Stellungnahme des Filmpolitischen Arbeitskreises der ev. und kath. Kirche zum Filmpolitischen Konzept, Vorschläge zur Reform der Filmförderung und zur Aufwertung des deutschen Films als Kulturgut
Stellungnahme des Filmpolitischen Arbeitskreises der ev. und kath. Kirche zum Filmpolitischen Konzept, Vorschläge zur Reform der Filmförderung und zur Aufwertung des deutschen Films als Kulturgut
Pfr. Werner Schneider-Quindeau, Filmbeauftragter der EKD, Dr. Peter Hasenberg, Filmreferent, Sekretariat der DBK, Juli 2002
1. Die Kirchen begrüßen die Aufwertung des Films als Kulturgut
Die katholische und evangelische Filmarbeit begrüßen die Initiative von Staatsminister Prof. Dr. Nida-Rümelin, den Film als Kulturgut aufzuwerten, d.h. seine kulturelle Bedeutung zu stärken und zu fördern. Seine Auffassung, "dass die Filmförderung ihre eigentliche Legitimität der Rolle des Films als Kulturgut verdankt," entspricht genau der Position, die die Kirchen in der filmpolitischen Debatte immer vertreten haben. Auch die filmkulturelle Arbeit beider Kirchen, die seit über 50 Jahren mit erheblichen finanziellen Mitteln betrieben wird, dient diesem Ziel: kulturelle Vielfalt, ästhetische und ethische Qualität und geschichtliche Geistesgegenwart im Film wahrzunehmen und zu stärken. Dieses Engagement ist durch ein breites Spektrum von Aktivitäten ausgewiesen, vor allem durch die Filmzeitschriften "film-dienst" (katholisch) und "epd Film" (evangelisch), die Erarbeitung des "Internationalen Lexikons des Films“, aber auch durch zahlreiche nichtgewerblich orientierte Einrichtungen und die Mitarbeit in Fördergremien (FFA, Kommission Deutscher Filmpreis, Kinder- und Jugendfilmzentrum), die Mitarbeit bei der FSK sowie das kirchliche Engagement in den Sparten Filmvertrieb (Matthias-Film, Katholisches Filmwerk), Filmverleih (landeskirchliche und diözesane Medienzentralen) und Produktion (Eikon, Tellux). Indem sich die Kirchen durch ökumenische Jurys auch an zahlreichen Filmfestivals beteiligen, öffnen sie sich für die Wahrnehmung der Vielzahl von Filmkulturen weltweit. Gemeinsam mit der Filmkritik arbeiten die Kirchen mit im kulturellen Diskurs über ästhetische Maßstäbe und ethische Relevanz der Filmproduktion, im Bewußtsein seiner Bedeutung für Identitätsstiftung und Wertevermittlung. Schließlich beteiligen sich durch ausgewiesene Fachkräfte an der analytischen und pädagogischen Arbeit mit Filmen.
2. Qualitätsmaßstäbe müssen in einem filmkulturellen und filmpublizistischen Diskurs gewonnen werden
Wenn die kulturelle Qualität des Films herausgehoben werden soll, stellt sich die Frage, wie diese Qualität ermittelt und mit welchen Instrumenten sie gefördert werden kann. Wenn auch zwischen wirtschaftlicher und kultureller Filmförderung nicht getrennt werden darf, so bleibt doch für die kirchliche Filmarbeit die Unterscheidung zwischen ökonomischen und kulturellen Aspekten der Filmförderung wesentlich. Für den Nachweis filmkultureller Qualität spielen Kriterien wie ein geschichtlich gebildetes Gegenwartsbewusstsein, Arbeit an kulturell langfristig wirksamen Mythen, ästhetische und technische Innovationen und die Ausrichtung an einem weltweiten Verständigungshorizont eine tragende Rolle. Kriterienbasierte Referenzförderung muss Qualitätsmaßstäbe in das Förderverfahren einbauen, die nur in einem offenen filmkulturellen und filmpublizistischen Diskurs gewonnen werden können. Es sei nur daran erinnert, dass die kulturelle Bedeutung des Films im Nachbarland Frankreich ganz wesentlich von einer Filmpublizistik getragen wird, die in den "Cahiers du cinema" ihre historisch bedeutsamste Vertreterin gefunden hat.
3. Nichtgewerbliche Filmarbeit, Medienpädagogik und Filmpublizistik liefern einen unverzichtbaren Beitrag zur filmkulturellen Arbeit
Die nichtgewerbliche Filmarbeit, wie sie vor allem auch von den Kirchen in Medienzentralen und in entwicklungsbezogener Filmarbeit mit Partnern aus Afrika, Asien und Lateinamerika betrieben wird, wird im filmpolitischen Konzept schmerzlich vermisst. Auch die Bedeutung von Medienpädagogik und Filmkritik für die ästhetische und ethische Urteilsbildung im Rahmen der Filmrezeption wird im Vorschlag des Beauftragten für Kultur und Medien zu wenig wahrgenommen. Über den Beitrag des Films zur Gegenwartskultur lässt sich aber sachgemäß nur Auskunft geben, wenn sowohl die schulischen und öffentlichen Vermittlungsprozesse als auch die kritischen Analysen der Filme verstärkt berücksichtigt werden. Deshalb muss nach Auffassung der Kirchen die Medienerziehung an den Schulen größere Beachtung finden. Zur Unterscheidung zwischen dem Film als Wirtschaftsgut und als Kulturgut gehört schließlich auch die Beobachtung, dass der Dummheit und der Barbarei in der filmischen Produktion kaum Grenzen gezogen sind. Auch die Kulturwirtschaft bedarf einer kulturellen Arbeit, die sich der Mühe qualitativer Kriterienbildung für die Filmförderung nicht entzieht.
4. Filmkulturelle Arbeit muss als dialogische Aufgabe betrachtet werden
Wenn aus dem umfassenden Ansatz einer Förderung der Filmkultur ein Gesamtkonzept der Filmförderung entwickelt werden soll, in dem die einzelnen Förderinstrumente ihren Platz finden sollen, so darf der Begriff der Filmkultur selbst nicht leer bleiben. Die kirchliche Filmarbeit sieht den Film schon lange nicht mehr als Gelegenheit zur Mission, sondern als eine dialogische Aufgabe, bei der die Kirchen ihre eigene Tradition einer gründlichen kommunikativen Bearbeitung aussetzen. Gerade mit dieser Arbeit ist ein wegweisendes Modell der Kommunikation zwischen den Kirchen und einer säkularen Kultur entstanden ist. Dabei öffnet die Kirche Auge und Ohr für die Welt der vielfältigen Kulturen, in denen sie ihre eigenen Geschichten und Botschaften in überraschend neuen Formen und Aussagen wieder entdecken kann. Sie setzt auf eine Filmkultur, in der die Menschen sich und ihre Zeit zu entdecken vermögen. Der Film braucht eine kulturelle Förderung, die sich dieser tiefen und weiten Selbsterkenntnis des Menschen verpflichtet weiß. Wer nur Geld mit dem Film verdienen will, steht möglicherweise am Ende mit leeren Händen da.
5. Die etablierte Förderlogik ist zu überdenken
Bei der bisherigen Förderung, deren Ansatz sich im Laufe der Jahre immer stärker auf wirtschaftliche Aspekte und Kriterien verlagert hat, gilt Filmkultur als eine negative Restgröße, die mit wirtschaftlicher Erfolglosigkeit gleichgesetzt wird. Als Maßstab des Erfolgs der bisherigen, wirtschaftlich orientierten Förderung werden dabei im wesentlichen drei Aspekte geltend gemacht:
- die Verteidigung eines stagnierenden, wenn nicht sogar schwindenden Marktanteils des deutschen Films. Dabei wird der Markteinteil jedoch vor allem gestützt durch filmkulturell wenig bedeutsame Komödien vom Typ "Der Schuh des Manitu", der einer Förderung gar nicht bedürfte, oder von Koproduktionen wie "Die fabelhafte Welt der Amélie", die zur deutschen Filmkultur nichts beitragen.
- Standorteffekte in den einzelnen Bundesländern, die die Ansiedlung und den Aufbau medienindustrieller Unternehmen ermöglicht haben. Diese Unternehmen sind jedoch gerade nicht auf die Ökonomie des Kinos, sondern auf die des Fernsehens ausgerichtet.
- der Erhalt einer nennenswerten nationalen Filmproduktion. Dieser Effekt ist jedoch mit einer anhaltenden Strukturschwäche der deutschen Filmwirtschaft, nämlich mit ihrer Abhängigkeit vom Fernsehen und ihrer Aufsplitterung in zahllose Kleinunternehmen, eng verknüpft.
Angesichts solcher, einer eingehenden Überprüfung kaum standhaltenden Erfolge ist ein Überdenken der etablierten Förderungslogik überfällig. Ein Ausbau der vorhandenen Förderinstrumente, etwa die Erhöhung von Produktionsbudgets, die Stärkung der unabhängigen Produzenten oder eine Verlagerung der Fördermittel zugunsten der Referenzfilmförderung wird die bisherigen Ergebnisse der Filmförderung kaum verbessern können. Um die eingesetzten Fördermittel besser auszuschöpfen, empfehlen die Kirchen eine Koordinierung von Bundes- und Länderförderungen.
Aus einer filmkulturellen Perspektive erscheint insbesondere die Ausrichtung auf die Förderung des nationalen Filmschaffens als verengt. Sie verfestigt durch Mechanismen der Subventionierung das bestehende Produktionssystem mit seinen sowohl ökonomischen wie ästhetisch-kreativen Schwächen. Der Ansatz des filmpolitischen Konzepts des BKM legt vielmehr eine Förderung der nationalen Filmkultur insgesamt nahe. Die Kirchen unterstützen eine solche Akzentverschiebung und befürworten deshalb alle Maßnahmen, die den Verleih, das Abspiel, die Sicherung und Erschließung des filmhistorischen Erbes als „filmisches Gedächtnis“, die filmkulturelle Bildung und die öffentliche Auseinandersetzung mit der Filmkultur stärken. Erst aus einer lebendigen, dynamischen Auseinandersetzung mit der Filmkultur der Welt kann eine fruchtbare nationale Filmproduktion entstehen. Die Kirchen halten deshalb eine Verlagerung der Fördermittel auf die genannten Bereiche für notwendig, bei gleichbleibendem Fördervolumen auch zu Lasten der Produktion. Erst in diesen Bereichen kann schließlich eine kriterienbasierte, filmkulturell ausgerichtete Förderung greifen.
6. Kulturelle Beratung ist als Element der Förderung zu berücksichtigen
Die Maßnahmen des BKM der letzten Jahre, die Förderung zu erweitern und bisher vernachlässigte Sparten der Filmherstellung aufzuwerten (Drehbuch, Dokumentarfilm, Kinderfilm), sind ausgesprochen schätzenswerte Schritte in die richtige Richtung. Um jedoch zu einer Verbreiterung des talentierten Nachwuchses zu gelangen, bedarf es umfassender Bildungsanstrengungen, um den provinziellen Charakter vieler deutscher Filme zu überwinden. Zahlreichen Produktionen mangelt es an elementaren Kenntnissen der eigenen kulturellen Tradition. Filmförderung hätte auch darauf zu achten, wie kreativ und innovativ die einflussreichen kulturellen Traditionen bearbeitet werden, in denen wir uns nach wie vor verständigen. Vielleicht brauchen Filmproduktionen als Element der Förderung auch kulturelle Beratung. Kirchliche Filmarbeit steht mit ihren Ressourcen in der einen oder anderen Form für einen solchen Beratungsprozeß zur Verfügung.
Pfr. Werner Schneider-Quindeau, Filmbeauftragter der EKD
Dr. Peter Hasenberg, Filmreferent, Sekretariat der DBK