Pressestatement zur Eröffnung des Studienzentrums für Genderfragen in Hannover
Nikolaus Schneider
Heute eröffnet die EKD ihr neu errichtetes Studienzentrum für Genderfragen in Kirche und Theologie. Es löst das ehemalige Frauenstudien- und –bildungszentrum der EKD - vielen unter der Abkürzung FSBZ bekannt - ab, das vor 20 Jahren in Gelnhausen gegründet wurde.
Mit dieser Neugründung des Studienzentrums wird dreierlei deutlich:
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Die Gestaltung einer gerechten Gemeinschaft von Frauen und Männern, in der alle ihre individuellen Charismen unabhängig vom Geschlecht gleichberechtigt einbringen und entfalten können, ist und bleibt eine bedeutsame Aufgabe für die evangelische Kirche. Wir sind hier - nach vielen Um- und Irrwegen in der Geschichte - in den letzten Jahren - ein gutes Stück voran gekommen und können darauf auch durchaus stolz sein. Wir haben uns – parallel zu den Entwicklungen in Wissenschaft und Gesellschaft – seit den einschlägigen Beschlüssen der EKD-Synode von Bad Krozingen weiterentwickelt und ziehen daraus nun auch institutionelle Konsequenzen.
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Mit diesen Fortschritten verbinden sich neue Themen und Inhalte: Als vor 20 Jahren das Frauenstudien- und –bildungszentrum der EKD seine Arbeit aufnahm, ging es vordringlich darum, eine jahrhundertelange Abwertung und Marginalisierung von Frauen in Theologie und Kirche und ihren Ausschluss aus Leitungsfunktionen sichtbar zu machen. Das FSBZ war folgerichtig ein Ort in der Kirche, an dem kirchliche, theologische und gesellschaftspolitische Belange von Frauen zusammen mit anderen Frauen thematisiert und bearbeitet werden konnten.
Mittlerweile stehen wir vor neuen Aufgaben und Herausforderungen. Wir haben erkannt, dass nicht nur Frauen durch Zuschreibungen und Rollenerwartungen in ihren individuellen Möglichkeiten beschränkt werden. Auch Männer wollen sich nicht mehr auf die lange zugeschriebene Berufs- und Ernährerrolle beschränken lassen. Solche pauschalen Zuschreibungen entsprechen wohlbemerkt weder dem christlichen Ideal noch der mittlerweile zu beobachtenden gesellschaftlichen Wirklichkeit. Statt der Frauenperspektive wird die Arbeit des neuen Studienzentrums daher den Genderansatz zugrunde legen. Dieser Ansatz unterscheidet zwischen körperlichen Unterschieden und sozialen Zuschreibungen. Er will die unterschiedlichen Lebenssituationen der Geschlechter berücksichtigen und dadurch Ungerechtigkeiten beseitigen.
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Die Neugründung zeigt außerdem, dass mit den veränderten Themen und Inhalten auch ein neuer Aufgabenzuschnitt verbunden ist. Heute brauchen wir auf Ebene der EKD keinen besonderen Ort für Frauen mehr, der Freiräume für Begegnung, Dialog und gemeinsames Lernen schafft. Vielmehr geht es darum, Genderperspektiven möglichst systematisch in die Entscheidungsabläufe und das kirchliche Handeln zu integrieren. Dafür muss das erforderliche Wissen zur Verfügung stehen.
Das Studienzentrum hat daher die Aufgabe, Genderforschungsansätze aus verschiedenen Fach- und Forschungsgebieten, insbesondere aus der wissenschaftlichen Theologie, den Sozialwissenschaften und den Gender Studies auszuwerten und sie für verschiedene Ebenen und Handlungsfelder der Kirche exemplarisch aufzubereiten. Außerdem wird es genderrelevante Modelle, Erfahrungen und Praxisbeispiele aus Kirche und Gesellschaft entsprechend aufbereiten, damit sie in der Kirche genutzt werden können.
Eine besondere Herausforderung stellt sich mit der Aufgabe, die erarbeiteten Inhalte an die Adressaten zu bringen und die dafür geeignete Kommunikationsform zu finden. Damit diese Aufgabe gut gelingen kann, hat der Rat beschlossen, im Bereich Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit noch zusätzliche Personalressourcen zur Verfügung zu stellen.
Ich freue mich, dass das Studienzentrum seine Arbeit nun vollumfänglich aufnehmen wird und wünsche uns allen vielfältige Früchte aus dieser Arbeit!