„Die Zeit läuft uns davon“
Mit dem Kirchlichen Energiewerk will der Kirchenkreis Mecklenburg die Energiewende vorantreiben
Der Kirchenkreis Mecklenburg engagiert sich mit einer eigenen GmbH für den Ausbau der Elektromobilität und nachhaltiger Energien. Doch mit einem Projekt tritt der Kirchenkreis ungewollt auf der Stelle: der Windkraft.
Schwerin. Wind bestimmt seine Freizeit, und auch die Arbeit von Gottfried Timm war lange von diesem Element geprägt. Als Geschäftsführer des Kirchlichen Energiewerks in Schwerin setzte sich der leidenschaftliche Segler unter anderem für den Ausbau von Windkraftanlagen im Kirchenkreis Mecklenburg ein.
Doch jetzt blutet ihm das Herz: „Seit Jahren laufen die Anträge für circa zehn Projekte. Und es ist immer noch keine einzige Windkraftanlage gebaut“, sagt Timm, der zwar mittlerweile nicht mehr Geschäftsführer ist, aber weiter einzelne Projekte des Kirchlichen Energiewerks betreut. Schuld seien die zäh laufenden Genehmigungsverfahren, klagt er. „Die Behörden vertrösten uns immer wieder von Quartal zu Quartal. Uns läuft die Zeit weg“, so der 64-Jährige weiter. Timm war selbst von 1998 bis 2006 Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Auch in der Bevölkerung gebe es Widerstände, sagt Timm.
Der Kirchenkreis Mecklenburg, der bis zur Gründung der Nordkirche vor knapp zehn Jahren einmal selbstständige Landeskirche war, biete beste Voraussetzungen für die Nutzung der Windenergie, betont Timm. „Es gibt genügend Flächen. Die Kirche ist große Landeigentümerin.“ Mit der energetischen Bewirtschaftung dieses Landes knüpfe man zudem an eine alte Tradition an, als die Pfarrhöfe auch Landwirtschaftsbetriebe waren und sich selbst versorgten.
Doch schon vor seiner Gründung bekam das Energiewerk Gegenwind. Kritiker wandten ein, dass die Kirche sich nicht wirtschaftlich betätigen dürfe. Timm, damals noch Synodaler der frisch gegründeten Nordkirche, war anderer Meinung. Die Kirche engagiere sich doch auch in der Diakonie und in der Forstwirtschaft, argumentierte er. „Beide Bereiche haben doch auch eine wirtschaftliche Seite. Das ist kein Widerspruch.“ Noch dazu weiß Timm einen gewichtigen Fürsprecher auf seiner Seite: In der Bibel stehe, dass die Schöpfung bebaut und bewahrt werden soll.
2014 hat der Kirchenkreis Mecklenburg schließlich das Kirchliche Energiewerk gegründet. Eine vergleichbare GmbH suche man deutschlandweit vergebens, sagt er. Mit der WEMAG AG habe der Kirchenkreis einen kommunalen Energieversorger als Gesellschafter gewonnen und einen Fachbetrieb an seiner Seite. Unter dem Motto „Die Erde bebauen und die Erde bewahren“ berät die GmbH seitdem Kirchengemeinden, Kitas und diakonische Einrichtungen über die Grenzen des Kirchenkreises hinaus bei der energetischen Sanierung von Gebäuden, sie berechne den Energieverbrauch und erstelle Energieausweise.
Neben der Windenergie soll das Energiewerk auch beim Ausbau von Photovoltaik, Bioenergie und Elektromobilität beraten und eine entsprechende Infrastruktur schaffen „Wir dürfen nicht weiter auf Kosten nachkommender Generationen und ferner Regionen dieser Erde leben“, sagt Timm. Bei der Finanzierung der Projekte helfe die „Kirchliche Stiftung für Klimaschutz im Kirchenkreis Mecklenburg“. Auch Bildungsarbeit gehöre zum Angebot des Kirchenkreises.
Die Nordkirche hat ein Jahr nach der Gründung des Energiewerks ebenfalls alle Zeichen auf Klimaschutz gestellt: Als erste Landeskirche gab sie sich ein Klimaschutzgesetz und schuf damit die Rahmenbedingungen für ein ehrgeiziges Ziel: die CO2-Neutralität bis 2050.
Gottfried Timm zieht es bei aller Enttäuschung über die ungenutzte Windenergie zu seinem Segelboot, das derzeit in Wismar vor Anker liegt. Für ihn hält das Leben mit der Natur immer wieder eine Gotteserfahrung bereit. „Wenn mir der Wind ins Gesicht weht und sich der Sternenhimmel über mir auftut, dann fühle ich mich verbunden mit dem gesamten Kosmos.“
Von Sven Kriszio