Tod von Historiker Thomas Großbölting löst Bestürzung aus

Hamburg (epd). Der Tod des Hamburger Historikers und Theologen Thomas Großbölting (55) infolge eines ICE-Unfalls hat breite Bestürzung ausgelöst.

Prof. Dr. Thomas Großbölting (✝)

Prof. Dr. Thomas Großbölting (✝).

Die Ratsvorsitzende der EKD, Bischöfin Kirsten Fehrs, erinnert an seinen bedeutenden wissenschaftlichen Beitrag, zuletzt unter anderem durch seine Leitung eines Teilprojekts der ForuM-Studie: „Thomas Großbölting war ein kritischer und zugleich konstruktiver Begleiter der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den Kirchen. Seinen Einsatz für eine ehrliche Auseinandersetzung habe ich immer geschätzt, er verdient höchste Anerkennung. Wir sind sehr bestürzt über seinen unerwarteten Tod, der eine schmerzliche Lücke in der Wissenschaft hinterlässt. Auch als Direktor der Akademie der Weltreligionen in Hamburg wird er sehr fehlen. In Gedanken und Gebeten sind wir bei ihm und seiner Familie und allen, die um ihn trauern“, so Fehrs.

Großbölting, der an mehreren Studien zu Missbrauch in der Kirche beteiligt war, starb am Dienstag. Ein ICE war in Hamburg auf einem Bahnübergang mit einem Sattelschlepper zusammengestoßen. Dabei wurden auch mehrere Menschen verletzt.

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, würdigte Großbölting am Donnerstag als Menschen, der sich stets mit einem „unverrückbaren Sinn für Recht und Unrecht“ für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen eingesetzt habe.

Claus sagte weiter, Großbölting sei durch seine klare und ruhige Art, mit der er geschehenes Unrecht, systemisches Vertuschen und institutionellen Täterschutz aufgedeckt und benannt habe, zu einer der maßgeblichen Stimmen geworden, die konkretes Handeln in den Kirchen eingefordert habe. Mit ihm verlören Betroffene einen, „der stets an ihrer Seite stand“, sagte Claus.

Der Betroffenenrat bei der Missbrauchsbeauftragten erklärte: „Wir verlieren mit ihm einen konsequenten Streiter für unsere Rechte und Anliegen.“ Es sei ihm wichtig gewesen, durch konsequente Aufarbeitung auch ein Stück weit zur Gerechtigkeit beizutragen.

Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) würdigte seine wissenschaftliche Arbeit und sagte, Großböltings kluge Analysen seien immer „ein großer Gewinn für aktuelle gesellschaftliche Debatten“ gewesen. Großbölting war seit 2020 Professor für Neuere Geschichte/Zeitgeschichte an der Universität Hamburg und Direktor an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH).

Seit Ende 2022 war er zudem geschäftsführender Direktor der Akademie der Weltreligionen. Öffentlich bekannt wurde er besonders durch seine Studien zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt etwa im Bistum Münster oder als Mit-Autor der evangelischen ForuM-Studie, die im Januar 2024 veröffentlicht wurde.

Der Münsteraner Bischof Felix Genn sagte, die Aufarbeitung sei für Großbölting „kein Forschungsprojekt wie jedes andere“ gewesen. „Bei jeder Begegnung mit ihm spürte ich, wie sehr das, was Priester und andere Mitarbeitende der katholischen Kirche Menschen durch sexuellen Missbrauch und seine Vertuschung angetan haben, ihn auch persönlich mitnahm, anrührte und zu Recht zornig machte“, sagte Genn laut Mitteilung.

Die Forschungsstelle für Zeitgeschichte hatte bereits am Mittwochabend kondoliert. Als Direktor habe Großbölting die Forschungsstelle mit neuen Impulsen und frischen Ideen geprägt. „Er hatte noch viel vor“, hieß es in der Mitteilung. Großbölting hinterlässt eine Frau und vier Kinder.