Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
lieber Bischof Janssen
und nicht zuletzt: Lieber Peter Krug!
Bis in die Zeit Ottos des Großen müssen wir nicht zurückgehen, um die gute Verbindung zwischen dem Bischof von Oldenburg und dem Bischof von Brandenburg zu dokumentieren. Die Berliner mögen mir verzeihen, dass ich sie für diesen Augenblick mit ihrem ehemaligen Stammland verrechne; doch zur Zeit Ottos des Großen – so viel historische Fairness muss man aufbringen – streiften die slawischen Stämme der Sprewanen und Heveller durch die Wälder und Sümpfe im Gebiet der heutigen Bundeshauptstadt. Die Gebiete von Oldenburg und von Brandenburg jedoch wählte Otto der Große dazu aus, dort jeweils ein Bistum zu gründen.
Noch aus einem anderen, familiären Grund weiß ich mich Oldenburg besonders verbunden. Mein Vater wurde als oldenburgischer Staatsbürger geboren. Denn er kam in Idar-Oberstein an der Nahe zur Welt. Das ist von Oldenburg weit entfernt, mögen Sie denken. Doch Idar-Oberstein gehörte zum Fürstentum Birkenfeld, das im Jahr 1815 als preußische Entschädigungsleistung an das Großherzogtum Oldenburg gefallen war. Diese Verbindung hielt über einhundert Jahre; sie war der Grund dafür, dass mein geschichtsbewusster Vater sein juristisches Referendariat in Oldenburg absolvierte. Da er mir als Kind oft genug erklärt hat, warum das so war, wurde mir eine gewisse innere Nähe zu Oldenburg von früh auf antrainiert. Ich darf hinzufügen: Diese Nähe ist in den vergangenen zehn Jahren, in denen Du, lieber Peter Krug, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg warst, kräftig aktiviert worden. Und ich bin mir sicher: Sie wird auch in den kommenden Jahren Bestand haben.
Freilich birgt meine eigene familiäre Verbindung zum Fürstentum Birkenfeld noch viel mehr Gemeinsamkeiten mit Peter Krug, als bisher anklang. Denn ein Teil dieser Exklave des Großherzogtums Oldenburg – eben des Fürstentums Birkenfeld – wurde nach dem Ersten Weltkrieg dem Saargebiet zugeschlagen; der größere Teil wurde 1937 als Landkreis Birkenfeld in die preußische Rheinprovinz eingegliedert. Mit diesen historischen Verbindungen des Fürstentum Birkenfelds ist nun aber exakt die Spur bezeichnet, der das berufliche Wirken von Peter Krug in kirchenleitender Verantwortung gefolgt ist. Im Saarland, nämlich in Saarbrücken, wurde er 1980 Superintendent – der jüngste Superintendent in der großen, auch an Superintendenten reichen Evangelischen Kirche im Rheinland, wie Wikipedia vermerkt. Fünfzehn Jahre später folgte er weiter der Spur Birkenfelds, es zog ihn in die Rheinprovinz, und er wurde Beauftragter der evangelischen Kirchen von Rheinland, Westfalen und Lippe bei Landtag und Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Der Weg nach Oldenburg war aus der gewählten historischen Perspektive also in hohem Maße konsequent.
Konsequent war es auch, dass dieser Bischof, der stets die landeskirchliche Bodenhaftung mit der bewussten Mitverantwortung für das Ganze der evangelischen Kirche verband, dazu bereit war, das oldenburgische Leitungsamt mit der Aufgabe des Bischofs für die evangelische Seelsorge in der Bundeswehr zu verbinden. Den Militärbischof haben wir am vergangenen Mittwoch verabschiedet; das wird heute nicht wiederholt. Aber der oldenburgischen Landeskirche möchte ich den herzlichen Dank der Evangelischen Kirche in Deutschland wie der Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr dafür aussprechen, dass sie diesen Dienst ihres Landesbischofs mitgetragen und unterstützt hat.
Dieses zusätzlich übernommene Amt ist ein Beispiel dafür, wie sich Schlüsselaufgaben kirchlichen Handelns immer wieder mit Fragen verknüpfen, die das Verhältnis von Staat und Kirche betreffen. Dabei geht es regelmäßig um Themen, die zum Kernbereich kirchlichen Handelns rechnen. In der Militärseelsorge ist das die Frage nach der Verkündigung des Evangeliums und der Seelsorge bei den Soldaten. In den neuerdings aufgekommenen Debatten um den Schutz der seelsorgerlichen Verschwiegenheit auch gegenüber neuen Formen des Belauschens und Überwachens geht es um das hohe Vertrauenspotential einer bedingungslosen Verlässlichkeit der Seelsorgerinnen und Seelsorger. Deshalb können wir als Kirche in diesem Bereich nicht wanken und nicht weichen. In der Frage, ob die Veränderungen des Personenstandsrechts zum 1. Januar 2009 etwas an der Praxis der kirchlichen Trauung ändern, geht es darum, dass und warum die Kirche aus eigenen Gründen – und keineswegs nur wegen einer staatlichen Vorschrift – einen Traugottesdienst nicht im rechtlich luftleeren Raum ansiedelt, sondern diesen Gottesdienst aus Anlass einer Eheschließung und nur aus diesem Anlass feiert. Den jetzt angekündigten Weg der katholischen Kirche, in Ausnahmefällen Traugottesdienste zu genehmigen, denen keine standesamtliche Trauung korrespondiert, werden wir also nicht gehen.
Besonders deutlich sind solche Überschneidungen im Bildungsbereich. Unsere Kirche gibt der Bildungsverantwortung eine hohe Priorität. Bildungsbemühungen in den Gemeinden, eigene kirchliche Schulen und Bildungseinrichtungen sowie das Engagement im Religionsunterricht der staatlichen Schule beweisen das. Angesichts der dramatischen Veränderungen im Schulwesen – ich nenne die Ganztagsschule und das Turbo-Abitur als Beispiele – und des noch über diese Veränderungen hinausgehenden Reformbedarfs sind gemeinsame Anstrengungen nötig, um gutem Religionsunterricht auch in der Zukunft einen guten Platz an den Schulen in Deutschland zu sichern. Dass dieser Unterricht nötig ist, kann in einer Zeit, in welcher sich der religiöse wie der ethische Orientierungsbedarf dramatisch erhöht, eigentlich nicht zweifelhaft sein. Wie stark Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach gewünscht wird, erlebe ich im Augenblick in Berlin, wo seit einer Woche die zweite Stufe des Volksbegehrens Pro Reli im Gang ist. 170 000 Unterschriften müssen in der Stadt gesammelt werden, um die Tür zu einem Volksentscheid zu öffnen. Unterstützung aus anderen Regionen ist uns willkommen. Die beste Unterstützung ist, dass vorbildhafte Gestaltung des Religionsunterrichts und seine überzeugende Weiterentwicklung angesichts neuer Herausforderungen ein gutes Beispiel abgeben, dem eines hoffentlich nicht zu fernen Tages dann auch die Bundeshauptstadt folgen wird.
Wir verabschieden heute einen beherzten Bischof. Denn dies gehört genauso wie ein bezwingender Humor zu den besonderen Kennzeichen von Peter Krug. Ich habe das beispielhaft erlebt, als wir miteinander deutsche Soldatinnen und Soldaten im Kosovo besucht haben. In der Beherztheit verbinden sich zwei scheinbar widersprüchliche Bewegungen: Das entschiedene Dazwischengehen und das herzliche auf andere Menschen Zugehen sind die beiden Momente, die jedes beherzte Handeln kennzeichnen.
Peter Krug ist entschlossen, wenn es darum geht, schnell und unbürokratisch Entscheidungen zu treffen. Er ergreift forsch das Wort, wenn Diskussionen zu erlahmen drohen; manches Mal konnte die Kirchenkonferenz der EKD das erleben. Etwas mehr Beherztheit tut unserem Land und auch unserer Kirche not. In Peter Krug kann man, wenn man will, ein Vorbild dafür finden, seinem Herzen die Führung der eigenen Vorhaben anzutragen.
Aber zur Beherztheit gehört eben auch die Fähigkeit zur Einfühlung in andere Menschen, die Bereitschaft, deren Herz oder auch deren Seelenlage genauso ernst zu nehmen wie das eigene Herz – oder die eigene Seelenlage. Das wusste man noch deutlicher, als es im Deutschen auch noch das Tätigkeitswort „beherzen“ gab, von dem „beherzt“ abgeleitet ist. Im Sinn dieser alten Sprache sehe ich in Peter Krug nicht nur jemanden, der beherzt handelt, sondern der auch zu beherzen vermag. Von Peter Krug wissen viele hier im Raum Beispiele dafür zu berichten, was es heißt, beherzt und beherzend aufzutreten. Dass dazu seine Predigt zum Abschluss der letztjährigen Sitzung der EKD-Synode in der Dresdner Frauenkirche gehört, möchte ich hier ganz persönlich anmerken.
Beherzen, indem wir beherzt handeln – das mag auch eine gute Ermutigung für den neuen Landesbischof Jan Janssen sein, den ich an diesem Tag sehr herzlich im Kreis der Leitenden Geistlichen in der Evangelischen Kirche in Deutschland willkommen heiße. Die von manchen bereits getroffene Feststellung, dass der Deutsche Evangelische Kirchentag offenbar ganz gut auf Leitungsämter in unserer Kirche vorbereiten kann, will ich meinerseits nicht vertiefen. Denn Menschen, die selbst dafür als Beispiele herhalten müssen, sind für eine Erläuterung dieses Sachverhalts nicht gut geeignet. Nur das eine: Bei früheren Anlässen sind Generalsekretäre oder auch einmal ein Kirchentagspräsident in Bischofsämter gewählt worden. Jan Janssen wechselt vom Amt des Kirchentagspastors in das Amt des oldenburgischen Landesbischofs. Unter den vielen Erfahrungen, die er aus diesem besonderen – übrigens auch besonders schönen – Amt mitbringt, will ich zwei hervorheben.
Der Kirchentagspastor ist für das gottesdienstliche und musikalische Geschehen auf Kirchentagen zuständig. Er verantwortet die großen Gottesdienste zum Beginn und zum Ende eines Kirchentags, die jedem Kirchentag einen Rahmen, eine Prägung und ein geistliches Gesicht gegeben haben. Zufällig kann ich es nicht nennen, dass jemand mit dieser Erfahrung nun in einer der 23 Gliedkirchen der EKD Bischof wird. Zu den Schwerpunkten des Reformprozesses, in dem wir uns in der EKD befinden, gehört die Stärkung der Qualität von Gottesdiensten und Kasualien. Die Verbindung von Tradition und Innovation in der Gestaltung von Gottesdiensten gilt uns als ein besonders wichtiges Ziel. Ich hoffe dafür auf wegweisende Beiträge des oldenburgischen Landesbischofs.
Und das andere: Gleich am Beginn seiner Tätigkeit hat Jan Janssen den Ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 mitgestaltet. Das hat uns zusammengeführt. Beide haben wir damals erlebt: Ein ökumenischer Kirchentag ist ein ökumenisches Lehrstück und eine ökumenische Lernstunde der besonderen Art. Es ist uns damals gelungen, ein großes ökumenisches Ereignis gemeinsam und in einer offenen, fairen Partnerschaft zu gestalten. Meine Hoffnung ist, dass wir aus diesem Geist des ökumenischen Miteinanders auch die Kraft für eine gute ökumenische Zukunft gewinnen können. Dass wir miteinander an einer solchen ökumenischen Zukunft arbeiten, das ist im Blick auf Oldenburg wie im Blick auf die kirchliche Lage insgesamt mein herzlicher Wunsch.
In diesem Sinn, aber auch über das Gesagte weit hinaus wünsche ich Jan Janssen ein gesegnetes Wirken als Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche von Oldenburg. Peter Krug wünsche ich einen gesegneten und behüteten Ruhestand. Dem einen wie dem anderen sage ich: A Dieu – Gott befohlen!