Grußwort zum Kirchenjubiläum, Kreuzkirche Istanbul

Nikolaus Schneider

Es gilt das gesprochene Wort!


„Suchet der Stadt Bestes,
und betet für sie zum HERRN;
denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s auch euch wohl“
Jeremia 29, 7


[Anrede]

Sie feiern heute den 150. Jahrestag der Einweihung des Kirchengebäudes der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Istanbul.
 
Das Territorium der heutigen Türkei ist in der Bibel als Ort frühester christlicher Gemeinden genannt. Wichtige Ereignisse der Kirchengeschichte haben in diesem Land stattgefunden. Christlicher Glaube und christliche Kirche wollen aber nicht nur Teil einer alten, vergangenen Geschichte sein, sondern  auch – wenn auch fraglos unter sehr veränderten Bedingungen – wichtiger und bereichernder Bestandteil der Gegenwart dieses Landes und dieser Stadt. Das gilt, so denke ich, auch für die deutschsprachige evangelische Kirche in Istanbul.

Die Kreuzkirche ist das Gotteshaus einer Gemeinde, deren Menschen hier in der Türkei leben und versuchen, sich mit ihrer deutschen Muttersprache ein "Stück Heimat  in der Fremde" zu bewahren. Sicher gilt für uns seit Christi Geburt durch die Zeiten und an allen Orten: Die Kirche schenkte und schenkt Menschen in ihrer Bindung an Jesus Christus ein Stück Heimat über alle nationalen und sprachlichen Grenzen hinweg. Und doch können wir alle ein Lied davon singen, wie sehr unsere Muttersprache Teil unserer gewachsenen Identität ist. Wir brauchen unsere Verwurzelung in den alten Liedern und Ritualen unserer Herkunftstraditionen, um unsere Herzen und unseren Verstand für neue Lieder an neuen Orten zu öffnen.

Einer fremden Stadt Bestes zu suchen, ohne die eigenen Wurzeln und die eigene Identität zu verleugnen und aufzugeben, dieser Aufgabe haben sich die Israeliten vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden in Babylon gestellt. Die deutschsprachige Gemeinde stellt sich dieser Aufgabe nun seit über 160 Jahren in Istanbul. Gegründet im Jahr 1843 hat sich die Evangelische Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei von Anfang an auf den Gebieten der Sozialarbeit, der Krankenpflege und der Bildung engagiert.

Das Kirchengebäude, das wir heute feiern, basiert sowohl historisch wie architektonisch auf einer Schule. Zuerst stand hier ab 1850 die deutsche Schule, auf sie wurde 1861 dann die Kirche aufgesetzt. Ich finde, diese Baugeschichte ist ein sehr sympathisches Bild für die "Liebesbeziehung" von Glaube und Bildung in der reformatorischen Tradition. Nach evangelischem Verständnis soll ein jeder Christ und eine jede Christin selbst die Heilige Schrift lesen und sich kritisch mit ihr auseinandersetzen können, um die befreiende Botschaft des Evangeliums für sich zu entdecken und die eigene Lebensweise am Wort Gottes ausrichten zu können.

Kulturelle Vermittlungsarbeit, Flüchtlingsarbeit in ökumenischer Verbundenheit und Nothilfen für gestrandete Landsleute, das sind neben Ihren "innergemeindlichen" Aufgaben die Felder, auf denen Sie heute "der Stadt Bestes" suchen. "Wenn es ihr [der Stadt] wohlgeht, so geht es auch euch wohl" – das hatte der Prophet Jeremia seinen Landsleuten im fremden Babylon zugesagt. Wir beten und hoffen, dass es auch in den kommenden Jahrzehnten der Stadt Istanbul und Ihrer deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in dieser Stadt wohl gehen möge. Für alle dabei sicher nicht immer leichten und unangefochtenen Aufgaben wünsche ich Ihnen im Namen unserer Delegation und der Evangelischen Kirche in Deutschland Gottes Segen.

Als Symbol für das Licht des Evangeliums, das wir an allen Tagen und an allen Orten brauchen, schenkt Ihnen die EKD diese für Sie und Ihre Gemeinde angefertigte Kerze. Möge ihr Licht als Zeichen der Gegenwart Gottes die Gemeinde für ihr Leben und ihren Dienst ermutigen.

Gott behüte Sie!