Tischrede zur Eröffnung des Studienzentrums für Genderfragen in Kirche und Theologie
Lucie G. Veith
Ich danke Ihnen und Euch allen für die Ehre, hier sprechen zu dürfen und es macht mich glücklich, dass es Christ_innen in der Institution Kirche gibt, die in der Wahrheit leben und ihren Nächsten lieben.
Zunächst darf ich mich vorstellen:
Ich heiße Lucie Veith und ich wurde vor 58 Jahren als erstes von fünf Kindern eines sehr jungen und glücklichen Paares geboren. Meine Eltern haben ein xy – Chromosomales, also eher ein männliches Kind gezeugt, äußerlich weiblich, in meinem Bauchraum waren Hoden. Dennoch wurde ich als Mädchen erkannt, getauft, konfirmiert.
Meine Besonderheit ist es ein intersexueller Mensch zu sein.
Ich war und bin ein evangelisch-lutherischer Christ und das Wissen ein Kind der Liebe zu sein, ein Teil der Schöpfung, ein Mitglied einer Gemeinschaft hat mich gestärkt und ich bin dankbar. Ich hatte das Glück, dass ich einen Menschen fand, den ich liebe und der mich begehrt und bedingungslos liebt, so wie ich bin.
Ich wurde Opfer eines medizinischen Menschenversuchs, ich habe es überlebt.
Seit vielen Jahren bin ich ehrenamtliche Beraterin der xy-frauen und bin hunderten intersexuellen Opfern begegnet.
Viele von diesen Menschen suchen den Halt im christlichen Glauben und die Freiheit, die Nähe zu Gott selbst zu bestimmen ist eine wunderbare Einladung.
Das, was intersexuelle Kinder bis zum heutigen Tag erdulden müssen sind unmenschliche Behandlungen. Jedes 2000. Kind wird in Deutschland intersexuell geboren.
Intersexuelle Kinder, früher nannte man sie auch Hermaphroditen oder Zwitter, werden mit geschlechtlichen Anlagen geboren, die scheinbar nicht in die Normen von Jungen und Mädchen passen und deshalb werden bis heute an ihren inneren und äußeren Geschlechtsteilen operiert.
Dabei könnten sie gut so leben wie sie geboren werden, denn sie sind meistens nicht krank.
Den Kindern wird ohne deren Zustimmung, das eigene Genital zerstört und ein Normgeschlecht mittels kosmetischer Operation hergestellt.
Die Entnahme der hormonproduzierenden Organe ist auch immer das Ende der Fertilität.
Ich verstehe nicht, dass wir Christen_innen so etwas geschehen lassen. Das sind Genitalverstümmelungen im Namen einer Zweigeschlechtlichkeit, die nicht von Gott, sondern von Menschen konstruiert wurde.
Wir sind der Wahrheit verpflichtet und gibt Dinge, die mich zweifeln lassen an der Gemeinschaft, nicht an Gott.
Alle Menschen sind gleich an Würde und Rechten geboren. Und alle Menschenrechte gelten universell, sind unteilbar. Dieser Satz hätte von Jesus stammen können, in seinem Sinne ist er bestimmt.
Auch in unseren Kirchengemeinden und in den Landeskirchen haben die Menschenrechte Basis jeder Entscheidung zu sein.
Es kommt mir vor, als würde ein riesiger, zerstörerische Schwarm hässlicher Vögel über unsern Köpfen kreisen und jeder Vogelangriff hinterlässt Verletzungen:
Die Diskriminierung wegen des Geschlechts ist einer dieser Vögel.
Intersexuelle Menschen sind unerkannt in den Gemeinschaften und kommen nicht vor, werden nicht benannt, nicht einmal begrüßt…. Wissenschaftlich ist die Existenz von mindestens 4000 Varianzen der geschlechtlichen Differenzierung bekannt und wir begrüßen 2 Geschlechter. Dabei wäre es so einfach alle Menschen zu begrüßen.
Die Vielfalt der Geschlechter ist Realität, die unterschiedlichen Lebensentwürfe auch.
Weitere hässliche Vögel sind leicht aus zu machen:
Denken wir an die, die sich stark gemacht haben als es im Deutschen Ethikrat um die Ehefähigkeit von Intersexuellen Menschen ging. Nach deren Willen darf ein intersexueller Mensch die Ehe nicht eingehen. Ich habe vor rund 38 Jahren meinen Mann geheiratet. Wer hat das Recht unsere Liebe und unser Bündnis vor Gott in Frage zu stellen?
Sichtbar ist der Vogel der Respektlosigkeit und der fehlenden Nächstenliebe:
Der Vogel verspottet die Vielfalt der Geschlechter und Identitäten, der geschlechtlichen und sexuellen.
Er verspottet die die Kinder mit dem Verschweigen der Wahrheit, will Ihnen die gelebten Realitäten vorenthalten, wie unlängst die Brandstifter in Württemberg.
Wir sollten die Vögel im Auge behalten und uns distanzieren, denn sie zerstören das gemeinsame Haus.
In unserer Gemeinschaft und in der Institution Kirche sollten wir härter daran arbeiten, die Vögel der Diskriminierungen aktiv zu vertreiben.
Respekt vor der Schöpfung und die Liebe sind zentrale Punkte unseres christlichen Lebens.
Lassen Sie uns an diesen Tag feiern und mit dem Klang der Gläser und einem Ausspruch Martin Luthers die Vögel vertreiben:
Du kannst nicht verhindern, dass ein Vogelschwarm über deinen Kopf hinwegfliegt.
Aber du kannst verhindern, dass er in deinen Haaren nistet.