EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm würdigt Geißler: „Er wird uns fehlen“
Der Tod von Heiner Geißler hat über alle Parteigrenzen hinweg große Betroffenheit ausgelöst
München (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat sich betroffen vom Tod des früheren CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler gezeigt. „Er hatte wirklich etwas zu sagen. Und selbst da, wo er zuweilen in der Schärfe der Kritik überzog, lohnte es sich immer, über deren Kern nachzudenken. Er wird uns fehlen“, heißt es in einem Facebook-Beitrag des bayerischen Landesbischofs. Geißler war am Dienstag im Alter von 87 Jahren im pfälzischen Gleisweiler gestorben.
„Noch vor wenigen Monaten bin ich ihm in unserem Landeskirchenamt in München begegnet, wo wir gemeinsam an einer Kuratoriumssitzung der Stiftung 'Wings of Hope' für traumatisierte Kinder und Jugendliche teilnahmen“, fügte Bedford-Strohm hinzu: „Ich habe noch seine Beiträge zu unserer Diskussion im Ohr, denen alle aufmerksam lauschten.“
Heiner Geißler als großer Sozialpolitiker gewürdigt
Der Tod des früheren CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler hat über alle Parteigrenzen hinweg große Betroffenheit ausgelöst. Geißler habe die Politik der Bundesrepublik Deutschland fast ein halbes Jahrhundert hinweg entscheidend mitgeprägt, hob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag in Berlin hervor. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte, das Land verliere „eine unvergleichliche politische Persönlichkeit, die bis ins hohe Alter gerade auch für junge Menschen Vorbild war“.
Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz erklärte, mit Geißler verliere Deutschland „einen streitbaren Geist und klugen Analytiker der Bonner und der Berliner Republik“. Geißler habe immer in der christlich-sozialen Tradition seiner Partei gestanden und „sah deswegen die CDU nie nur als konservative, sondern vor allem als christlich-demokratische Partei“. Schulz: „Heiner Geißler war freundlich und liebenswürdig im Wesen und unbequem und häufig unkonventionell in seiner politischen Haltung.“
„Ein Geschenk für unsere Demokratie“
Die Grünen-Politiker Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir bezeichneten Geißler als „echten Freigeist, der zu seiner politischen Haltung immer auch gegen Widerstände stand. Er war ein kluger Demokrat, der die Politik über Jahrzehnte geprägt hat.“ Die Grünen „hatten es nicht immer leicht mit ihm, seine scharfe Kritik an der Friedensbewegung ist uns noch in Erinnerung. Doch mit dem Alter wurde Heiner Geißler versöhnlicher“, fügten Göring-Eckardt und Özdemir hinzu: „Sein Engagement als Schlichter - etwa beim Konflikt um Stuttgart 21 - war ein Geschenk für unsere Demokratie.“
Als leidenschaftlichen Debattenredner würdigte der scheidende Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) den verstorbenen früheren Bundessozialminister. In einem Kondolenzschreiben an die Witwe Geißlers im Namen des Deutschen Bundestages schrieb Lammert, Geißler habe zu den herausragenden Persönlichkeiten der deutschen Politik gehört. Er habe sich meist früher als andere immer wieder großer gesellschaftspolitischer Zukunftsthemen angenommen und dabei gängige Überzeugungen gehörig „gegen den Strich zu bürsten“ gewusst.
Als Schlichter setzte Heiner Geißler Maßstäbe
Die globalisierungskritische Organisation Attac, der Geißler seit zehn Jahren angehörte, lobte dessen „Widerspruchgeist“. Geißler habe für Attac-Positionen wie die demokratische Kontrolle der Finanzmärkte geworben, aber auch vor Kritik an Aussagen der Organisation nicht zurückgeschreckt.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erinnerte an Geißler als Schlichter beim umstrittenen Bahn-Bauprojekt Stuttgart 21. Geißlers Credo sei gewesen, dass zivilisierter Streit die Gesellschaft zusammenhält. Er habe mit dieser Einstellung „das schier Unmögliche möglich gemacht: die streitenden Parteien in diesem schwierigen Konflikt sachorientiert voranzubringen“, teilte Kretschmann in Stuttgart mit. Als Schlichter habe Geißler einen wesentlichen Beitrag zur Befriedung des Konflikts um den Tiefbahnhof geleistet: „Er hat mit der Schlichtung Maßstäbe gesetzt, wie Konflikte in einer Demokratie bewältigt werden können.“
Aus dem Jesuitenorden in die Politik
Geißler stammte aus einer katholisch geprägten Beamtenfamilie und wollte eigentlich Priester werden. Er wurde am 3. März 1930 in Oberndorf am Neckar (Baden-Württemberg) geboren. Nach seinem Abitur am Jesuitenkolleg im baden-württembergischen St. Blasien trat er zunächst dem Jesuitenorden bei, den er jedoch nach vier Jahren wieder verließ.
Von 1982 bis 1985 war Geißler Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit im Kabinett von Helmut Kohl. Das Amt des Generalsekretärs der CDU - das sein Bild in der Öffentlichkeit maßgeblich prägte - hatte er von 1977 bis 1989 inne. 1965 war der Vater dreier Kinder zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt worden. Er ist Autor zahlreicher Bücher über moralische und soziale Themen, einige darunter waren Bestseller.