„In New York gehen alle Schichten auf die Straße“
New Yorker Pfarrerin Groß: US-Polizisten nicht pauschal verurteilen
Frankfurt a.M./New York (epd). Die New Yorker Pfarrerin Miriam Groß hat mit Blick auf die Proteste in den USA vor einem verzerrten Bild der amerikanischen Polizei gewarnt. „Diese Schwarz-Weiß-Malerei empfinde ich als ganz schwierig“, sagte die Gemeindepfarrerin der Deutschen Evangelisch-Lutherischen St.-Pauls-Kirche in New York dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Cops fühlten sich berufen zu helfen, nicht andere anzugreifen, so die Auslandspfarrerin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die auch Polizeiseelsorgerin ist. Die Protesteste hatten sich entzündet nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz im Bundesstaat Minnesota.
Seit Tagen kommt es auch in New York zu Demonstrationen gegen Polizeigewalt, Rassismus und soziale Ungerechtigkeit nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd. Wie haben Sie die vergangenen Tage und Nächte erlebt?
Miriam Groß: Ich habe sehr unruhige Tage und Nächte erlebt. Die Tage sind etwas ruhiger und friedvoller, die Nächte sind natürlich auch mit Angst besetzt. Die nächtliche Ausgangssperre in New York wurde verschärft von 20 Uhr bis 5 Uhr früh. Die Situation ist für die Menschen hier schon sehr belastend.
Wer geht in New York auf die Straße?
Miriam Groß: In New York gehen alle Schichten auf die Straße. Die Wut und Aufregung geht durch alle Schichten und durch alle Couleur. Das sind nicht nur Afroamerikaner, Latinos und Asiaten, das sind auch Weiße, die sich solidarisieren und ein Zeichen setzen wollen. Selbst der New Yorker Polizeichef Terence Monahan hat sich mit den Demonstranten solidarisiert, indem er sich in aller Öffentlichkeit symbolisch niederkniete.
Was bekommen Sie von den Plünderungen mit?
Miriam Groß: Solche Plünderungen gibt es selbst an der 5th Avenue. Zudem haben Großmärkte wie Target ihre Geschäfte geschlossen. Ich möchte diese Gewalt nicht rechtfertigen, aber diese Plünderungen sind auch ein Ausdruck der Verzweiflung. Brutalität ist von keiner Seite zu rechtfertigen, und Plünderungen sind eine Straftat, ohne Wenn und Aber. Aber man kann diesen Ausbruch durchaus auch psychologisch erklären.
Wie beurteilen Sie die Rolle von US-Präsident Trump in dieser Situation, etwa seinen jüngsten Auftritt vor einer Kirche in Washington mit einer Bibel in der Hand?
Miriam Groß: Ich empfand diese Zeichenhandlung als zutiefst verstörend. Wir als Kirche müssen die Welt daran erinnern, dass wir eine von Gott geliebte und versöhnte Welt sind. Das was Trump getan hat, war kein versöhnendes Handeln.
Wie empfinden sie die Arbeit der Polizei in dieser Situation, von außen erscheint die Polizei ja oft als Aggressor?
Miriam Groß: Diese Schwarz-Weiß-Malerei empfinde ich als ganz schwierig. Ich kenne ein ganz anderes Bild von der Polizei. Das von einer Polizei, die da ist und hilft und unterstützt und freundlich ist. Ich weiß von Polizisten, die in Demonstrationen angespuckt und mit Schimpfwörtern überzogen werden. Das ist schrecklich.
Die New Yorker Polizisten haben ein Antirassismus- und Deeskalationstraining absolviert. Sie werden nicht dazu ausgebildet, dass sie Leute erschießen. Wie die Ausbildung im Rest der USA aussieht, weiß ich nicht. Die Cops hier verrichten eine harte Arbeit. Sie haben Familie, sie haben ihre eigenen Schicksale und fühlen sich dazu berufen zu helfen, nicht andere anzugreifen. Diese Polizisten sind Menschen aus allen Schichten, mit allen Hautfarben, verschiedener Nationalitäten und Herkünfte.
Gespräch: Stephan Cezanne (epd)
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