Scharfe Kritik an Seehofers umstrittener Äußerung zu Migration
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie und Präses Manfred Rekowski
Berlin (epd). Diakonie-Präsident Ulrich Lilie hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) scharf kritisiert. Es sei Aufgabe des Staats „für das plurale Miteinander politische Konzepte zu entwickeln, statt die Migration als ‚Mutter aller politischen Probleme‘ zu beklagen“, sagte Lilie in Berlin.
Seehofer soll sich Medienberichten zufolge am 5. September bei einer Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im brandenburgischen Neuhardenberg entsprechend geäußert haben. In übereinstimmenden Berichten beriefen sich „Bild“ und „Welt“ (Donnerstag) auf Angaben aus Teilnehmerkreisen. Wie die „Welt“ berichtet, sagte Seehofer zu den fremdenfeindlichen Ausschreitung nach dem Tötungsdelikt in Chemnitz, er habe Verständnis, wenn sich Leute empören. Das mache sie noch lange nicht zu Nazis.
„Die Bundesregierung sollte Ideen liefern“
Diakonie-Präsident Lilie sagte, mit seiner Äußerung zur Migration stoße der CSU-Chef Millionen von Zugewanderten vor den Kopf, ohne die Deutschland jetzt und auch in Zukunft nicht auskomme. Der Weg sei demografisch längst vorgezeichnet. „Die Bundesregierung sollte Ideen liefern, wie Deutschland in zehn Jahren aussehen soll“, forderte der Präsident des evangelischen Wohlfahrtsverbandes.
Auch der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, hat den Bundesinnenminister davor gewarnt, Einwanderer zu Sündenböcken für politische Probleme zu machen. „Politiker sollten die gesellschaftliche Situation gründlich wahrnehmen und darauf reagieren“, sagte Rekowski dem epd in Düsseldorf. „Dabei wäre dann wohl selbstkritisch zu fragen, ob nicht eine unzureichende und bisweilen ungerechte Gesellschafts- und Sozialpolitik Kern der politischen Probleme ist.“
Suche nach Sündenböcken sei „gänzlich untauglich“
Eine Suche nach Sündenböcken sei dagegen „gänzlich untauglich“, unterstrich der Theologe, der Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Bei der Migrationsfrage gehe es um Menschen und nicht um ein abstraktes Problem.
Seehofer hatte zuvor der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Donnerstag) gesagt, die Migrationsfrage sei die „Mutter aller politischen Probleme in diesem Land“. „Das sage ich seit drei Jahren. Und das bestätigen viele Umfragen, das erlebe ich aber auch in meinen Veranstaltungen“, fügte der CSU-Chef hinzu.