Aus Österreich in die Welt: 200 Jahre „Stille Nacht“
Heute zählt „Stille Nacht“ zu den bekanntesten Weihnachtsliedern der Welt
Wie kaum ein anderes Lied steht es weltweit für Weihnachten: Vor 200 Jahren erklang in der Christmesse im österreichischen Oberndorf im Salzburgerland zum ersten Mal „Stille Nacht, heilige Nacht“. Bei den Gottesdienstbesuchern habe die einfache Aufführung mit Gesang und Gitarre damals „allgemeinen Beifall“ gefunden, wie berichtet wurde. Heute zählt es zu den bekanntesten Weihnachtsliedern der Welt.
Verfasser war der österreichische Priester und Dichter Joseph Mohr (1792-1848). Ein 1996 entdecktes Schriftstück von seiner Hand belegt, dass er den Text zu „Stille Nacht“ bereits im Jahr 1816 schrieb. In Oberndorf lernte er dann den Organisten Franz Xaver Gruber kennen, der die Melodie komponierte.
Viele Jahre später schilderte Gruber die Entstehungsgeschichte: „Es war am 24. Dezember des Jahres 1818, als der damalige Hilfspriester Herr Josef Mohr bei der neu errichteten Pfarre St. Nicola in Oberndorf dem Organistendienst vertretenden Franz Gruber ein Gedicht überreichte, mit dem Ansuchen eine hierauf passende Melodie für 2 Solostimmen sammt Chor und für eine Guitarre-Begleitung schreiben zu wollen.“
„Stille Nacht“ – von Österreich über Leipzig nach Berlin
Einer Legende nach war das alte Positiv – eine Art kleine Orgel – der Kirche nicht bespielbar. Deshalb vertonte Gruber den Text für zwei Solostimmen und Chor mit Gitarrenbegleitung, wie von Mohr gewünscht. Die Uraufführung des Liedes, das Weltruhm erreichen sollte, war am 25. Dezember 1818 während der Mitternachtsmette in der St. Nikolaus-Kirche: Mohr sang die Tenorstimme und begleitete auf der Gitarre, Gruber sang den Bass.
„Stille Nacht“ wurde schnell bekannt. Spätestens 1822 hat die damals international bekannte Tiroler Sängerfamilie Rainer es dem russischen Zaren Alexander I. und dem österreichischen Kaiser Franz I. vorgesungen. Lange Zeit als Tiroler Volkslied bekannt, hörte man „Stille Nacht“ vermutlich 1831 das erste Mal in Leipzig. Von dort gelangte es nach Berlin, erschien wahrscheinlich bereits 1833 erstmals im Druck.
Deutsche, Briten, Franzosen und Belgier singen gemeinsam im Krieg
Nun eroberte das Lied aus Oberndorf tatsächlich die ganze Welt. 1873 wurde die Melodie unter dem Namen „Choral of Salzburg“ in einem amerikanischen Schulhaus gesungen, das auf der Wiener Weltausstellung gezeigt wurde. Bis 1891 soll „Stille Nacht“ auch in England, Schweden und Britisch-Indien verbreitet gewesen sein.
Christliche Missionare brachten es schließlich bis nach Ostafrika, nach Neuseeland und Südamerika. Während des Ersten Weltkriegs sangen es Deutsche, Briten, Franzosen und Belgier während des spontanen „Weihnachtsfriedens“ am Heiligen Abend 1914 an der Front in Flandern. Bing Crosby machte „Silent Night“ schließlich zum Pop-Ohrwurm.
Ein „Welt-Friedenslied“
Dass das österreichische Lied auch in Deutschland ein Klassiker wurde, verdankt es dem Hamburger Diakoniegründer Johann Hinrich Wichern. Im Liederbuch für seine Stiftung „Rauhes Haus“ erscheint im 19. Jahrhundert allerdings die Kurzfassung. Die Strophen drei, vier und fünf wurden gestrichen und die sechste Strophe zwischen die ersten beiden platziert. So steht das Lied auch heute im Evangelischen Gesangbuch. Aus „Jesus! in deiner Geburt“ wurde bei Wichern „Christ, in deiner Geburt“.
Sein Vorschlag, aus dem „hochheiligen Paar“ ein „so seliges Paar“ zu machen, setzte sich allerdings ebenso wenig durch wie sein Titel "Freude am Christkind". In den evangelischen Gesangbüchern fand man das Lied lange Zeit entweder in den Regionalteilen, dem Anhang der einzelnen Landeskirchen, oder als „geistliches Volkslied“. Erst Mitte der 1990er Jahre wurde „Stille Nacht“ gemeinsam mit „Tochter Zion“, „O du fröhliche“ und „Ihr Kinderlein kommet“ offiziell in den Weihnachtsteil übernommen.
Für die „Stille Nacht“-Gesellschaft, die sich für die Verbreitung aller sechs Strophen einsetzt, ist das Lied mittlerweile fester Bestandteil der europäischen Festkultur. Es sei ein „Welt-Friedenslied“, das weit über die christlichen Kirchen hinaus in andere Religionen hineinwirke. Im März 2011 wurde es in Österreich in die nationale Liste des immateriellen UNESCO-Kulturerbes aufgenommen. Eine österreichische Landesausstellung widmet sich noch bis Anfang Februar an neun Stationen dem Weihnachtslied. Sie beleuchtet den Alltag von Autor und Komponist und bettet die Entstehungsgeschichte in ihren zeitlichen Kontext ein.
Nicole Kiesewetter (epd)