Glaubenserfahrungen werden bleiben. Nicht ihre Verschiedenheit, aber ihre Trennung voneinander muss überwunden werden.
Zu den in diesem Zusammenhang gebrauchten Begriffen der "Kirchengemeinschaft" und der "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" gibt es Fragen von katholischer Seite. Um so wichtiger ist es, dass die reformatorischen Kirchen gemeinsam ihr ökumenisches Modell klar beschreiben, offensiv vertreten und werbend vorleben.
Tragfähigkeit und Überzeugungskraft des Modells werden davon abhängen, dass neben Einheit und Versöhnung auch die Verschiedenheit mit ihrem Gewicht wahrgenommen wird. In der sachlichen und kritischen Prüfung des Dokuments "Communio Sanctorum" wird z.B. zu erwägen sein, ob dieser Bericht den bleibenden Differenzen zwischen der evangelisch-lutherischen und der römisch-katholischen Sicht, etwa beim Amtsverständnis, angemessene Bedeutung zumisst oder ob er sie in dem Bemühen um Anerkennung der beiden Sichtweisen geringer veranschlagt, als es ihrer wirklichen Bedeutung entspricht.
Das Verhältnis zwischen VELKD und EKD, das der Leitende Bischof eben als "nicht ganz einfach" bezeichnet hat, steht gleichwohl auf einem anderen, erfreulicheren Blatt. So sollte es auch bleiben. Beide haben sie von den Aufgaben her ihre je eigene Notwendigkeit und Bedeutung. Die EKD hat sie darin, dass sie als "die Gemeinschaft ihrer lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen" (Art. 1,1 GO) eine Gemeinschaft bekenntnisverschiedener Kirchen ist. Es mindert die Bedeutung der VELKD - und des Lutherischen Weltbundes - nicht, wenn man in der gegenwärtigen ökumenischen Situation die EKD - und auf europäischer Ebene, die Leuenberger Kirchengemeinschaft - als Bewährungsprobe für das ökumenischen Modell der reformatorischen Kirchen ansieht. Konfessionelle Profile werden in ihm nicht nivelliert oder gar aufgelöst. Ihr trennender Charakter aber wird überwunden. Dazu darf es unter uns evangelischen Christen kein Zögern und keine Vorbehalte geben. So werbe ich - gerade auch hier bei Ihnen - dafür, in Deutschland die EKD und in Europa die Leuenberger Kirchengemeinschaft zu stärken und in beiden Fällen eine weitere Vertiefung der Kirchengemeinschaft anzustreben.
Das haben wir schon oft gesagt, das haben - auch aus den lutherischen Kirchen - schon viele befürwortet, und dem muss ich nicht hinzufügen, dass sich gleichwohl nichts getan hat. Die EKD hat durch guten Willen und Unterstützung von allen Seiten spürbar an Gewicht gewonnen. Als Beispiel nenne ich die Bildung des im Tätigkeitsbericht aufgeführten Gemeinsamen Ausschusses "Kirche und Juden". Den Gliedkirchen und den konfessionellen Bünden hat diese Entwicklung wahrlich nicht geschadet. Die im Bericht des Leitenden Bischofs geschilderten Bemühungen der VELKD um den Sonntagsschutz haben ihre Wirkung - nur - tun können im Zusammenhang mit gemeinsamen Aktionen der EKD und aller ihrer Gliedkirchen, besonders der Öffentlichkeitsinitiative. Deshalb sollte der eingeschlagene Weg der Stärkung und der Nutzung der EKD geduldig und umsichtig fortgesetzt werden. Und es muss dieses Bemühen in der Stärkung der Leuenberger Gemeinschaft die europäische Komponente bekommen, die immer wieder angemahnt und auch wirklich dringend gebraucht wird.
Genug der Anmerkungen und Anregungen. Ich wünsche Ihnen Gottes Segen für gute Beratungen und Ergebnisse.