Arbeitszeitrichtlinie

Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland im Konsultationsverfahren der Europäischen Union zur Revision der Richtlinie 93/104/EG – "Arbeitszeitrichtlinie"

Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland im Konsultationsverfahren  der Europäischen Union zur Revision der Richtlinie 93/104/EG – "Arbeitszeitrichtlinie"

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und das Diakonische Werk der EKD (DW EKD) begrüßen grundsätzlich das Bestreben der Europäischen Kommission, den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor den nachteiligen Auswirkungen einer übermäßigen Arbeitsdauer, unzureichenden Ruhezeiten oder einer unregelmäßigen Arbeitsorganisation im Hinblick auf ihre Gesundheit und Sicherheit zu gewährleisten. Insbesondere begrüßen sie die Aufnahme von familienfreundlichen Maßnahmen im Rahmen der Arbeitszeitgestaltung und regen die Förderung von Teilzeitbeschäftigung z.B. im Rahmen von Art. 13 der Richtlinie (Arbeitsrhythmus) an, um die Mitgliedstaaten dahingehend zu ermutigen, Teilzeitarbeit verstärkt in ihre nationale Gesetzgebung aufzunehmen.

Die Förderung von Teilzeit ist eine gute Möglichkeit, familienfreundliche Arbeitszeiten anzubieten, ohne die nationalen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen völlig in Frage zu stellen.  Damit kann zum einen die Beschäftigungsquote von Frauen, Älteren und Langzeitarbeitslosen erhöht werden. Zum anderen ermöglicht ein größeres Teilzeitangebot, dass auch Männer ihren Wunsch nach größerer zeitlicher Flexibilität realisieren können und Väter berufliche und familiäre Anforderungen besser vereinbaren können. Damit schafft die Ausweitung von Teilzeitarbeit größere Teilhabegerechtigkeit und verbessert die Situation von Familien mit Kindern.  Dies führt zu einer größeren Motivation der Beschäftigten im Arbeitsleben, wie es in der Mitteilung KOM (2003) 843 hinsichtlich der Überprüfung der Arbeitszeitrichtlinie zurecht erwähnt wird.

Da die konkrete Umsetzung von Teilzeitmodellen letztlich in den einzelnen Unternehmen und Arbeitseinheiten stattfindet, wird es für die Regelungen in der künftigen Arbeitszeitrichtlinie entscheidend darauf ankommen, dass die Vorgaben so viel Flexibilität wie möglich eröffnen. Sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern müssen Anreize für praktikable und individuelle Lösungen geboten werden. Diese Anreize sollten auch als Benchmarks für Vergleiche zwischen Unternehmen ausgestaltet und eingesetzt werden können.

Bei alledem darf der Kostenfaktor nicht als eine Art Hemmschuh in den Vordergrund gerückt werden. Denn die Qualität der Arbeit wird bei guter Vereinbarkeit von Berufsleben und familiären Aufgaben nachweislich hochwertiger und trägt im Ergebnis auch dazu bei, dass über größere Effizienz der Kostenfaktor der Arbeit günstig beeinflusst wird. Das bei Teilzeitarbeit erforderliche höhere Maß an Flexibilität, Organisations- und  Kommunikationsfähigkeit sowie Belastbarkeit bringen insbesondere Arbeitskräfte, die  Familienarbeit leisten oder geleistet haben, in den Arbeitsprozess ein. Teilzeitarbeit ist mittlerweile als Element der Qualitätssicherung und für die Arbeitsabläufe in Unternehmen von maßgebender Relevanz. Die europaweite Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle könnten auch dem Frauenmangel in Führungspositionen entgegenwirken.

Vor Ausschreibung sollte deshalb regelmäßig geprüft werden, ob und unter welchen Bedingungen  bisherige Vollzeitstellen in Teilzeitstellen umgewandelt werden können. Dabei sind unterschiedliche Modelle von Teilzeitarbeit (im Interesse der Existenzsicherung vor allem auch Arbeitsverhältnisse mit mehr als der Hälfte der regulären Arbeitszeit) zu berücksichtigen.

In die Teilzeitmodelle muss ein Schutzmechanismus aufgenommen werden, der verhindert, dass bei etwaigen späteren Umstrukturierungen bereits eingerichtete Teilzeitstellen nicht einfacher abgebaut werden können als Vollzeitstellen. Die Anreize, eine Teilzeitstelle zu besetzen sollten sich gleichermaßen auf die Beschäftigung von Frauen als von auch Männern ausrichten. Technische Möglichkeiten, wie Telearbeit sollten erprobt, aber immer unter Mitsprache der Beschäftigten und nach gründlicher Evaluierung eingesetzt werden.

Bereits jetzt sieht die Arbeitszeit-Richtlinie in Art. 5 II eine Mindestruhezeit von 24 Stunden pro Woche vor. EKD und DW EKD regen an, dass bei der Festsetzung der Mindestruhezeiten dem Sonntagsschutz besondere Bedeutung beigemessen werden sollte.

Der Sonntag steht als wöchentlicher Ruhetag in engerem Zusammenhang mit der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer als jeder andere Wochentag. Denn der Sonntag ist der Tag, an dem jeder werktätige Bürger in besonderer Weise Gelegenheit hat, Ruhe und Entspannung zu finden. Die kollektive "Arbeitsruhe" am Sonntag hat den Sinn, für alle Menschen eine Zeit des Inne-Haltens zu schaffen und einen Ausgleich zur Arbeitsbelastung während der Woche zu gewähren. Auf diese Weise verbessert sich auf längere Sicht die Arbeitsqualität durch mehr Motivation und Einsatzbereitschaft.

Weiter bietet die Aufnahme des Sonntagsschutzes in die Richtlinie die Möglichkeit, die Voraussetzungen für eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben zu schaffen. Der Sonntag ist in der Regel der einzige Tag, an dem die gesamte Familie Zeit füreinander hat und gemeinsam einen Tag gestalten kann. Durch die Gewährleistung des Sonntagsschutzes werden daher auch Rahmenbedingungen für ein glückliches und zufriedenes Zusammenleben in der Familie verbessert. Im übrigen wird auf die Stellungnahme von der Konferenz der Europäischen Kirchen (KEK) und COMECE (Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft) verwiesen.

Sabine von Zanthier Leiterin des EKD Büro Brüssel                                    
Axel Führ DW EKD Brüssel
Dr. Stephanie Scholz DW EKD Berlin