Anders feiern im Advent 2020

Kirchengemeinden suchen nach Ideen für Advent und Weihnachten in Corona-Zeiten

Die Adventszeit begehen, das Weihnachtsfest vorbereiten und gleichzeit auf Abstand und Hygienemaßnahmen achten: Das Coronavirus stellt Verantwortliche in Kirchengemeinden vor eine große Herausforderung. Doch können die einschränkenden „Besonderheiten“ auch zu besonderer Kreativität führen – denn es müssen in jedem Fall neue Formen gefunden werden, wie die Advents- und Weihnachtszeit besinnlich gestaltet werden kann.

Die folgenden Ideen sind vor den Corona-Beschlüssen vom 25. November entstanden. Bund und Länder wollen nun das Gespräch mit den Religionsgemeinschaften suchen, um möglichst Vereinbarungen für Gottesdienste und andere religiöse Zusammenkünfte mit dem Ziel einer Kontaktreduzierung zu treffen. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, begrüßt die Hervorhebung des Weihnachtsfestes und das Vorgehen von Bundesregierung und Spitzen der Länder: Der heutige Beschluss, Regelungen zu religiösen Veranstaltungen vertrauensvoll mit den Kirchen zu besprechen, bietet die Perspektive, an bereits geführte Gespräche anzuknüpfen und, wo erforderlich, bestehende Regelungen weiterzuentwickeln“, sagte er.

Brennende Kerze

Die Adventszeit bringt Hoffnung – in diesem Jahr zum Teil auf eine andere, dafür oft kreative Art.

Christiane Enkeler ist gespannt. In der evangelischen Kirchengemeinde Kalk-Humboldt in Köln gibt es etwas Neues: Johanna Kalinna, Pfarrerin in Ausbildung, steht vor den Gläubigen. Heute bekommt jeder Mensch nach dem Gottesdienst einen bunten Umschlag. „#keinebange“ steht da. Darin: 15 biblische „Fürchte dich nicht!“-Sprüche. „Ich mag die Aktion sehr“, freut sich Christiane Enkeler. Die Kölner Gemeinde geht wie viele in diesen Tagen neue Wege, um mit den Menschen in Kontakt zu bleiben. Denn noch immer hat das Coronavirus die Menschen und ihren Alltag voll im Griff. Im Frühjahr hatte das Folgen fürs Osterfest. Jetzt machen sich die Verantwortlichen landauf und landab darüber Gedanken, wie Christ*innen in Deutschland den Advent und Weihnachten feiern können.

Einige Landeskirchen sammeln auf ihren Internetseiten Ideen oder haben gleich ganze Portale aufgesetzt. Die Diskussionen übers Weihnachtsfest begannen schon im Sommer. Auch kirchliche Einrichtungen wie die Evangelische Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi) haben Anregungen zusammengestellt: „Anders Weihnachten“ heißt die midi-Broschüre, die es kostenlos als Download  gibt.

So gibt es über das Zentrum Gemeinde und Kirchenentwicklung der Evangelischen Kirche im Rheinland Tipps, wie neue Ideen in der Advents- und Weihnachtszeit umgesetzt werden können. Und Menschen aus den Gemeinden können hier ihre Ideen präsentieren. Advent und Weihnachten stehen auch im „Lösungsraum“ des Zentrum Gemeinde und Kirchenentwicklung auf dem Themenplan – ein Online-Angebot, das dienstags und donnerstags von 17 bis 18 Uhr der individuellen Beratung und dem kollegialen Austausch dient.

Weihnachten im Taschenformat

Einige Gemeinden im Rheinland liefern konkrete Ideen. Die Gemeinde Wetzlar  bietet beispielsweise „Weihnachten im Taschenformat“ an: „Wir füllen Stoffbeutel mit Kerzen, Karten, auf denen Lukas 2 und ,Stille Nachtʻ abgedruckt sind, einem Streichholzbrief und einer Anleitung und geben diese im Advent an Menschen, die in ihrer Straße/Nachbarschaft, Hausflur etc. am Heiligabend zu kleinen Versammlungen (möglichst unter freiem Himmel) einladen. Jede/-r bekommt eine Karte und eine Kerze, jemand liest die Weihnachtsgeschichte, das Lied wird angestimmt, vielleicht noch ein Vaterunser und ein Segen – und das alles an Hunderten Orten in der Stadt“, ist in der Ideensammlung der Landeskirche nachzulesen. Die Aktion finde zusammen mit der katholischen Gemeinde und den Freikirchen vor Ort statt.

Die Gemeinde Drabenderhöhe denkt über Trecker-Gottesdienste nach: „Ein Anhänger wird zu einer kleinen Bühne ausgebaut und dann gibt es in verschiedenen Plätzen und Ortschaften der Gemeinde einen Kurzgottesdienst (20 Minuten?) mit ganz kleinem Krippenspiel. Anschließend fährt der Trecker nebst Begleitfahrzeug weiter zum nächsten Ort. Um möglichst viele erreichen zu können, wollen wir zwei oder drei Trecker parallel einsetzen. Wenn die Menschen nicht zur Kirche kommen können, dann kommt die Kirche zu den Menschen“, findet Pastor Gernot Ratajek-Greier.

Vorschläge gibt es auch im Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz, der Evangelische Kirchenbote berichtet über Vorschläge des Liturgischen Arbeitskreises: Statt alle Feierlichkeiten auf Heiligabend zu konzentrieren, sollten die Verantwortlichen in den Gemeinden auch die Weihnachtsfeiertage sowie die anschließenden Sonntage nutzen. Laut Arbeitskreis gibt es mindestens vier Optionen, Gottesdienst zu feiern: an einem Ort im Freien, an verschiedenen Orten im Freien, in geschlossenen Räumen oder gänzlich digital.

„Hoffnungsleuchten“ in der Nordkirche

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Schritte – und so hat sich die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) dazu entschlossen, die Advents- und Weihnachtszeit unter das Motto „#hoffnungsleuchten – Mehr als… Alle Jahre wieder“ zu stellen. Damit möchte sie den Spagat hinbekommen – zwischen Corona-Auflagen und dem Wunsch, miteinander Advent und Weihnachten zu feiern: „Weihnachten draußen auf den Plätzen bietet Chancen! Kontakte zu anderen Akteuren der Zivilgesellschaft und der Kultur, zu Initiativen, Vereinen, Künstlern und Künstlerinnen, Museen können gestärkt werden. Was für eine Chance, wenn Weihnachten an Orten außerhalb unserer Kirchen die Botschaft vom Mensch werdenden Gott weitergesagt und öffentlich sichtbar wird: Hier, genau an diesem Ort, kommt Gott zur Welt. Dieses Hoffnungsleuchten brauchen die Menschen, braucht unsere ganze Welt“, sagt Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt. Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck und eine der Initiatorinnen der Aktion, ergänzt: „Auch die Advents- und Weihnachtszeit werden wir nicht wie ‚Alle Jahre wieder‘ feiern können. Deshalb brauchen die Menschen jenseits von Punsch und Geschenken gerade jetzt Licht und Zuversicht.“

Ideen und Anregungen für kirchlich engagierte Menschen hat die Nordkirche im Portal „Hoffnungsleuchten“ zusammengestellt. Auf einen Blick finden sich dort Praxistipps, Vernetzungsmöglichkeiten, kreative Ideen, der Shop der Nordkirche sowie stets aktualisierte Corona-Informationen: Beispielsweise gibt es unter der Überschrift „Hoffnungsleuchten für alle Orte“ den Hinweis auf die Facebook-Gruppe „Mehr als 5 Sterne“ . Umfangreich ist auch hier die anregende Ideensammlung für Gottesdienste  zur Advents- und Weihnachtszeit. 

„Ob in oder vor der Kirche, in der häuslichen Andacht oder per Livestream: Die frohe Botschaft von Jesu Geburt lässt sich auch in diesem Jahr nicht aufhalten.“

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (l.). ueberreicht die Martin-Luther-Medaille der EKD an Kardinal Karl Lehmann.
Heinrich Bedford-Strohm EKD-Ratsvorsitzender und bayrischer Landesbischof

Warum nicht einmal eine „Wandelweihnacht“ ausprobieren? So kann es funktionieren: „Die Kirche ist warm und festlich geschmückt ,wie immerʻ – mit Weihnachtsbaum und Holzkrippe (Futtertrog mit Stroh) mit einer großen Kerze im Glas darin, in den Bänken stehen Lichter in Gläsern (dort soll niemand sitzen). Die Krippe steht dieses Jahr im Kirchhof: hölzerner Unterstand, darin Krippenfiguren (möglichst groß), Sandschalen für Vigilkerzen. Drinnen Orgel, draußen Bläser. Gewandelt wird im Viertelstunden-Takt. Begrüßung an der Kirchentür durch Helfer*innen, Verteilung der Liederzettel und Windlichter. Je nach Größe des Kirchenraums werden Menschen gruppenweise (Familien) oder einzeln (immer mit 1,5-m-Abstand) in die Kirche gelassen – mit der Einladung, langsam nach vorne zu gehen. In der Kirche sind Weihnachtslieder zu hören (Orgel oder/und Chor), danach die Weihnachtsgeschichte und ein Gebet. Alle zünden ihr Windlicht am Licht in der Krippe an und gehen weiter nach draußen. Der Weg zwischen Kirche und Hof könnte außen herum bzw. über einen Umweg geleitet werden, dort schöne Beleuchtung (Fackeln), etwas zum Anschauen (z. B. in den Fenstern der Kita beleuchteter Schmuck, Geschichtenfenster zum Staunen). Auf dem Kirchhof versammeln sich alle vor der Krippe. Es gibt Bläsermusik, eine Predigt aus drei Sätzen, Gebet, Vaterunser, Segen und ,O du fröhliche‘.“

Jeder Gottesdienst hat ein anderes Motto

Halbwegs traditionell geht es in der Auferstehungskirchengemeinde Hamburg-Lohbrügge  zu – allerdings eben nur halbwegs, wie Pastor Jonas Goebel  bei der ChurchDesk-Ideenwerkstatt betont. Die Gemeinde plane bislang mit sechs jeweils 30-minütigen Gottesdiensten. Zugelassen seien maximal 100 Besucherinnen und Besucher, die sich vorher anmelden müssen, so Goebel im Online-Gespräch: Jeder Gottesdienst habe ein anderes Motto. Zusätzlich gibt es in Hamburg-Lohbrügge einen Videogottesdienst, der eine Woche vor Weihnachten aufgezeichnet werden soll. „Wenigstens Heiligabend soll schön werden in diesem Jahr“, sagt Goebel.

Es gibt noch mehr Ideen: Die 41 Teilnehmer*innen der Ideenwerkstatt geben ganz unterschiedliche Anregungen – auch für ökumenische Feiern. Miriam Fricke, Gemeindereferentin der katholischen Pfarrei St. Franziskus im brandenburgischen Bad Liebenwerda, erklärt, dass es an den Adventssonntagen sogenannte Hirtenfeuer geben soll, dort können gemeinsam ein bis zwei Lieder gesungen werden. Die Pfarrei arbeitet mit örtlichen Institutionen wie Musikschulen zusammen. Und laut Miriam Fricke sind drei der sechs Kirchen geöffnet. Ein Höhepunkt sei die Krippenausstellung in der Klosterkirche.

Weihnachtsspende für „Brot für die Welt“

Pfarrer Cornelius Bury von der evangelischen Kirchengemeinde Warendorf  entwickelt einen digitalen Adventskalender. Jeden Tag soll es ein neues Krippenbild geben und eine Antwort auf die Frage: „Warum ist mir die Krippe wichtig?“ Die Kirchengemeinde Wriezen/Oderland  hingegen plant ein Stadtkrippenspiel. Ungewöhnliches hat sich auch die Gemeinde Waidmannslust in Berlin vorgenommen: einen Gottesdienst mit sechs Stationen im Pfarrgarten.

Bei all dem Neuen sollte ein bewährtes Ritual nicht vergessen werden: die Weihnachtsspende für „Brot für die Welt“ . Darauf weist Regina Seitz, Referentin für Gemeindekommunikation, hin. Die Organisation hat ihre 62. Aktion unter das Motto „Kindern Zukunft schenken“  gestellt. „Brot für die Welt“ bietet als Material auch QR-Codes  an, die sich etwa auf Liedzetteln verwenden lassen, mit dem Smartphone gescannt werden können und direkt zur Online-Spende führen.

Ulf Buschmann