„Die Welt zu Gast bei Geschwistern“. Vortrag auf der ITB in Berlin
Margot Käßmann
Evangelium globalisiert
Als ich gestern Vormittag zu einer Veranstaltung nebenan auf die ITB kam, sagte jemand: “Sie waren doch sicher noch nie hier, Kirche und ITB, das passt ja wohl kaum zusammen, oder?“
O doch! Nicht nur, weil wir gestern die Ausstellung auf Schloss Rochlitz zu den starken Frauen der Reformation vorgestellt haben. Mich persönlich fasziniert immer wieder, wie sehr der christliche Glaube eben auch eine globale Realität ist. Der Theologe Ernst Lange hat in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mal an einen evangelischen Bischof geschrieben, er müsse doch wahrnehmen, dass die deutschen Kirchen nur eine „Provinz der Weltchristenheit“ sind. Das gilt es immer wieder wahrzunehmen! In allen Ländern dieser Erde können wir christliche Gemeinden antreffen. Martin Luther hat die Bibel insgesamt in die deutsche Sprache übersetzt, damit Menschen selbst lesen und verstehen können. Gesamtübersetzungen gibt es heute in 518 Sprachen, vollständig übersetzte Neue Testamente in 1275 Sprachen und Teilübersetzungen in weitere 1005 Sprachen. Wir teilen die biblischen Überlieferungen mit Menschen vieler Sprachen und Kulturen, das ist faszinierend! Wenn Sie auf einer internationalen ökumenischen Konferenz vieles nicht begreifen - bei Begriffen wie „Jakob und Esau“ oder „Gethsemane“ wissen alle sofort, um welche Geschichte, welche Inhalte es geht.
Insofern: Das Christentum ist eine globalisierte Bewegung! Aufbruch, Unterwegssein, Begegnung mit der Fremde, das sind zudem urbiblische Themen vom Auszug aus Ägypten bis zu den Wegen Jesu durch Israel und Palästina. Mit dem Apostel Paulus beginnt eine große Reisetätigkeit – die ITB hätte ihre helle Freude an seinen Routen, schauen Sie mal im hinteren Teil Ihrer Bibel, die Sie hoffentlich besitzen, nach, dort sind sie abgebildet. Die missionarische Tätigkeit der Christen durch die Jahrhunderte ist nur zu bestaunen bei allen negativen Effekten, die es gab. Mich hat bei Besuchen bei Partnerkirchen oft fasziniert, welche Mühen Menschen auf sich genommen haben, um das Evangelium zu verbreiten. Ich denke an Hermannsburg in Südafrika. Dahin hatte Louis Harms im niedersächsischen Hermannsburg junge Männer geschickt und anschließend Frauen für sie ausgesucht. Sie wohnten zu zwölf Familien in einem großen Haus, ein Idealbild christlicher Gemeinschaft, das sich alsbald nicht mehr aufrecht erhalten ließ. Bilder zeigen weiße Frauen mit schwarzer Haube und langen, von mehreren Unterröcken aufgebauschten Röcken neben Afrikanerinnen, die nur einen Lendenschurz tragen – welche Welten prallten da aufeinander. Oder denken wir an Äthiopien. Die Missionare brachten ein Harmonium mit, dass sie bis in den weiten Westen schleppten oder schleppen ließen. In Indonesien, dem Partnerland der ITB in diesem Jahr, gibt es heute 19 Millionen Christinnen und Christen, die allerdings unter schwerer Verfolgung leiden. Auch ein Thema für den Tourismus, finde ich. Sensibel sein für die Lage vor Ort! Fünf Prozent der Bevölkerung Indonesiens sind Protestanten, es gibt Lutheraner, Reformierte, Mennoniten und Methodisten. Paupua und Nord-Sulawesi sind gar Provinzen mit einer protestantischen Mehrheitsbevölkerung.
Das Christentum weiß etwas von weiten Wegen, von Kulturen, die aufeinander prallen, von Verwerfungen auch, von Begegnungen, die nicht auf Augenhöhe abliefen. Ich selbst war viele Jahre im Ökumenischen Rat der Kirchen engagiert. Mich hat immer der Vergleich zweier Bilder fasziniert. Bei der Gründungsversammlung 1948 in Amsterdam ist eine Versammlung zu sehen, die von älteren Herren weißer Hautfarbe dominiert wird. Bei der ersten Versammlung, bei der ich als Jugenddelegierte 1983 dabei sein durfte, zeigt das Bild eine bunte Mischung von Männern und Frauen unterschiedlicher Generation, Kultur, Hautfarbe und ethnischer Herkunft. Das Christentum hat also das Potential einer konstruktiven Globalisierungsbewegung. Es zeigt eine Lerngeschichte. Dialog der Kulturen, der Konfessionen, der Religionen, mit der säkularen Welt – das waren oftmals bitter errungene Erkenntnisse auch gegen die Kirche als Institution.
Reformationsjubiläum
Was nun hat das alles mit dem Reformationsjubiläum und gar der ITB zu tun? 2017 ist für die Evangelischen ein besonderes Datum. Mit dem vermeintlichen Thesenanschlag an die Schlosskirchentür von Wittenberg – ob nun Legende oder historische Wahrheit – wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der die Kirche und auch die Welt veränderte. Es war ein Prozess aus dem christlichen Glauben heraus. Luther fragte sich, wie denn der Mensch ein vor Gott gerechtes, sinnvolles Leben führen könnte. Und erkannte: nichts, was ich tue oder leiste, garantiert mir das, es ist freie Zusage Gottes aus Gnade. Niemand auch kann mir Vergebung von Sünde zusprechen oder gar verkaufen, Jesus Christus steht dafür ein. Das war ein Schritt in einem großen Prozess hin zur Freiheit des Einzelgewissens, zu den bürgerlichen Freiheitsrechten, die wir heute kennen. Ein Symboldatum ist 1517 ebenso wie Luther die Symbolfigur. Der Prozess Reformation hat das ganze Jahrhundert geprägt, beide Teile der abendländischen Kirche, die aus ihm hervorgegangen sind ebenso wie Gesellschaft, Kultur und Staat, und es waren viele Personen daran beteiligt. Auch die Schweizer Evangelischen Kirchen können mitfeiern, selbst wenn ihre Reformationsdaten anders gelagert sind, ebenso die europäischen und überseeischen Kirchen, die andere Daten und Personen in den Mittelpunkt stellen: 2017 ist der Punkt, an dem wir 500 Jahre Reformation bedenken.
Im Deutschen Bundestag wurde ausführlich über das Reformationsjubiläum debattiert. Das Parlament hat im Oktober 2011 einstimmig zugestimmt: „Bei dem Reformationsjubiläum im Jahr 2017 handelt es sich um ein kirchliches und kulturgeschichtliches Ereignis von Weltrang.“ Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat über das Jubiläum beraten und beschlossen: „Die Reformation ist Weltbürgerin geworden. Sie gehört allen. In 500 Jahren hat sie sich über die Welt ausgebreitet und ist in ungezählten Ländern und Kulturen heimisch geworden.“ Bundestag und EKD Synode gehen also davon aus, dass dieses Jubiläum Anlass genug ist, damit Menschen aus Deutschland, Europa und der Welt sich auf den Weg nach Deutschland machen.
Und: Es gibt Menschen, auch auf anderen Kontinenten, die gehört haben, dass in unserem Land die Konfessionen und Religionen befriedet zusammenleben, sie wollen mit eigenen Augen sehen, wie unser Land seine konfessionellen Differenzen in respektvollem Miteinander lebt.
Die Kirchen haben Glaubensfragen im Blick, das ist ihr Thema. Der Tourismus hat die Menschen im Blick, die Lutherwege entdecken wollen, die durch den legendären deutschen Wald wandern wollen, aber auch in Berlin nachvollziehen wollen, was 1989 in unserem Land geschehen ist. Immerhin feiern wir, nachdem 1983 zum 500. Geburtstag Martin Luthers im geteilten Deutschland gefeiert wurde, nun das erste große Reformationsjubiläum im vereinten Deutschland. Wir können beim Jubiläum 2017 nicht der Frage Ausweichen, welche Irrwege unsere Kirche gegangen ist mit Blick auf Luthers Schrift zu den Juden und dem Versagen in den Jahren des Nationalsozialismus – der Holocaust verändert das Gedenken gegenüber 1917 definitiv – als Nationalheld kann und wird Luther 2017 nicht gesehen werden. Kritischer Rückblick und selbstkritische Reflektion sind gefragt. Ja, es gibt eine 500jährige Lerngeschichte der Reformation. Es gibt theologische, historische, touristische, staatliche Interessen am Jubiläum und das kann in guter Kombination gestaltet werden. Bis hin zu ein wenig Kommerz, den wir ertragen werden von Luther Honig bis zu Luthersocken mit der Aufschrift: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“...
Natürlich reist kein Mensch nach Deutschland, weil der Bundestag und die EKD Synode das wichtig finden und per Beschluss einladen. Aber es werden Menschen kommen, die ein Interesse haben an diesem Jubiläum. Allein die Zahl 500 und die Geschichte Martin Luthers, seine legendäre Standfestigkeit, sein Freiheitswille, aber auch die Geschichten der anderen Frauen und Männer der Reformation faszinieren. Die Reformation wusste die Freiheit eines Christenmenschen so zu formulieren und zu leben, dass jede und jeder dieses Thema auf sich selbst beziehen können. Die Reformation hat mit dem Innersten des Menschen zu tun, mit deiner Seele, deinem Herzen, deinem Selbstverständnis, dem Zentrum deiner Individualität, denn alle Folgen der Reformation erwachsen aus dieser neuen Beschreibung des inneren Menschen. Davon erzählen nicht nur die Bauwerke, diese Begegnung mit diesem Innersten werden die Menschen suchen, die 2017 nach Deutschland kommen. Da haben die Kirchen einen geistlichen Beitrag zu leisten durch Gottesdienste, Stundengebete, Ereignisse, Beschreibungen und Führungen mit theologischer Substanz. In den USA habe ich begriffen, wie Hoch die Symbolkraft von Orten wie Wittenberg, Halle und die Wartburg für Protestanten ist.
„Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“, fragte Martin Luther. In säkularer Zeit halten viele diese Frage überholt. Aber das Ringen um Sinn, was will ich mit meinem Leben, das ist auch heute ein Thema. Die Frage wird sein: Finden wir eine Sprache, darüber zu reden? Martin Luther war Meister darin, dem „Volk aufs Maul“ zu schauen, ohne ihm nach dem Munde zu reden. Das wird eine zentrale Herausforderung: Heute in verständlicher Sprache und ohne Anbiederung vom christlichen Glauben so zu reden dass Menschen wahrnehmen: es könnte mich unmittelbar angehen…
Was erwarten unsere Gäste?
Da sind zunächst einmal die historischen Stätten. Unser Land der Reformation ist reich an Schätzen. In Eisleben ist Luthers Elternhaus zu sehen und dessen Sterbehaus wurde soeben neu hergerichtet – auch wenn es wohl nicht das historische ist, seine Taufkirche konnte ich im vergangenen Jahr nach wunderbarer Renovierung wieder mit einweihen. In Wittenberg wurde vor Kurzem das Melanchtonhaus neu eingeweiht. Das Lutherhaus, die Schlosskirche, die Stadtkirche in Wittenberg werden zurzeit gründlich saniert. Auf der Wartburg und in Berlin wird es zum Reformationsjubiläum 2017 nationale Ausstellungen geben. Die originalen Exponate, das Leben Martin Luthers, die Ehe mit Katharina von Bora, die engen Weggefährten Luthers, die anderen Reformatoren werden den Gästen in Ausstellungen Museen vorgestellt werden. Die Stadt Torgau wird schon jetzt für eine nationale Ausstellung herausgeputzt. In Berlin wird eine Ausstellung zu Luther und den Juden geplant. Erfurt plant besondere Beiträge. Es gehört zu den tiefen, urmenschlichen Bedürfnissen, sich und sein Leben mit solchen Orten zu verbinden und dort obwohl es in der Fremde ist, einen Teil der eigenen Heimat zu entdecken.
Das ist das erste, was unsere Gäste erwarten: Eine außerordentliche Erlebnisdichte an den historischen Originalorten verbunden mit geistlicher Erfahrung. Ein Pastor erzählte mir, er habe eine evangelische Gruppe aus Papua Neuguinea nach Wittenberg begleitet, vor der Tür der Schlosskirche zu Wittenberg, an die Matin Luther der Legende nach die 95 Thesen angeschlagen hat, sagte einer der Gäste tief bewegt, „hier ist mein Jerusalem“. Solche Symbolorte sorgen für immer neue Geschichten. So wie der 31. Oktober 2017 ein herausragender Symboltermin ist, so ragt eine Tür der Schlosskirche zu Wittenberg als ein Symbolort heraus, Legendenfrage hin oder her.
Wir werden aber auch die Gäste einladen und willkommen heißen, die die geprägten Orte der Reformation außerordentlich kritisch sehen. Es wird Gäste geben, die Zeugnisse der Bauernkriege etwa in Mühlhausen und die der Judenprogrome suchen werden. Da stehen auch Dachau, Bergen-Belsen und Neuengamme als Ziele auf dem Reiseplan. Eine außerordentlich ehrliche Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der Geschichte unseres Landes und unserer Kirche darf von uns erwartet werden. Die Kirche der Reformation wird sich kritische Fragen stellen lassen müssen, auch was die Gegenwart betrifft. Warum so viele leere Kirchen, so viel Säkularität, das höre ich immer wieder. In Eisleben, Luthers Geburtsstadt, sind heute noch sieben Prozent der Bevölkerung Mitglied einer Kirche. Für manche, die hier zu Besuch kommen, unfassbar. Gäste, die sich nach Deutschland aufmachen, werden aufmerksam die lange Lerngeschichte, die wir in Deutschland und Europa auf dem Weg zu einer toleranten Gesellschaft zurücklegen mussten, verstehen wollen. Sie werden uns fragen, wie weltaufgeschlossen wir wirklich sind, wie wir unsere Gegenwart und Zukunft meistern wollen. Und ob wir diese einmalige Geschichte der Reformation heute auch mit geistlichem Leben füllen.
Unsere Gäste erwarten also eine Geschichte, die von Wittenberg, Erfurt, Worms, der Wartburg, von Nürnberg und Augsburg und Eisleben ausgeht, in die Welt hinein ausstrahlt. Darum haben sich die staatlichen und kirchlichen Partner auf eine Lutherdekade verständigt, die 2008 eröffnet wurde. In diesem Jahr ist Halbzeit. Die Themenjahre greifen einzelne Aspekte der Reformation auf und sind wie eine Sammelbewegung, die auf 2017 hinführt.
Deutlich ist: das Reformationsjubiläum 2017 muss mehr bieten als die Summe der hergerichteten historischen Bauwerke, der Lutherwege, die von Bundesland zu Bundesland führen, mehr als die Ausstellungen und musealen Bauten, die wir schätzen. Im Bundestag wurde bei einer Anhörung im Herbst 2011 von einem „Sommermärchen der Reformation“ gesprochen. Wie das aussehen könnte, dafür gibt es erste Konturen:
Am 31. Oktober 2016 wird es in Berlin einen Auftakt geben mit einem Stationenweg. In vielen Städten werden auf den Marktplätzen Wirkungen der Reformation sichtbar gemacht und das Beste der Reformation wird für Ausstellungen „eingesammelt“. Am 27. Mai 2017 endet dieser Stationenweg vor den Toren Wittenbergs in einem außerordentlich großen Gottesdienst. Der Deutsche Evangelische Kirchentag und die Evangelische Kirche in Deutschland werden in Verbindung mit der Mitteldeutschen Kirche den Gottesdienst vorbereiten und mit Partnern aus den vielen Kirchen in aller Welt, diesen Gottesdienst feiern.
Zeitgleich beginnt im ganzen Stadtgebiet der Lutherstadt Wittenberg eine „Weltausstellung der Reformation“. Die Zahl der Thesen, die Luther 1517 veröffentlich hat, soll als Messzahl dienen: An 95 Orten wird für 95 Tagen im Sommer 2017 gezeigt, wie diese Lerngeschichte der Reformation heute aussieht. Die Kirchen des weltweiten Protestantismus, die staatlichen Akteure aus den Bundesländern und der Bundesrepublik Deutschland, die zivilgesellschaftlichen Akteure vom Sport und Kultur können je für sich „das Beste der Reformation“ präsentieren. Die Weltausstellung versteht sich als eine große Plattform, auf der viele Partnerinnen und Partner, auch mit ganz unterschiedlichen Ideen, das Originellste, das Älteste, das Wertvollste und das Neuste zum Sprechen bringen, das in der Reformation wurzelt. Ganz im Sinne einer gut gemachten Weltausstellung entstehen begehbare Erlebnisräume, Kunstwerke werden die Stadt bereichern. Musikinstallationen mit Bibeltexten, Lichtbändern, Klang- und Farbteppichen – Kreativität ist gefragt.
Der Vorsitzende des Rates der EKD Nikolaus Schneider hat gesagt: „Von Wittenberg kommen wir alle her, nach Wittenberg kehren wir 2017 alle zurück.“ Das ist eine gute Formel für die Planung der Weltausstellung, finde ich. Die Geschichte der Reformation vom so genannten „Thesenanschlag“ im Jahr 1517 ist, das spüren alle Verantwortlichen, noch nicht zu Ende erzählt, sie geht weiter.
Gastfreundschaft
„Die Welt zu Gast bei Freunden“, das war das Motto der Fußball-WM 2006. Die EKD hat die Veranstaltung heute unter das Motto gestellt: „Die Welt zu Gast bei Geschwistern“. Und das ist ja sehr passend. Wenn die Welt eingeladen ist, dann sprechen wir als Schwestern und Brüder diese Einladung aus. Wir laden Menschen ein, die wie wir sich als Teil der Familie der Kinder Gottes fühlen. In der Bibel ist die Gastfreundschaft ein sehr eindringliches Gebot. „Übt Gastfreundschaft!“ fordert Paulus im Römerbrief (12,13) die christliche Gemeinde auf. Und Gastfreundschaft ist ein gutes Bild für die Begegnung in Frieden, das Miteinander Verschiedener, ja Fremder, weil sie ein Beziehungsgeschehen ist, bei dem von Gastgebern wie Fremden respektvoller Umgang miteinander erwartet wird. Die Züricher Bibel übersetzt Paulus gar: „Die Liebe zu den Fremden vergesst nicht.“ Insofern: Gastfreundschaft ist eine urchristliche Tugend, sie gilt weit über die Geschwister hinaus.
Dazu gehört die Erinnerung an die eigenen Wurzeln. Die Ermahnung, den Fremden gegenüber offen zu sein, geht in der Bibel sehr oft mit der Erinnerung daran einher, dass du selbst fremd gewesen bist. Ich erlebe immer wieder, gerade in den USA, aber auch etwa in Südkorea, dass Evangelische sich fragen: woher kommen wir? Die einen wissen: unsere Vorfahren kamen nach Nordamerika auf der Suche nach Religionsfreiheit. Und in der Tat, die Reformation und die Gegenreformation, sie haben gigantische Bevölkerungsbewegungen in Gang gesetzt. Um das freie Gewissen leben zu können blieb oftmals nur das Wagnis der Auswanderung. Gerade die Einwanderung der USA war geprägt von jener Sehnsucht nach Religionsfreiheit. In Südkorea existieren heute große evangelische Gemeinden, die ihre religiösen Wurzeln suchen. Wenn Sie dort erzählen, dass Wittenberg deutlich kleiner ist als Seoul, kommen manche ins Staunen…
Im Hebräerbrief heißt es: „Gastfrei zu sein, vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“ (13,2) Das heißt: Das Gebot der Gastfreundschaft kann sich als enorme Lebensbereicherung entpuppen. Wir können uns einbringen mit unserer Kultur und unseren Werten und lernen Neues, Gastgeber und Gäste können Freunde werden, über die kurzfristige Begegnung hinaus. Das andere Land ist nicht nur Ziel des Tourismus, sondern es gibt ein herzliches Interesse aneinander, das auch Schattenseiten wie etwa die Lage der Christen in Indonesien nicht ausblendet. Es kann überraschend sein, was die Begegnung an Bereicherung und Erneuerung mit sich bringt. Denn das wussten schon die Reformatoren: Die Kirche der Reformation muss sich beständig erneuern. Dazu können die Begegnungen auf 2017 hin und im Jubiläumsjahr selbst einen Beitrag leisten. Wir dürfen gespannt sein!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.