Glaube junger Menschen - Thesen

Thesen

Was brauchen junge Menschen, um sich mit ihrem Glauben und ihrem Engagement in der evangelischen Kirche angenommen zu fühlen und entfalten zu können? Was für Veränderungen sind nötig, wo braucht es neue Freiräume? Für die Diskussion des Schwerpunktthemas ‚Glaube junger Menschen‘ schlägt der Vorbereitungsausschuss den Synodalen 10 Thesen zur Diskussion vor.

1. Glaube leben und gestalten

Wir nehmen wahr: Junge Erwachsene leben ihren Glauben subjektiver und weitgehend ohne konfessionelle Bindungen. Dabei suchen sie ihren Platz, an dem sie auf ihre Art in christlichen Kontexten leben können. Dafür braucht es neben den bewährten Formen und Angeboten neue Möglichkeiten. Wir als Kirche wollen Räume öffnen, damit Jüngere ihre eigene Identität entwickeln und verwirklichen können.

 

2. Bibel als Inspirationsquelle ernst nehmen

Wir sehen, dass viele Jüngere die Bibel für ein angestaubtes Buch halten. Andere sind irritiert über Tendenzen fundamentalistisch-wörtlicher Lesarten. Wir erfahren die Bibel als ein sehr lebendiges Buch, das aktuelle Bezüge zu unserer heutigen Gesellschaft aufweist. Darum wollen wir generationenübergreifend über Bibeltexte sprechen, ohne dabei vorzugeben, »das Wissen gepachtet zu haben«. Wir setzen uns für die Kommunikation in verständlicher Sprache ein. Das gilt auch für die Wahl der Bibelübersetzung, die an die Bedürfnisse der Leserinnen und Leser angepasst wird.

 

3. Musikvielfalt entdecken

Musik ist seit jeher eine wichtige Ausdrucksform des Glaubens. Jede Generation bringt innerhalb der Musik ihre eigene »Sprache« und einen eigenen Stil mit. Darum wünschen wir uns, dass nicht nur die Ausbildung der Kirchenmusiker und -musikerinnen diesem Umstand Rechnung trägt, sondern dass auch Mitarbeitende mit gemeindepädagogischem und diakonischem Berufsprofil dafür sensibilisiert werden und die Pfarramtsausbildung dahingehend angepasst wird.

 

4. Kommunikationsformen weiten

Digitale Kommunikationswelten sind heute hochgradig personalisiert und prägen alle Lebensbereiche. Sie bestimmen das Denken, Verhalten und damit auch den Glauben junger Menschen mit. Wir entdecken, dass neue Sozial- und Beteiligungsformen durch unterschiedliche Formate auch digitaler Vernetzung entstehen, die Gemeinschaft der Glaubenden bereichern und gesellschaftliche Anschlussfähigkeit erhalten. Wir sehen es als Aufgabe der Kirche, die Kommunikation des Evangeliums auch in digitaler Weise zu befördern.

 

5. Verantwortung teilen

Wir nehmen wahr, dass viele Menschen der jungen Generation eigene Erfahrungen und Ideen für die Gestaltung des Miteinanders haben. Als Kirche sehen wir, dass wir uns einerseits zwar jüngere Menschen in unseren Kirchengemeinden und Gremien wünschen (häufig bekommen sie eine Höchstzahl an Wahlstimmen bei Kirchenvorstandswahlen!), ihnen jedoch nicht überall eine Stimme in der Mitgestaltung geben. Wir wollen daher neu über Modelle von Partizipation und Teilhabe junger Menschen nachdenken.

 

6. Innovative Modelle zulassen

Glaube braucht Gemeinschaft und Orte. Wir entdecken, dass Menschen auch in unserer Kirche sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben. Wir wollen Bewährtes, das Orientierung gibt, bewahren und gleichzeitig offen sein für neue Entwicklungen. Darum freuen wir uns über Jüngere, die ihre Vorstellungen in das kirchliche Leben einbringen. Uns ist bewusst, dass dies allen Generationen Toleranz abverlangt. Es braucht Mut für innovative Modelle und neue kirchliche und kontextuell gebundene Orte, denn Kirche ist weit mehr als der Sonntag zwischen 10 und 11 Uhr! Wir wollen Möglichkeiten zum Experimentieren suchen und öffnen, wobei nicht alles auf Anhieb gelingen kann und muss.

 

7. Freiwilliges Engagement fördern

Wenn Menschen an etwas glauben, dann wollen sie in dieser durch Glauben entstandenen Beziehung auch eine Rolle spielen. Als Kirche sehen wir, dass die Wertschätzung für freiwilliges Engagement dieser Generation zu wenig ausgeprägt ist. Vielleicht, weil diese Generation »anders tickt« und anderes tun möchte als die klassischen Ehrenamtlichen der über 60-Jährigen? Wir wollen neue Formen von freiwilligem Engagement entwickeln und fördern.

 

8. Kirchenverständnis weiten

In unserer individualistischen und pluralistischen Gesellschaft stehen viele Menschen dem Glauben indifferent gegenüber. Wir brauchen eine Kirche, die in dieser Gesellschaft bunt, vielfältig und gesprächsfähig ist. Auch jüngere Menschen sind in ihrem Leben mit Brüchen konfrontiert, müssen Umwege gehen und Neuanfänge versuchen. In diesen entscheidenden Zeiten spielt die Suche nach Glauben immer wieder eine Rolle. Deshalb fragen wir uns, wie neben der klassischen Ortsgemeinde neue Orte und Strukturen entstehen können, damit die jüngeren Generationen die Gemeinde als ihren Ort entdecken und gestalten können. Der Begriff der Gemeinde muss weiter gedacht werden.

 

9. Zugehörigkeit neu definieren

Wir nehmen wahr, dass sich Zugehörigkeit in der Kirche sehr unterschiedlich äußern kann. Junge Menschen denken in der Regel nicht mehr in der klassischen Kategorie der Kirchenmitgliedschaft. Engagement und Kirchenzugehörigkeit werden nicht mehr einfach durch die Familie weitergegeben, sondern sind sehr individuell und persönlich geprägt. Auch die konfessionelle Bindung spielt keine entscheidende Rolle mehr. Auf diese Veränderungen müssen wir uns als Kirche einlassen und verschiedene Formen der Zugehörigkeit diskutieren.

 

10. Ausbildung und Berufsbilder anpassen

Wir nehmen wahr, dass es sehr verschiedene Wege zum und im Glauben gibt. Wir entdecken, dass manche Ausbildungswege für kirchliche Berufe den veränderten Anforderungen der heutigen Zeit nicht gerecht werden. Die Kirche der Zukunft braucht daher veränderte kirchliche Berufsprofile und Ausbildungen, die dem angepasst sind. Die Konzepte der Nachwuchsgewinnung für kirchliche Berufe sollten dahingehend überprüft werden, ob sie der heutigen Aufgabenstellung der Kirche entsprechen. Das gilt auch für die entsprechenden Studiengänge und andere Ausbildungswege. Darüber hinaus sollte über neue Berufsbilder nachgedacht werden (zum Beispiel kirchliche Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder Netzwerkerinnen und Netzwerker).