Vortrag der Präses der Synode der EKD auf dem Adventsempfang der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg
Katrin Göring-Eckardt
Es gilt das gesprochene Wort.
Wir sind getauft und zur Freiheit berufen –
Evangelisch Christ-Sein heute
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“, heißt es im Galaterbrief (5, 1). Das ist die Grundlage unseres christlichen Glaubens, die Befreiung, die uns in der Taufe zugesprochen wird: Nichts und niemand ist größer, stärker, bedeutender als Gott, dem wir allein Rechenschaft schuldig sind.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich freue mich, heute Abend hier bei Ihnen auf Ihrem Adventsempfang der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg zu sein, um miteinander über unsere Berufung zur Freiheit nachzudenken und was es bedeutet, heute evangelisch Christin und Christ zu sein!
Freiheit, was für ein schillernder Begriff – alle sehnen sich danach, und das nicht nur „über den Wolken“, wo sie laut Reinhard May ja angeblich so grenzenlos sein soll. Nein, auch hier auf dem Boden, auf dem wir stehen. Und wer wollte schon dagegen sein? Heute und nach den Erfahrungen mit der Unfreiheit, die Menschen, die wie ich aus der (ehemaligen) DDR stammen, gemacht haben. Da ist doch klar und unwidersprochen: „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“; dieser Satz von Rosa Luxemburg stand auf vielen Plakaten im wilden Herbst 1989. Da haben wir aber auch schon die erste Einschränkung: die Anderen. Oder auch jede und jeder selbst. Ist da in mir vielleicht doch eine Einschränkung der Freiheit?
Im Osten Deutschlands sind wir in einem Land aufgewachsen, das sich selbst Diktatur nannte. Diktatur des Proletariats. Es war die Idee dieser Bezeichnung, dass die, die die Mehrheit bilden, auch das meiste zu sagen haben. Man hatte nur nicht bedacht, dass es „das Proletariat“ so gar nicht gab, jedenfalls nicht als Einheit, und dass nicht jeder wollte, was angeblich gut für ihn war. Aus einer Idee wurde eine Ideologie. Denn die Machhaber damals hatten vor allem eines nicht bedacht: Dass es auch noch andere Interessen und Auffassungen in der Bevölkerung gibt, Minderheiten, die etwas anderes wollen. Vor allem solche, die einfach beschlossen hatten, dass sie selber denken können. „Ihr wollt ja nur mein Bestes“, so hat es Konstantin Wecker in einem seiner Lieder gedichtet, „aber – ihr bekommt es nicht“. Das trifft vielleicht ganz gut die Stimmung und die Sehnsucht nach Freiheit, die viele von uns in der DDR verspürt haben.
Diktatur funktioniert immer nur mit Drohung, mit Repression, mit dem Erzeugen von Angst – in Syrien beispielsweise bekommen wir das in diesen Tagen wieder grausam vor Augen geführt. Es ist deswegen eine besondere und wichtige Erfahrung, sich frei wissen und fühlen zu können, auch unter den Bedingungen der Diktatur: zu wissen – ihr könnt alles tun, ihr könnt versuchen, mich überall einzuschränken, mich einzusperren, am Ende ist da nur Einer, dem ich mich unterordne, weil er mich zur Freiheit befreit hat. Und der steht auch über euch mit all eurem Machtanspruch und der Gewalt! Es ist Gott, der mir zuspricht, dass ich mich nicht unter das Joch der Knechtschaft begeben soll – was für eine Befreiung, wenn man unter diktatorischen Repressalien zu leiden hat! Aber auch darüber hinaus, wenn wir unter demokratischen Bedingungen unser Leben in Verantwortung gestalten wollen. Was das für mich bedeutet, darauf will ich am Ende meines Vortrags an einem mir sehr wichtigen Beispiel noch ausführlicher eingehen.
Vorher möchte ich aber mit Ihnen unser „evangelisches Grundgesetz“ anschauen, und zwar anhand von Geschichten und Personen aus der Tradition, die unsere evangelische Kirche prägen und an denen sich der Begriff der evangelischen Freiheit entfalten lässt.
Ich will das in vier Schritten tun:
- Schritt: Ägypten
- Schritt: Martin Luther
Als Exkurs will ich dann gerne auf unseren Bruder in Christo Papst Benedikt XVI. und seinen Besuch im Augustinerkloster in Erfurt vor gut zwei Monaten zu sprechen kommen. - Schritt: Evangelische Freiheit des Sola fide!
Und den vierten Schritt nenne ich: - „Niemand ist eine Insel“
1. Ägypten:
Kein Auszug eines Volkes aus dem Joch der Knechtschaft eines anderen Volkes hat jemals die Weltgeschichte so bewegt wie der Auszug der kleinen Schar der Israeliten aus dem mächtigen Ägypten. Ein Haufen Fronarbeiter, aus einfachen und größtenteils ärmlichen Verhältnissen, machen sich auf den Weg in die Wüste. Als Lumpenproletariat würde mancher sie heute bezeichnen, als Prekariat oder vielleicht auch als ausländische Drückeberger, die auf Kosten des ägyptischen Staates leben. Doch diese kleine Schar von Menschen wird von Gott in die Freiheit gerufen. Dieses kleine Volk, ohne Ansehen und Macht: Gott hat es lieb und steht auf seiner Seite, also befreit er es.
Wir alle kennen diese Geschichte des Exodus. Wir kennen die Geschichte, wie das Volk Israel geführt durch Gott in der Wolkensäule durch das Rote Meer läuft und die Wassermassen das gewaltige ägyptische Heer unter sich begraben. Die große Militärmacht, die sich prunkvolle Paläste baute und als unbesiegbar galt, konnte es nicht verhindern, dass Israel sich aufmachte in ein eigenes Land. In eine eigene Zukunft. Sich aufmachte, in die Freiheit, zu der das Volk berufen war. Die Geschichte Gottes mit seinem Volk beginnt mit dieser Befreiung und Freiheit. Und Gott zieht mit. Gott ist ein Gott, der mitgeht, sich mit auf den Weg macht. Der lebendig ist. Denn, so heißt es in Psalm 121: Gott wird deinen Fuß nicht gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht. Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Der HERR behütet dich; der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand, dass dich des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts. (Psalm 121, 3-6)
Sie hören es meinen Worten an, diese biblische Geschichte des Auszugs von Gottes Volk in die Freiheit fasziniert mich. Nicht allein, weil es eine atemberaubende Geschichte ist, sondern weil sie nicht singulär geblieben ist. Sie hat sich wiederholt und wiederholt sich immer wieder, kleiner, unbedeutender, mit weniger Wunder, aber an vielen Orten dieser Welt. All diese Befreiungsgeschichten – zuletzt und immer noch in der arabischen Welt Nordafrikas – spiegeln sich in der biblischen Exodusgeschichte. Sie zeigt und macht Mut dazu, dass es möglich ist, frei zu sein. Und dann? Auch das lehrt uns die Geschichte des Exodus: Da hatte Israel nun seine Freiheit, war unterwegs in das eigene Land, aber der Weg war kein einfacher. Er war schwierig und sehr mühselig. So hatte man sich das gar nicht vorgestellt. Und die ersten fingen noch in der Nacht des Auszugs an zu motzen und zu maulen – Murrgeschichten werden diese Erzählungen genannt, die sich durch die ganzen vierzig Jahre der Wanderschaft des Volkes Israels durch die Wüste ziehen: Die Menschen sehnten sich zurück, nach den alten Verhältnissen, die sie nicht selten verklärten. Vergessen waren schon bald Unterdrückung und Unterjochung, unter der sie alle gestöhnt und gelitten hatten. Sehnten sich zurück nach den Fleischtöpfen Ägyptens. – Früher war alles besser? Ach, die Jugend von heute….Natürlich hat von Ihnen hier noch nie jemand einen solch unsinnigen Satz gesagt. Denn man will ja nicht die Vergangenheit verklären und die alten Fleischtöpfe waren eben in der DDR wie in der alten Bundesrepublik nicht gerade mit Freiheit verbunden. Da war es die reale Diktatur und dort vielleicht die Regentschaft der Enge, der Pseudomoral, der Eingepasstheit. Eine Zeit, in der man kämpfte gegen die Schatten der NS-Diktatur (auch das übrigens in Ost wie West) und in der eine Mischehe noch die zwischen Katholiken und Protestanten war und eigentlich verpönt. Jedenfalls war das in Süddeutschland so.
2. Schritt: Martin Luther
Einer, der ganz bestimmt nicht mehr zurück wollte in die alten Verhältnisse und deshalb den päpstlichen Bann und kaiserliche Reichsacht auf sich nahm, war der Augustinermönch Martin Luther. Er war zerfressen von Angst, seiner Angst vor Gott. Aber warum?
Zum Glück schreibt Luther darüber selbst, wenn auch erst einige Jahre später: "Ich konnte den gerechten, die Sünder strafenden Gott nicht lieben. Im Gegenteil, ich hasste ihn sogar. Wenn ich auch als Mönch untadelig lebte, fühlte ich mich vor Gott doch als Sünder und mein Gewissen quälte mich sehr. Ich wagte nicht zu hoffen, dass ich Gott durch meine Genugtuung versöhnen könnte. Und wenn ich mich auch nicht in Lästerung gegen Gott empörte, so murrte ich doch heimlich gewaltig gegen ihn…" (Vorrede zu Band 1 der lateinischen Schriften 1545). Luther murrte, wie seinerzeit die Israeliten in der Wüste. Und er litt. Unendliche Qualen. Denn die kirchliche Ansage aus Rom war klar. Gott ist gerecht. Begehst du eine Sünde, wird dich Gott strafen. Auch das ist gerecht. Das höchste Gebot, das Jesus gelehrt hatte, lautet aber: du sollst Gott über alles lieben – von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt (Luk. 10, 27). Wie aber soll man jemanden lieben, der einen für seine Sünden unendliche Qualen und Höllenstrafen androht?
Luther ringt mit Gott und dem biblischen Text. Da liest er eines Tages im Römerbrief des Paulus folgenden Satz: "Der Gerechte wird aus Glauben leben" (Röm. 1,17). Und er beginnt zu begreifen: Gottes Gerechtigkeit ist ganz anders als das, was die katholische Kirche seiner Zeit gelehrt hat. Gottes Gerechtigkeit straft nicht, sie spricht uns vielmehr durch Jesus Christus gerecht, obwohl wir Sünder sind. Nichts ist dafür notwendig, es braucht keine Voraussetzungen, allein der Glaube zählt. Gott ist gerecht, weil er gerecht macht. Keine Höllenstrafe, kein Fegefeuer, kein zorniger Gott – was für eine Befreiung! Damals wie auch heute! Plötzlich war die Angst aus Luther gewichen, seine Furcht, die Qual. Die Freiheitserfahrung, die das Volk Israel mit seinem Auszug aus Ägypten erlebte, die erlebte Martin Luther in seinem Inneren. Und wir können uns vielleicht gar nicht genug vorstellen, wie es ihm dabei ging: "Da", schreibt er, "fühlte ich mich ganz und gar neugeboren, und durch offene Tore trat ich in das Paradies selbst ein".
Mehr und mehr Menschen hören die befreiende Botschaft. Eine Bewegung entsteht und die Reformation beginnt. Plötzlich fegte ein frischer Wind oder genauer: Gottes Geist durch das alte Kirchengemäuer. Wie ein Kartenhaus fiel das bisherige Lehrgebäude der mittelalterlichen Kirche mit Papst und Ablass in sich zusammen. Alle alte Theologie wurde geprüft und neu durchdacht. Auch das ist Freiheit, nachzufragen, warum etwas so ist, wie es ist. Und die Begründung, "das haben wir schon immer so gemacht" – die zählt nicht mehr. Und auch das resignierte „da kann ich ja sowieso nichts machen, ich kann doch nichts ändern“ wird mit einem Streich weggewischt. Deshalb bin ich auch so gerne evangelisch, weil für unsere Kirche gilt, immer wieder zu hinterfragen, kritisch zu reflektieren, sich zu verändern und, ja, auch um die Wahrheit zu streiten – „semper reformanda“, also eine sich immer wieder reformierende Kirche zu sein. Der Kern der Botschaft des christlichen Glaubens, dass Gott ein menschenfreundlicher und liebender Gott ist, bleibt unverrückbar. Es wird aber immer wieder neu gefragt, was das für die jeweilige Zeit und in der jeweiligen Situation konkret bedeutet.
Exkurs: Bruder Papst Benedikt XVI im Augustinerkloster
Von Luther zum Papst – das hängt irgendwie eng zusammen. Luther hat sich intensiv mit dem Papsttum seiner Zeit auseinandergesetzt und dafür drastische Worte gefunden. Hätte er sich träumen lassen, dass fast 500 Jahre nach seiner Zeit ein deutscher Papst seinen Fuß ins evangelische Augustinerkloster setzen würde?
Vor gut zwei Monaten hat Papst Benedikt XVI. das Augustinerkloster in Erfurt im Rahmen seines Deutschlandbesuchs besucht. Er und seine Delegation haben sich mit Vertreterinnen und Vertretern unserer evangelischen Kirche getroffen und anschließend einen ökumenischen Gottesdienst gefeiert. Vor einigen Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, dass ein Papst der römisch-katholischen Kirche eine der wichtigsten Lutherstätten besucht – Martin Luther hätte sich vermutlich die Augen gerieben. Aber nicht nur, dass der Papst unserer Einladung gefolgt ist, er hat sich im Gespräch im Kapitelsaal auch ausdrücklich „für das Geschenk [bedankt…], dass wir hier, an diesem historischen Ort miteinander als Christen sprechen dürfen.“ Im anschließenden ökumenischen Gottesdienst hat er dann zwar davon gesprochen, es sei ein Missverständnis, von ihm zu erwarten, dass er ein „ökumenisches Gastgeschenk“ mitbringen würde und über den Glauben könne man nicht verhandeln – was im Übrigen auch niemals jemand behauptet hätte. In den Medien war deshalb im Anschluss an die Begegnung auch von ökumenischer Enttäuschung die Rede. Tatsächlich habe ich in vielen Briefen und E-Mails, die ich in den Tagen nach dem Besuch erhalten habe, von Enttäuschung und Ungeduld gelesen, interessanterweise aber meist von Seiten katholischer Kirchenglieder, die die ökumenische Enge – und Unfreiheit – in ihrer Kirche beklagt haben. Wir als Evangelische sind aber jedenfalls gerne Gastgeber gewesen! Und wir haben – wie alle guten Gastgeber – kein Gastgeschenk erwartet, sondern vielmehr die Wertschätzung gespürt, die mit diesem Besuch verbunden war.
Als evangelische Christinnen und Christen, für die allein die Schrift, allein der Glaube, allein die Gnade und nicht zuletzt allein Christus zählt, haben wir bereits jetzt die Freiheit, uns alle fröhlich und frei um einen Tisch zu versammeln, weil Jesus Christus selbst uns dazu einlädt und nicht Kirche, Pfarrerin, Papst oder wer auch immer. Ich habe das in meiner Begrüßung im ökumenischen Gottesdienst in der Augustinerkirche in Erfurt folgendermaßen zum Ausdruck gebracht:
„Der Mönch Martin Luther ist hier in diesen Mauern der Augustinerkirche zu Erfurt eingekehrt […]. Und er ist aufgebrochen, hinter sich zu lassen: Macht ohne Liebe, Glaube ohne Freiheit, Angst ohne Ausweg. Aufgebrochen, hin zu einer Freiheit, die in Gott ihre Wurzeln und in der Welt ihren Ort findet, immer wieder, durch die Jahrhunderte hindurch, bis in die jüngere Geschichte, bis heute. […] Wir haben ein Fundament: das Wort Gottes, und wir haben einen gemeinsamen Grund, die Heilige Taufe. Und, ja, zum richtigen Zeitpunkt werden wir am hellsten und besten Ort des Hauses gemeinsam und füreinander den Tisch decken, an den ER uns einlädt, von dem wir gemeinsam essen und trinken, was Jesus an seinem letzten Abend teilte. Nicht, weil wir es müssen, sondern weil wir es können und weil wir es wollen. Ich bin Ihnen, lieber Bruder Papst Benedikt, dankbar, dass Sie Station machen hier mit uns, auf dem Weg, den Gott uns schenkt, denn auch die Ökumene ist zuallererst Gottes Geschenk an uns.“
Wir sind also alles andere als enttäuscht über den Papstbesuch, wir sind vielmehr dankbar und fühlen uns geehrt, wenn wir auch nicht zufrieden sind – denn zufrieden sein heißt, nichts mehr zu erwarten. Erzbischof Zollitzsch hat nach dem Besuch von Benedikt XVI. davon gesprochen, dass der Papst den Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz den Schlüssel zur weiteren Gestaltung der Ökumene auch im Hinblick auf die Feier des großen Reformationsjubiläums 2017 gegeben habe. Und wir als Evangelische freuen uns auf die weiteren Schritte auf dem Weg der Ökumene mit unseren katholischen Schwestern und Brüdern und auch den Brüdern Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen aus der Deutschen Bischofskonferenz!
3. Schritt: Sola fide:
Es sind die vier bereits eben erwähnten „Allein“ Martin Luthers, die er gegen die Machtfülle und den Machtanspruch der römisch-katholischen Kirche seiner Zeit setzt. Vier große Prinzipien, die unseren evangelischen Glauben bis heute prägen: Allein durch Christus, allein durch den Glauben, allein durch die Schrift, allein durch die Gnade (solus christus, sola fide, sola scriptura, sola gratia). Alle haben viel Freiheit in sich. Auf ihnen gründet auch die reformatorische Grundeinsicht, dass Theologie nicht nur an Pfarrerinnen und Pfarrer gebunden ist, sondern dass jeder getaufte Christ, jede getaufte Christin quasi ein Priester, eine Priesterin ist, so wertvoll und so wichtig. "Wer aus der Taufe gekrochen ist, ist Priester und Papst", schreibt Luther. Wir alle können also schicke rote Schuhe tragen und huldvoll vom Balkon winken, vorausgesetzt, dass wir das wollen.
Eines der vier „Allein!“ greife ich beispielhaft hier heraus: Sola fide – allein durch den Glauben. Nicht wir entscheiden uns für Gott, sondern wir erkennen, dass er sich für uns entschieden hat. Da gibt es keine Vorbedingung und keinen Haken im Kleingedruckten. Gott nimmt uns als Sünderinnen und Sünder an, liebt uns und spricht uns gerecht. „Wer glaubt und getauft wird, wird gerettet werden" heißt es im Markusevangelium (Mk. 16,16). Wir können uns unseres Heils ganz gewiss sein, im Leben und im Sterben. Oder, wie es Paulus ausdrückt: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist.“ (Röm 8,38f.).
Dieses Vertrauen, dieser Glaube macht frei – ungeheuer frei! Frei von der Angst vorm Leben und vorm Sterben, denn immer sind wir umgeben von Gottes Liebe. Was für ein Versprechen, was für eine Freiheit! Das bedeutet natürlich nicht, immer ganz frei von Angst und Furcht im Leben zu sein. Die kennt jede und jeder von uns. Aber wir haben dieses Versprechen: ein angstfreies Leben und Sterben sind möglich. Und jeden Tag wieder können wir das stückchenweise und immer mehr einüben: Jeden Tag aufs Neue ein Stück weiter in unsere Taufe "hineinkriechen", wie Luther es sagt. Die Taufe, das ist das eine große Zeichen der Zugehörigkeit zu Gott, das uns ein Leben lang unsichtbar begleitet.
Diese Freiheit von der Angst hat Konsequenzen. Insbesondere für jene, die die Angst als Mittel ihrer Herrschaft nutzen und versuchen, sich mit Gefängnis- oder Todesandrohung die Menschen gefügig zu machen. Sie müssen damit rechnen, dass es Menschen gibt – Christinnen und Christen und natürlich auch viele andere –, die sich davon nicht einschüchtern lassen. Und dass der ein oder die andere ihnen in ihrem grausamen Spiel in die Speichen greift. So, wie das Dietrich Bonhoeffer getan hat, der sein Handeln und sein Vertrauen mit dem Leben bezahlte und von den Nazis im KZ Flossenbürg ermordet wurde. An seinem Leben zeigt sich eindrucksvoll, wie widerständig diese Freiheit aus dem Glauben sein kann. "Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens", sagte Dietrich Bonhoeffer kurz vor seinem Tod. Nun ist, Gott sei Dank, das Land, in dem wir leben, mittlerweile ein demokratischer Rechtsstaat geworden, der uns keine Entscheidung auf Leben und Tod abzwingt. Im Gegenteil, er fordert uns auf, uns einzumischen und mitzumachen.
4. "Niemand ist eine Insel":
Evangelische Freiheit: Wir Evangelischen sind frei, weil wir dem Evangelium von Gottes Gnade durch Jesus Christus vertrauen. Nicht mehr, nicht weniger. In seiner großen Freiheitsschrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ beschreibt Luther diese Freiheit bekanntermaßen so: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan". In seinem Verhältnis zu den Menschen wird der rechtfertigende Gott zum befreienden Gott. In ihrem Verhältnis zu Gott werden die gerechtfertigten Menschen zu freien Menschen. Also, "alles Freiheit, oder was"? Grenzenlos über und unter den Wolken?
Entgrenzte Freiheit, wohin das Auge reicht: Alles ist möglich, jetzt und zu jeder Zeit, alle Schranken sind gefallen? Vom Tellerwäscher zum Millionär! Freie Fahrt für freie Bürger! Freie Liebe!
Das wäre Freiheit – christliche Freiheit – vollkommen falsch verstanden. Denn der Mensch lebt ja nicht beziehungslos und nur für sich allein auf der Welt, auch, wenn das neoliberale Weltbild das so vorgaukelt mit seinem „anything goes“. So, als ob wir alle freie Atome wären, die ohne Bindung an andere im Raum schweben und nirgends andocken. Oder wie Inseln, ganz unverbunden im Meer. So wie z.B. Will Freeman, der Held in Nick Hornbys Roman "About a boy". Vielleicht haben Sie ja auch den Film gesehen. Finanziell durch eine Erbschaft gut ausgestattet, ist er der coole freie Yuppie. Schicke Mode, angesagte Musik, tolle Autos, attraktive Frauen. Als dieser im Fernsehen den Spruch "Niemand ist eine Insel“ hört, protestiert er: "Doch, ich! Ich bin eine Insel. Ich bin Ibiza." Nein, muss man auch ihm entgegenhalten, niemand ist eine Insel und zum Glück sind da auch noch die Anderen, auf die wir angewiesen sind und sie auf mich und uns.
Denn zur Freiheit eines Christenmenschen gehört noch der zweite Satz Luthers, das genaue Gegenteil des ersten, und der wird auch gern einmal unterschlagen, weil er so unbequem ist: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan." Erst in dieser – dialektischen – Spannung ist die christliche Freiheit vollständig bestimmt: Frei ist der Mensch vor Gott. Ein dienstbarer Knecht / eine dienstbare Magd aber für seinen Nächsten /seine Nächste, in der Liebe. Denn zu Jesu höchstem Gebot, Gott zu lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt gehört ja noch untrennbar dazu: Unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst (Luk. 10, 27).
Christliche Freiheit hängt also nicht irgendwo und irgendwie in der freien Luft oder grenzenlos über den Wolken, sie ist bezogen auf Gott und den Nächsten. Sie verlangt erst einmal nichts. Jedenfalls denken wir Protestanten so. Gottes Liebe, die die Freiheit schenkt, ist voraussetzungslos. Aus Gnade. Wie du bist, aussiehst, wo du wohnst und wer deine Bezugsgruppe ist, ist egal. Und doch führt diese Freiheit nicht ins Bodenlose, nicht ins Abgehobene, nicht ins Leere, nicht ins Irgendwo und Irgendwas. Sie ist eine Freiheit, die uns zu dem Menschen macht, der wir sind. Wir müssen nicht größenwahnsinnig sein, um zu beeindrucken. Denn wir sind nicht allein auf der Welt, unser Menschsein vollzieht sich in Beziehungen. Wir mögen ja als Menschen alles Mögliche sein, aber wir sind jedenfalls keine Inseln! Und ich sage: zum Glück. Wie wäre es denn, wenn jede und jeder von uns völlig allein vor sich hinleben würde? So wie Robinson Crusoe auf seiner Insel. Wären wir denn dann frei? Wann ist man frei? Wenn man sich jeden Tag selbst sein Essen einsammeln und kochen muss, oder wenn es da auch noch jemanden gibt, an dessen Kühlschrank ich ungefragt gehen darf?
Der Umgang miteinander macht uns Menschen frei. Wenn ich weiß, ich muss nicht allein für mich sorgen. Freiheit ohne andere macht einsam und unglücklich und ist doch nur eine Schein-Freiheit. Die Freiheit des Christenmenschen hingegen ist wohl eine solche, die zumindest die Möglichkeit eröffnet, anderes zu denken, anders zu leben, andere zu beachten. Sie ist nicht einfach die Freiheit von, sondern die Freiheit zu etwas. Die Freiheit, etwas zu tun, was mich erfreut und meinen Gott hoffentlich fröhlich stimmt. Nein, das soll jetzt nicht ganz naiver Glaube sein. Aber als fröhlicher Christenmensch frei zu sein und einen fröhlichen Gott an der Seite zu wissen, das ist recht viel Freiheit in einem.
Liebe Schwestern und Brüder,
und jetzt will ich, wie angekündigt, am Ende meines Vortrags davon reden, was evangelische Freiheit und Verantwortung für mich bedeuten, an einem zentralen Beispiel: Der Frage um das Wachstum.
Gegen den Wachstums-Wahn
Dass wir Wachstum brauchen, und davon möglichst immer mehr und noch mehr, gilt ja als gegebene Wahrheit, die kaum zu hinterfragen ist. Gegen die Finanz- und Schuldenkrise hilft nur ein solides Wachstum, so ist landauf / landab, immer noch zu hören. Und wer den Wachstumsimperativ doch in Frage stellt, gilt als ver-rückt, als jemand, der offenbar am liebsten schnell in die Steinzeit zurück will. Doch wer ist wirklich verrückt? Ist die Wachstumslogik tatsächlich so rational, wie ihre Fürsprecher gerne behaupten? Kann es nicht vielleicht sogar sein, dass dieses Mantra nach Wachstum und nach immer mehr genau zu der Schulden- und Finanzkrise beigetragen hat, die uns seit einiger Zeit umtreibt und noch lange vor sich hertreiben wird? Einmal ganz banal gesprochen: Wenn Wachstum jedenfalls das alleinige Kriterium für ein gelingendes Leben wäre, dann müsste man sich darüber freuen, wenn jemand sich in der Kneipe betrinkt und dann sein Auto zu Schrott fährt. Reparatur oder Neukauf bringen schließlich die Wirtschaft in Schwung. Weniger effektiv wäre es, Freunde nach Hause einzuladen und sie nett zu bekochen, davon profitiert ein wenig der Händler, vielleicht der öffentliche Nahverkehr und ein Taxi für den Heimweg. Wachstumsmäßig betrachtet aber ganz falsch. Und dabei ist es sogar egal, ob das ein Elektroauto war, das zu Schrott gefahren wurde und ob das Essen mit nachhaltigem Strom gekocht wurde. Anders und weniger zynisch gesagt: Der Maßstab des Wirtschaftswachstums anhand des Bruttoinlandsproduktes sagt absolut gar nichts darüber aus, wie lebenswert eine Gesellschaft wirklich ist. Wie solidarisch sie ist. Was für Kulturgüter sie hervorbringt. Wie in ihr miteinander umgegangen wird. Und, im Gegenteil: Wachstum kann gefährlich werden. Längst leben wir in einer Wegwerfgesellschaft, in der man sich nach ein paar Jahren eben ein neues Produkt kauft und das alte wegschmeißt – weil es sich nicht mehr lohnt, zu reparieren? Dass wir unseren Planeten nicht unendlich ausbeuten können und die Ressourcen eben nun mal begrenzt sind, liegt auf der Hand. Von den Bergen von Lebensmitteln, die tagtäglich vernichtet werden, weil wir uns eine Supermarktkultur mit einem anything goes und das zu jeder Zeit leisten, ganz zu schweigen. Wie oft mussten sie schon selbstverständlich hinnehmen, dass es kurz vor Ladenschluss keine frische Milch mehr im Regal gab und auch die Gemüsetheke nur noch halb voll? Ostdeutsch sozialisierte Menschen wie ich denken nur an die letzten zwanzig Jahre bitte, sonst funktioniert das Bild nicht. Wie oft? Vermutlich nie. Außer vielleicht, sie gehen aus Überzeugung in diesen kleinen Tante Emma Laden, in dem es sowieso nur eine Sorte Milch und Mehl gibt.
Der renommierte Sozialpsychologe Harald Welzer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die gesellschaftlichen Fortschritte der letzten Jahrzehnte auf Bildung, Gesundheit und Kommunikation zurückgehen und eben nicht auf Wachstum. Und viele Umfragen bestätigen: Ab einem bestimmten Niveau hat die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes nur noch einen sehr geringen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung. Manchmal kommt es mir auch vor, als wäre es umgekehrt: Nicht der, der alles hat und nach immer mehr strebt, ist glücklich, sondern der Mensch, der sich in einer gewissen Begrenztheit einzurichten versteht. Biblisch wird das etwa in der Geschichte vom reichen Kornbauern ausgedrückt (Lk 12, 16-21): Der hat so viel Ernte eingefahren, dass er sich überlegt, seine Scheunen abzubrechen und neue zu bauen, um dann satt und zufrieden von seinen Erträgen zu leben. Zu ihm spricht Gott: "Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?" Und Jesus schließt dieses Gleichnis ab mit den Worten: "So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott." Reich bei Gott. Wann bin ich reich bei Gott? Gebote einhalten, 30 fahren in geschlossenen Ortschaften, Müll trennen, an "Brot für die Welt" spenden? Wäre es das? Das wäre dann immerhin ein leichter Abend gewesen, das könnten wir uns alle merken und reich werden, bei Gott. Gerade in der Vorweihnachtszeit sehr praktisch.
Aber zurück zum Wachstum. Man hat fast den Eindruck, als handele es sich um einen messianisch aufgeladenen Götzen. Oder, um an das Beispiel des Auszugs aus Ägypten anzuknüpfen: Wie der sprichwörtliche Tanz des Volkes um das Goldene Kalb in der Wüste am Berg Horeb. Die Bergpredigt gibt demgegenüber ein Programm vor, das vielleicht utopisch scheint, auch oder vielleicht gerade deshalb, weil es so einfach klingt. Seine Reden am Berg am See Genezareth schließt Jesus zusammenfassend mit der "Goldenen Regel" ab: "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Denn das ist das ganze Gesetz und die Propheten!" Kategorischer Imperativ in biblischer Sprache sozusagen. Alle, die sich davon auch noch heute leiten lassen, sind nicht bereit, den Traum von einer anderen, gerechteren Welt aufzugeben: Wie wir es gut machen könnten, mit der Gerechtigkeit, mit der Bewahrung der Schöpfung, mit dem schonenden Umgang mit den Ressourcen also, mit dem Frieden. Denn: Wir können weniger Dreck produzieren, wir können weniger Schulden machen! Wir können weniger zerstören und an Ressourcen verbrauchen und nachhaltiger leben! Wir können dem Wachstumswahn ein "weniger-ist-mehr" entgegensetzen. Zum Glück also gibt es immer mehr Menschen, die diesen Tanz um das Wachstums-Kalb kritisch hinterfragen. Denn Wachstumskritik ist alles andere als retro. In der politischen Debatte läuft dieser Prozess des Neu- und Umdenkens unter unterschiedlichen Labels. Manche nennen es akademisch „Suffizienz“, andere sprechen von qualitativem oder selektivem Wachstum. Wieder andere von einer ‚Ökonomie des Genug‘ oder in Anlehnung an Aristoteles vom ‚Guten Leben‘. Bei all dem geht es aber mal mehr oder weniger, mal mit dieser und mal mit jener besonderen Akzentsetzung um eine Kultur des Weniger.
Und das Schöne ist: Die gelebte Wachstumsskepsis ist erfreulich ideologiefrei. Die Kultur des Weniger hat vielmehr mit dem Thema des heutigen Abends zu tun – mit der Freiheit! Ob es das Milieu der sogenannten LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) ist, die Aktivisten von „Degrowth“ oder „slow food“ oder einfach die junge Familie, die bewusst und ökologisch einkauft und vielleicht auf das eigene Auto verzichtet: Sie alle stehen für einen kulturellen Wandel, in dem sich individuelle Werte wie Nachhaltigkeit und die Lust am Genuss mit dem zentralen Wert der Freiheit verbinden. Denn die neuen Wachstumskritiker sind keineswegs wandelnde Spaßbremsen, die uns bei trocken Brot und Bionade im groben Jutesack am spartanischen Bio-Holztisch sitzen haben wollen. Der Wandel der Lebensstile kommt ohne Verzichtsappelle aus. Reich bei Gott ist nämlich nicht arm an Leben, ist nicht Einschränkung, ist schon gar nicht ein staatliches: "ich weiß schon, was gut für dich ist". Statt Askese sind die neuen Lebensstile ein Versprechen auf mehr Freiheit. Es handelt sich um Emanzipation im besten und aktuellsten Sinne: Emanzipation von der Behauptung, dass uns einzig und allein „mehr Wachstum“ glücklich machen könne. Und dass darin der Sinn des Lebens bestehen würde.
Sie sehen: Freiheit ist eine ganz wichtige und zentrale Idee, wenn es darum geht, Antworten auf aktuelle Fragen und Fragen der Zukunft zu finden. Als getauftes Kind Gottes, in christlicher Verantwortung und Freiheit, das an nichts gebunden ist außer an Gott selbst – die Liebe zu ihm und zum Nächsten – bin ich frei! Frei, Dinge zu tun oder sie zu lassen. Frei, Steine weg zu werfen oder sie einzusammeln, frei zu pflanzen oder auszureißen, was gepflanzt ist (Prediger 3). Frei von Ideologien dürfen wir prüfen und entscheiden, was zu tun ist. Frei auch von Angst vor der Meinung anderer. Frei vom Schielen auf die Stimmung der Märkte. Frei zur Korrektur früherer Fehler.
Unsere Welt braucht Christinnen und Christen, die ehrlich und nüchtern sagen, was dran ist – auch auf das Risiko hin, dass sie sich irren. Der prophetische Gestus ist immer auch ein gefährdeter Gestus, aber ohne ihn ist die Welt um eine wichtige Stimme gebracht. Und natürlich sind wir aufgefordert, unsere Worte mit unserem Handeln bezeugen. Aber wir können auch versagen, wir können sogar zugeben, dass wir Fehler machen. Welch eine Freiheit!
Abschluss
Darum liebe ich auch die evangelische Kirche und fühle mich in ihr beheimatet… wegen der Freiheit. Der Freiheit im Glauben und der Freiheit der Kirche. Ich glaube, im Kern ist unser Glaube ein wunderschöner Segen Gottes. Er gehört zu den grundlegendsten, schönsten und wichtigsten Dingen, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe: Welch ein Reichtum, welch ein Staunen über Gottes Gegenwart, welch eine Weite, die sich dem Herzen öffnet und den Geist frei macht.
Und es gibt so etwas wie eine Schönheit des Glaubens, einen Glanz, ein Licht, das uns zu aufrechten, fröhlichen, liebensfähigen und liebenswürdigen Menschen macht. Das liebe ich. Denn unsere evangelische Kirche ist keine starre, ein für alle Mal gesetzte Ordnung, die selbst keine Freiheit zuließe. Sie ist als Kirche der Freiheit eine Kirche im Wandel, eine Kirche, die schon immer in Bewegung ist und sich ständig reformiert. Und zu einer Kirche in Bewegung, dazu gehören freie Menschen, die lachend, aufrecht, selbstbewusst und dankbar von Gottes Güte reden und keine Angst haben, Richtiges und Wichtiges auszusprechen und keine Angst vor dem, was kommt. Für DDR-Bürger wie mich war das natürlich etwas sehr besonderes, dieses frei sein bei Gott und keine Angst haben müssen. Das heißt nicht, dass wir keine Angst hatten. Aber wir wussten zumindest, dass da einer war, der war größer als alle Repression und dessen Freiheit machte nicht Halt vor Mauern und vor Ideologien, nicht vor Schulbüchern und nicht vor Spitzeln. Denn Gott ruft uns in die Freiheit, lässt uns aufbrechen in die Zukunft und kommt uns selbst dabei entgegen. Das ist reich sein bei Gott! Was könnte denn für Freiheitsliebende schöner sein?
Deshalb finde ich: das einzige, das wirklich noch wachsen muss, ist unser Zutrauen in Gottes Liebe, aus der wir leben und die wir weitergeben dürfen.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!