„Ich weiß, dass für Veränderungen viele kleine Schritte nötig sind“
Katrin Göring-Eckardt über ihre Amtszeit als Präses der Synode der EKD
„Ich weiß, dass für Veränderungen viele kleine Schritte nötig sind“, sagt Katrin Göring-Eckardt, „kenne aber als Kind der DDR auch die Diaspora-Situation und Revolution.“ In ihre Amtszeit als Synodenpräses fielen viele Jahre der Arbeit an der „Kirche im Aufbruch“ sowie an der Dekade zur Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum 2017. Im Rückblick sieht die Thüringerin es als Vorteil, dass sie parallel auch Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2011 war. Das hatte es zuvor noch nie gegeben. „Das hat zwar auch zu manchen Irritationen und Anfragen geführt, aber hatte den Vorteil, dass wir uns als Kirche als Ganzes verstanden und auch so gesehen wurden.“
Katrin Göring-Eckardt betrachtet die Kirche als Trost und Heimat. „Verbundenheit im Glauben ist wichtiger als der nächste Karriereschritt oder die Angst vor der nächsten Katastrophe.“ Deshalb könne sie auch ihre beiden Engagements nicht voneinander trennen, sagt die derzeitige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag: „Ich bin ja nicht schizophren – in der einen Stunde Christin, in der anderen politischer Mensch; ich habe beide Seiten in mir.“
Bei ihrer Wahl zur Synodenäses konnte sich Göring-Eckardt, die sich als Grünen-Politikerin einen Namen gemacht hatte, gegen das CSU-Schwergewicht Günter Beckstein durchsetzen. „Einmal habe Beckstein, der ihr Stellvertreter wurde, sogar für sie sprechen müssen. „Ich hatte meine Stimme verloren, und er musste meine Rede vortragen. Er sagte dann gelegentlich: ‚Katrin Göring-Eckardt meint …“ Das passierte ja in der Politik nicht so oft“, sagt sie amüsiert, setzt dann aber gleich hinzu, „das hat uns aber eher zusammengeschweißt.“
Zwei Frauen repräsentieren die Kirche
Als glücklichen Zufall betrachtet die ehemalige Synodenpräses, dass sie in ihrer vierjährigen Amtszeit mit zwei verschiedenen EKD-Ratsvorsitzenden zusammenarbeiten konnte, mit Margot Käßmann und Nikolaus Schneider. „Beide waren auch sehr politische und zugleich fromme Menschen. Und meine ersten Monate im Amt waren ja auch noch von Wolfgang Huber geprägt, der mit dem Impulspapier ‚Kirche der Freiheit’ den Anstoß zur ‚Kirche im Aufbruch‘ gegeben hat, ein Wagnis zu großer Veränderung.“
Gerade aber der Umstand, dass 2009 die evangelische Kirche gleichzeitig von zwei Frauen repräsentiert wurde, habe ihr Sicherheit gegeben: „Wir prägen unsere Kirche besonders.“ Und als Präses der Synode noch einmal: „Wir könnten schließlich mit unserem Votum noch einmal alle Entscheidungen stoppen.“ Das Selbstbewusstsein der Synode zu stärken, das war ihr besonderes Anliegen wie für ihre Nachfolgerin Irmgard Schwaetzer. Dazu gehörte es auch, die Synode selbst, in ihrer Arbeitsweise zu verändern. Die Einführung des Präsesberichtes gehörte dazu, aber auch Weltcafés statt nur Plenarsitzungen, und dass auf diese Weise auch Synodale zu Wort kamen, dich sich nicht immer automatisch ans Mikrofon drängen.
Unterschiedliche Positionen als Vielfalt der Kirche darstellen
Katrin Göring-Eckardt ist der EKD dankbar, dass ihr – „als Nicht-Theologin und Frau“ – die Ansprache an Papstes Benedikt bei seinem Besuch 2011 in Erfurt übertragen wurde. Sie habe dabei bewusst die Anrede „Bruder Benedikt“ gewählt.
Mit dem Papstbesuch, der „sicher kein ökumenischer Aufbruch“ war, hätten viele große Hoffnungen auf mehr Gemeinsamkeiten in der Ökumene verbunden, waren dann aber enttäuscht. „In kleiner Runde im Kapitelsaal war der Papst viel offener als später im öffentlichen Gottesdienst“, verrät Göring-Eckardt. Für ihr selbstbewusstes Auftreten gegenüber Benedikt („auf Augenhöhe“) habe es aber auch und vor allem von katholischen Frauen viele positive Rückmeldungen gegeben. Bis heute ist Göring-Eckardt überzeugt: „Wir können es uns nicht leisten, darüber zu reden, wie wir uns auseinanderdividieren. Wir müssen vielmehr unsere unterschiedlichen Positionen als Vielfalt der Kirche darstellen.“
„Es gibt auch Dinge, die offen blieben“
Gegenwind verspürte Göring-Eckardt eher schon mal aus ihrer eigenen Kirche, vor allem, wenn sie ihre politischen Überzeugungen, etwa zur gleichgeschlechtlichen Ehe vortrug. „Dennoch habe ich auch den Kontakt zur evangelikalen Bewegung gesucht. Und es war selbstverständlich, dass sie fester Bestandteil des Kirchentags und der Gesamtkirche sind.“
Katrin Göring-Eckardt vertritt die Überzeugung, Synodenarbeit dürfe nicht nur auf die jährlichen Tagungen beschränkt betrachtet werden. Zahlreiche Sitzungen in Ausschüssen und im Präsidium entgingen zwar der Öffentlichkeit, machten aber den Großteil der Arbeit aus. Gerade in diesem Zusammenhang sei sie ihrem damaligen theologischen Stellvertreter Klaus Eberl besonders dankbar: „Er wusste immer weiter, wie es weitergeht, wenn formale, rechtliche oder theologische Probleme zu klären waren.“ Und Elke König habe im Präsidium immer noch einmal mit dem besonderen Blick einer Ostdeutschen auf die Beschlüsse geschaut. „Trotz aller Unterschiede konnten wir uns im Präsidium ganz wunderbar aufeinander verlassen“, zieht sie ein Resümee ihrer Amtszeit. Kritisch ergänzt sie: „Es gibt auch Dinge, die offen blieben oder nur halb erreicht wurden. Dass die EKD ihre Art zu tagen oder ihre Einkaufsmacht nutzt, um ökologisch und fair zu tagen und zu arbeiten, ist jedenfalls nicht vollständig erreicht.“
Michael Eberstein / EKD