Initiative #VerständigungsOrte

Interview mit Walter Lechner, Referent für Sozialraumorientierung in Diakonie und Kirche bei midi

Walter Lechner

Die EKD, die Diakonie Deutschland und midi starten gemeinsam die Initiative #VerständigungsOrte. Was ist das Ziel?

Lechner: Als Kirche und Diakonie wollen wir unsere Türen verstärkt für gesellschaftlichen Dialog öffnen und das anbieten, woran es häufig fehlt: Räume, in denen Menschen mit unterschiedlichen Ansichten zusammenkommen und sich über gesellschaftliche Probleme austauschen können. Wir laden Kirchengemeinden, diakonische Einrichtungen und andere kirchliche Institutionen ein, solche „dritten Orte“ zu etablieren, zusammen mit zivilgesellschaftlichen Partner*innen und an den Fragen orientiert, die in Dorf, Stadtteil, Quartier und Region obenauf liegen. Die Themen können von Klima, Krieg, Corona, Migration und sozialer Ungerechtigkeit bis zu lokalen Infrastrukturproblemen, dem Müll im Park oder der geplanten Straßenumgestaltung reichen.


Warum braucht es gerade jetzt diese Initiative?

Lechner: In der Öffentlichkeit und besonders, wenn wir in die sozialen Netzwerke schauen, entsteht oft der Eindruck, die Gesellschaft ist gespalten. Und auch wenn es in vielen Fragen grundsätzlich hohe Übereinstimmungen gibt, entzünden sich an bestimmten Triggerpunkten tatsächlich teils heftige gesellschaftliche Kontroversen und nehmen die Polarisierungen zu, nicht zuletzt befeuert durch multiple Krisen, populistische und extremistische Kräfte und Fake News. #VerständigungsOrte laden Menschen ganz unterschiedlicher Hintergründe ein, ihre Filterblasen zu verlassen und sich auf einen offenen Austausch mit Andersdenkenden einzulassen. Nicht nur, aber gerade auch im Wahljahr 2024 wollen wir damit den demokratischen Diskurs in unserem Land stärken.


Geschieht hier nicht ohnehin schon viel in Kirche und Diakonie?

Lechner: Tatsächlich leisten etwa die Evangelischen Akademien, regionale Evangelische Foren, die Evangelischen Erwachsenenbildungswerke und die unterschiedlichen Fachstellen in den Landeskirchen und Landesverbänden in dieser Hinsicht Großartiges. Aber auch viele Kirchengemeinden und diakonische Einrichtungen engagieren sich seit Jahren für gesellschaftliche Verständigung. Deshalb will #VerständigungsOrte nicht nur neue Projekte initiieren, sondern auch sichtbar machen, was es schon gibt. Auf www.verständigungsorte.de sowie in den Online-Seminaren (www.mi-di.de/termine) präsentieren wir unterschiedliche erfolgreiche Praxisformate – auch als Anregungen für andere.


Inwiefern bieten sich kirchliche und diakonische Orte als #VerständigungsOrte an?

Lechner: Kirche und Diakonie haben häufig Erfahrungen mit Dialogformaten vor Ort. Sie verfügen über Kompetenzen und Ressourcen, die für #VerständigungsOrte hilfreich sein können, etwa Gemeinschaft, Spiritualität, soziale Sensibilität und Anwaltschaft, Seelsorge, Umgang mit Schuld und Versöhnung und christliche Hoffnung. Als Christ*innen leben wir aus einem Gott, der durch Jesus Christus heile Beziehungen ermöglicht. Sein heiliger Geist fördert Kommunikation und stellt Gemeinschaft wieder her, wo niemand es für möglich gehalten hätte. Klaus Douglass, der Direktor von midi, betont, dass Jesus selbst Menschen aus verschiedenen politischen und religiösen Lagern um sich gesammelt und dazu gebracht hat, miteinander zu reden und sich gemeinsam einem größeren Ziel zu verschreiben. Dieser Spur wollen wir mit der Initiative #VerständigungsOrte folgen.


Wie unterstützt die Initiative Engagierte vor Ort?

Lechner: Die Website www.verständigungsorte.de präsentiert Tipps für gelingende Verständigungsformate, Inspirationsbeispiele, hilfreiches Material, Förderinfos, Unterstützung bei der Öffentlichkeitsarbeit und Empfehlungen, wo professionelle Moderator*innen gewonnen werden können – häufig ein wichtiger Punkt bei Gesprächsveranstaltungen. In einstündigen Online-Seminaren lernen die Teilnehmenden bewährte Praxisbeispiele kennen, erhalten Impulse von Expert*innen und können sich mit anderen Praktiker*innen austauschen und vernetzen.


Walter Lechner ist Pfarrer und Referent für Sozialraumorientierung in Diakonie und Kirche bei der Evangelischen Arbeitsstelle midi (www.mi-di.de). Er koordiniert die Initiative #VerständigungsOrte (www.verständigungsorte.de)