Blick auf das Jahr 1945
Opfer und Täter in Schwerin
Schwerin (cme). Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährt sich in diesem Jahr zum 80. Mal. Die Domgemeinde Schwerin und der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Mecklenburg laden am 25. April um 18 Uhr unter dem Thema „Das Jahr 1945 in Schwerin - Opfer und Täter“ zu Vortrag und Diskussion in die Thomaskapelle des Domes ein.

Alliierte Truppen besetzten zunächst Teile in Westmecklenburg. In Schwerin besetzten am 2. Mai 1945 US-amerikanische Truppen kampflos die Stadt.
Das Jahr 1945 bedeutete auch für Schwerin eine Zeit des Umbruchs und tiefgreifender Veränderungen. Die letzten Kriegstage und der Einmarsch der US-Armee am 2. Mai 1945 markierten das Ende einer Epoche und den schwierigen Neuanfang unter zuerst westalliierter und später sowjetischer Besatzung. „Diese Geschichte ist nirgends aufgeschrieben, aber sicher noch in vielen Erinnerungen vorhanden. Eingeladen sind alle, zum Zuhören und gemeinsamen Austausch“, sagt Pastor Güntzel Schmidt und ergänzt: „Wir laden herzlich dazu ein, diese Zeit gemeinsam zu besprechen und Erinnerungen zu teilen.“ Der Historiker Christoph Wunnicke (Schwerin) werde mit einer kurzen Einführung in die Ereignisse der Stadt im Jahr 1945 die historischen Hintergründe darstellen. Daneben führe er in die bislang wenig erforschte bzw. systematisch dargestellte NS-Tätergeschichte der Region ein.
Blick ebenso auf die Rolle der evangelischen Kirche
So spielte auch die evangelische Kirche in Schwerin eine aktive Rolle bei der Durchsetzung der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Ab 1934 erhielt beispielsweise der Schweriner Ofenfabrikant Otto Brockmann aufgrund seiner Ehe mit einer Jüdin keine Aufträge mehr von der Domkirche.
Für „Ariernachweise“ eröffnete die Mecklenburgische Landeskirche am 1. Mai 1934 die Kirchenbuchstelle Schwerin, die später zur „Mecklenburgischen Sippenkanzlei“ ausgebaut wurde. Ihr Leiter, Pastor Edmund Albrecht, organisierte die zentrale Erfassung von Kirchenbucheinträgen, um jüdische Vorfahren nachzuweisen und damit Menschen aus kirchlichen und gesellschaftlichen Strukturen auszuschließen.
Darüber hinaus verweigerte die Kirche den Wiedereintritt ehemaliger Juden. Ein Beispiel ist die 74-jährige Bertha Lazarus aus Parchim, die nach dem Tod ihres Mannes 1938 wieder in die evangelische Kirche aufgenommen werden wollte, jedoch vom Oberkirchenrat abgewiesen wurde.
Kaum bekannt: NSDAP-Ministerpräsident Granzow
Weitgehend unbekannt ist ebenso die Biografie von Walter Granzow. „Nach dem Wahlsieg der NSDAP wurde er 1932 NSDAP-Ministerpräsident von Mecklenburg-Schwerin. Auch in Schwerin sorgte er für die Enteignung jüdischen Besitzes und die Förderung ,arischer‘ Betriebe“, so Christoph Wunnicke. Zudem sei er als SS-Führer eng mit der radikalen Durchsetzung der NS-Ideologie verbunden gewesen. „Weitere NS-Täter, wie Hermann Baranowski, und ihre Rolle werde ich an dem Abend vorstellen“, blickt der Historiker voraus.
Publikum soll eigene Erinnerungen teilen
Den Kern der Veranstaltung bildet jedoch die offene Diskussion mit Publikum. „Wir möchten die Gäste ermutigen, persönliche Erinnerungen oder die Geschichten der Familie zu teilen – sei es über die letzten Kriegstage, die Begegnungen mit der US- oder Roten Armee, die ersten Monate nach dem Krieg, das Schicksal der Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in unserer Region oder gar Täterbiografien von Verwandten“, so Pastor Schmidt. „Lassen Sie uns gemeinsam ein Stück Geschichte lebendig halten. Wir freuen uns auf rege Teilnahme! Der Eintritt frei. Spenden helfen bei der Sanierung unseres Domes.“
Weitere Veranstaltungen in der Region zwischen Wismar und Parchim
Der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Mecklenburg lädt gemeinsam mit sechs Kirchengemeinden seit Anfang April zu einer ganzen Veranstaltungsreihe zwischen Wismar und Parchim ein. In die Region also, wo im April und Mai des Jahres 1945 Militärverbände unterschiedlichster Nationen, Heimatvertriebene, Zwangsarbeiter und Todesmärsche von KZ-Insassen aufeinander- und auf Einheimische trafen. Detaillierte Infos auf der Website der Evangelischen Kirche in Mecklenburg-Vorpommern.
Aktuelle Termine und Orte im Überblick
- Dienstag, 29. April – Carlow, 19 Uhr, Gemeinderaum im Pfarrhaus Carlow: Das Kriegsende in der Region Demern und Carlow 1945. Täter und Opfer
- Mittwoch, 30. April - Parchim, 18.30 Uhr, Rathauskeller Parchim: Das Jahr 1945 in Parchim: Opfer und Täter
- Dienstag, 6. Mai - Severin, 18.30 Uhr, Kirche Severin: Das Jahr 1945 in der Region Severin und Klinke
- Freitag, 9. Mai - Wismar, 19.30 Uhr, Turmkirche St. Nikolai Wismar: Kriegsende und Täterschaft in der Region Wismar - Jugendliche, Zeitzeugen und Historiker berichten
Hinweis: Eintritt frei. Spenden helfen bei der Sanierung der jeweiligen Kirche.
Quelle: Evangelisch-Lutherischer Kirchenkreis Mecklenburg