Notwendiger Schritt und gute Grundlage
Kirchliche Vertreter*innen und Betroffenensprecher*innen blicken zurück auf die vor einem Jahr veröffentlichte ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt
Ein Jahr nach Veröffentlichung der „ForuM“-Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt bilanzieren Vertreter*innen von Kirche und Diakonie gemeinsam mit betroffenen Personen deren Folgen. Die Studie sei ein wichtiger Impuls und Ausgangspunkt für weitere Schritte der Aufarbeitung und Prävention zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Die konkret entwickelten Maßnahmen seien entschlossen umzusetzen.
„Die Erkenntnisse, die uns die Studie vor einem Jahr geliefert hat, bewegen uns bis heute. Und das meine ich sowohl im emotionalen als auch im ganz realen Sinn. Wir arbeiten ja schon seit Jahren an notwendigen Richtlinien und Standards für Aufarbeitung und Prävention, nun aber tun wir es auf anderer wissenschaftlicher Grundlage“, so die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs. Die Schlussfolgerungen aus der Studie hätten Steine ins Rollen gebracht, betont sie. „Ein Jahr nach Veröffentlichung der ForuM-Studie können wir sagen, dass wir mit dem im November beschlossenen Maßnahmenplan einen großen Schritt weitergekommen sind und uns damit weiter auf dem Weg befinden, in Haltung und Strukturen eine Kulturveränderung voranzubringen. Dies verdanken wir vor allem der intensiven Mitarbeit von betroffenen Menschen im Beteiligungsforum, denen ich an dieser Stelle noch einmal meinen großen Respekt zollen möchte. Auch wenn der gewünschte Kulturwandel Zeit braucht, ist dennoch klar: Wir wollen diesen Wandel! Prävention und Aufarbeitung bleiben auf allen Ebenen der Kirche und der Diakonie eine konsequent weiter zu bearbeitende Aufgabe“, so Fehrs.
Der Präsident der Diakonie Deutschland, Rüdiger Schuch, unterstreicht: „Die Diakonie bekennt sich klar zur Aufarbeitung, Anerkennung, Prävention und Intervention für alle Fälle sexualisierter Gewalt. Wir haben dazu Regelungen erarbeitet, die für unseren gesamten Verband verbindlich werden.“
Für Nancy Janz, Sprecherin der Gruppe der betroffenen Personen im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der EKD, fällt die Bilanz zweigeteilt aus: „ForuM war ein notwendiger Schritt und ist eine gute Grundlage, um in der Aufarbeitung weiterzukommen. Viele betroffene Personen haben sich auch nach der Veröffentlichung neu gemeldet, aber es bleibt noch sehr viel zu tun und leider habe ich nicht überall in der Kirche den Ruck verspürt, den ForuM hätte auslösen sollen.“
Am 25. Januar 2024 hatte der Forschungsverbund „ForuM“ die Ergebnisse seiner Aufarbeitungsstudie zu sexualisierter Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie veröffentlicht. In der Folge hat das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt, in dem sowohl betroffene Personen als auch kirchliche und diakonische Beauftragte mitarbeiten, die 46 Empfehlungen der Forschenden intensiv beraten und in zwölf konkrete Maßnahmen übersetzt. Dabei sind auch die breiteren Debatten in der Kirche zu den ForuM-Ergebnissen aktiv eingeflossen. Im Jahr 2024 wurde mit der Verabschiedung einer Reform des kirchlichen Disziplinarrechts, die betroffenen Personen mehr Rechte gibt, dem Start der Vernetzungsplattform „BeNe“ für betroffene Personen und dem Entwurf für eine Vereinheitlichung und Verbesserung der Anerkennungsverfahren für betroffene Personen weitere wichtige Schritte getan. In der Diakonie wurde zudem eine verbindliche „Rahmenbestimmung zum Schutz vor und zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt“ erarbeitet, die im gesamten Verband umgesetzt werden soll.
Detlev Zander, Sprecher aus der Gruppe der betroffenen Personen im Beteiligungsforum: „Das war ein hartes Stück Arbeit. Aber auch eine wichtige Chance, die Arbeit der EKD in den nächsten Jahren entscheidend mitzubestimmen und immer wieder die Perspektive von betroffenen Personen einzutragen.“ Der Maßnahmenplan wurde von den Gremien der EKD, zuletzt durch die Synode im November 2024, angenommen und beschlossen.
Die beiden ersten großen Maßnahmen, die in 2025 angegangen werden, sind eine umfangreiche Novelle der Gewaltschutzrichtlinie der EKD und die Errichtung einer zentralen Ombudsstelle für betroffene Personen. Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst, Sprecherin der kirchlichen Beauftragten im Beteiligungsforum sagt: „ForuM hatte zum Ziel Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie zu identifizieren. Und genau dieses neue Wissen lassen wir jetzt in unsere Präventionsstandards einfließen. Dazu unterziehen wir die mittlerweile sechs Jahre alte Gewaltschutzrichtlinie der EKD einer grundlegenden Novelle.“
Der Forschungsverbund ForuM - Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland – hat von Ende 2020 bis Anfang 2024 geforscht. Die Landeskirchen und die EKD haben die externe Studie, die 2018 von der Synode der EKD beschlossen wurde, initiiert und die Forschung im Rahmen einer Zuwendung mit 3,6 Millionen Euro unterstützt. Die Studie bestand aus fünf themenbezogenen Teilprojekten. Ziel des Forschungsprojektes war eine Gesamtanalyse evangelischer Strukturen und systemischer Bedingungen, die sexualisierte Gewalt begünstigen und ihre Aufarbeitung erschweren.
Hannover, 20. Januar 2025
Pressestelle der EKD
Carsten Splitt
Hinweise für die Redaktionen:
Über den aktuellen Stand der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie und den Stand der Bearbeitung der ForuM-Empfehlungen informiert auch das „ForuM-Bulletin“. Der etwa alle sechs Wochen erscheinende Newsletter kann unter www.ekd.de/ForuM-Bulletin abonniert werden.
Ein ausführliches Interview mit den Sprecher*innen der betroffenen Personen im Beteiligungsforum, Nancy Janz und Detlev Zander, finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Bulletins.
Weitere Informationen zur ForuM-Studie und zum Maßnahmenplan gegen sexualisierte Gewalt unter: www.ekd.de/missbrauch
Informationen zur Präventionsarbeit in Landeskirchen und Diakonie:
www.hinschauen-helfen-handeln.de
Ansprechpersonen für Betroffene sexualisierter Gewalt:
www.ekd.de/Ansprechpartner-fuer-Missbrauchsopfer-23994.htm
Das bundesweite Hilfe-Portal/Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch ist ein Angebot der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs:
https://www.hilfe-portal-missbrauch.de
Hilfe-Telefon / 0800 22 55 530