Am siebten Tage sollst du ruhen ...
Tag der Pause: Der arbeitsfreie Sonntag feiert 1.700. Geburtstag
Vor 1.700 Jahren machte Kaiser Konstantin den Sonntag zum gesetzlich geschützten Ruhetag. Seither gilt er als Tag für Religion, Geselligkeit und das süße Nichtstun. Doch ist der "Tag der Pause" auch heute noch wirklich wichtig?
Nürnberg/München (epd). "Am siebten Tage sollst du ruhen", heißt es schon im Alten Testament. Bereits am 3. März 321 erklärte der römische Kaiser Konstantin den siebten Tage der Woche zum allgemeinen Tag der Arbeitsruhe. Und bis heute betonen Psychologen, Ärzte und Gesellschaftswissenschaftler, wie wichtig es ist, an einem Tag in der Woche eine Pause einzulegen. Der Sonntag steht für Freiheit. Freiheit und Erlösung vom "endlosen Alltag des Funktionieren- und Konsumieren-Müssens", beschreibt der unterfränkische Pfarrer Stefan Einrich, Bundespräses der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB).
Er mag für manche "rührend altmodisch" klingen, sagt der Kolumnist der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, über den Sonntagsschutz. Richtig sei er trotzdem: Denn der Sonntag sei dadurch Sonntag, dass er eben "anders ist als andere Tage". Und dabei gehe es nicht nur um Tradition, Religion und eine soziale Errungenschaft. "Es geht um die große gemeinsame Pause, um die Grundtaktung des Lebens", beschreibt der studierte Jurist, der auch beim Festakt zu 1.700 Jahren Sonntagsschutz am 3. März sprechen wird.
Natürlich dürfe es Ausnahmen von der Sonntagsruhe geben. "Aber wenn aus der Ausnahme die Regel wird, ist das schädlich", findet Prantl. Denn das legitimierte Innehalten tue den Menschen gut. Und wenn es den freien Sonntag nicht mehr gäbe, bräuchte man wohl sehr viel mehr Therapeuten, ist er überzeugt: "weil Unrast krank macht."
Auch Jutta Allmendinger will am Sonntag einfach mal Puste holen. Zeit haben, auf die Woche zurückzublicken und sich auf die nächsten Tage vorzubereiten. Doch wenn nur sie das tut, genügt das nicht, erklärt die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung: "Es braucht das synchrone Durchatmen möglichst vieler Menschen". Denn erst dadurch werde eine Gesellschaft auch zur Gemeinschaft.
Denn Sonntag ist meist der Tag, an dem Freunde und Familie getroffen werden können, weil alle frei haben. Doch dass dem so ist, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine kulturelle Errungenschaft. Ursprünglich ist der christliche Sonntag eine jüdische Erfindung und geht zurück auf den Sabbat und die Sabbatruhe. Erstmals zum gesetzlich geschützten Ruhetag machte ihn der römische Kaiser Konstantin mit seinem Edikt: "Alle Richter, Stadtbewohner und Gewerbetreibenden sollen am verehrungswürdigen Tag der Sonne ruhen!", erklärt die stellvertretende Vorsitzende des Kirchlichen Diensts in der Arbeitswelt (kda) Bayern, Sabine Weingärtner,
Damals galt die Sonntagsruhe ähnlich wie heute nicht nur den Christen, sondern allen Menschen - bis auf die Landbevölkerung. Über die Jahrhunderte gab es dann mal strengere, mal weniger strenge Regeln zum Schutz des arbeitsfreien Sonntags. Auch Versuche ihn ganz abzuschaffen, etwa in der Französischen Revolution, blieben nicht aus. Und in der Frühindustrialisierung musste das Proletariat an allen Tagen schuften.
Heute genießt die Sonntagsruhe Verfassungsrang. "Der Sonntag bleibt als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt", heißt es im Grundgesetz. Doch wie ist es um diese Ruhe bestellt für Krankenschwestern, Fließbandarbeiter, Polizisten? In der Realität schwindet der Sonntag als freier Tag für Religion, Erholung und Familie immer mehr: Auch sonntags wird produziert, telefoniert und verkauft. Elf Millionen Menschen in Deutschland müssen laut kda sonntags arbeiten - manche gelegentlich, manche ständig.
Arbeit in der Landwirtschaft muss den Rhythmen der Natur folgend seit eh und je sonntags verrichtet werden. "Darüber hinaus gibt es Tätigkeiten, die wir uns am Sonntag geradezu wünschen und die den Tag erst zu etwas Besonderem machen", sagt Weingärtner: etwa in Kunst, Kultur und Gastronomie. Auch hier arbeiten zwei Drittel der Erwerbstätigen teilweise sonntags.
Hart umkämpft ist die Frage, ob Geschäfte am Sonntag öffnen dürfen - und damit viele Beschäftigte im Einzelhandel keinen freien Sonntag mehr haben. Auch die Chancen der digitalen Arbeitswelt, die zuletzt durch die Corona-Pandemie aufgefächert wurden, können den freien Sonntag gefährden. Mal schnell Mails checken, noch dieses Projekt fertigstellen - geht bequem von zuhause aus auch am siebten Tag der Woche. Längst rüttelt nicht nur der Handel am freien Sonntag.
Dass der arbeitsfreie Sonntag nach Corona extrem unter Beschuss kommen wird, fürchtet Gudrun Nolte, Vorsitzende des Evangelischen Verbands Kirche - Wirtschaft - Arbeitswelt (KWA). Ökonomische Lobbygruppen dürften Stimmung machen gegen viele Regeln, um verlorenen Umsatz wettzumachen, vermeintlich Arbeitsplätze zu erhalten und Industrien zu retten. "Da wird der arbeitsfreie Sonntag sicherlich stark angegriffen", sagt Nolte.
Vom Sonntag als freiem Tag kann Claudia Häfner nur träumen. Für die Pfarrerin aus München ist er oft ihr Hauptarbeitstag. Doch worauf sie sich eingelassen habe, wusste sie bei der Berufswahl, erzählt sie. "Gottesdienst zu feiern ist für mich keine Pflicht, sondern ein Bedürfnis", erzählt die vierfache Mutter. Trotzdem habe sich ihr Verhältnis zur "Wochenendarbeit" im Lauf der Jahre verändert. Seit ihre Kinder größer sind und mehr Unterstützung in der Schule brauchen oder sich am Wochenende Familienzeit wünschen, sei sie auch dankbar, wenn sie mal keinen Dienst habe.
Von Brigitte Bitto (epd)
Die bundesweite Jubiläumsfeier "1.700 Jahre freier Sonntag" findet am 3. März um 11 Uhr online statt. Mit dabei sind u.a. der bayerische Landesbischof und Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm und SZ-Kolumnist Heribert Prantl. Interessierte können sie kostenlos und ohne Anmeldung hier verfolgen.
Arbeitshilfe für Gottesdienste von „Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt" der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (kda - Kirche und Arbeit)