Grußwort von Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Dr. Georg Bätzing betont in seinem Grußwort Christuszentrierung und Ökumene

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- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Präses der Synode der EKD, liebe Schwester Heinrich, sehr geehrter Präsident der Generalsynode der VELKD, lieber Bruder Kannengießer, sehr geehrte Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, liebe Schwester Fehrs, verehrte Synodale, sehr geehrte Damen und Herren!

„Wir wichen aus, dein Wort hält stand“ – so beginnt eines der schönsten Lieder zur Heilig-Rock-Wallfahrt, zu der das Bistum Trier in unregelmäßigen Abständen einlädt. Vielleicht haben Sie in den zitierten Eingangsworten bereits den Liedtext erkannt, den der damalige Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Peter Beier, für die Heilig-Rock-Wallfahrt 1996 verfasst hat. Er war der Einladung des Trierer Bischofs Herrmann Josef Spital an die Rheinische Landeskirche zur Beteiligung an dieser Wallfahrt gefolgt, und dies trotz einer an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Kritik Martin Luthers am mittelalterlichen Wallfahrtswesen und speziell der Heilig-Rock-Reliquie. Kritische Stimmen blieben nicht aus; manchem erschien die Zusage geradezu als Verrat an Luther und der Reformation. Ähnlichen Widerspruch gab es, als bei der Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 die Rheinische Landeskirche mit Präses Nikolaus Schneider die Einladung des Trierer Bischofs Stephan Ackermann zu einer erneuten Beteiligung annahm.

Was machte die positive Antwort von evangelischer Seite möglich? Davon zeugt in dichterischer Weise das Wallfahrtslied von Präses Beier. „Wir“ – und damit unterschiedslos katholische und evangelische Christinnen und Christen – wichen aus, wir waren untreu und folgten Christus nicht. Aber sein Wort hält stand, bleibt zuverlässige Wegweisung und lebensschaffende Orientierung. Damit ist das Entscheidende über die Beziehung zwischen Gott und Mensch gesagt, das die Rechtfertigungslehre im „sola gratia“ festhält. Christus „setzt das Maß für Schritt und Tritt“, so die zweite Liedstrophe, nur er. In der vierten und fünften Strophe wird die Zerrissenheit der Christen beklagt. Hier kommt das unzerteilte Gewand Christi in den Blick, das seit alters her Symbol für die ungeteilte Christenheit ist. Doch menschliches Versagen und Streit haben die Einheit beschädigt. „Noch würfeln wir um dein Gewand und reißens doch in Teile“, heißt es im Lied. Dabei gehen wir bereits alle an Christi Hand, können es aber manchmal nicht sehen. So richtet sich die Bitte an Christus, unsere Blindheit zu heilen und uns Streitende an sein Herz zu ziehen. Das Lied endet mit dem Ruf an Christus: „Hör uns und sprich das Amen.“ Nicht wir sprechen das Amen; Gott vollendet alles in seiner Gnade. Er ist Anfang und Ende, sein Wort bleibt.

Die in dem Lied zum Ausdruck kommende Christuszentrierung und der ökumenische Impuls des ungeteilten Gewandes Jesu waren die Brücken für evangelische Christinnen und Christen, eine der reformatorischen Tradition fremde Frömmigkeitsform zu teilen. Beide Akzente spiegeln sich in den Leitworten der Wallfahrt von 1996 „Mit Jesus Christus auf dem Weg“ und von 2012 „... und führe zusammen, was getrennt ist“. Für mich persönlich war die Heilig-Rock- Wallfahrt 2012, für die ich als Wallfahrtsleiter verantwortlich war, bislang eine der intensivsten ökumenischen Erfahrungen. Ich habe es als große Bereicherung erlebt, in der Gemeinschaft von Gläubigen verschiedener Konfessionen mit Christus und zu ihm hin unterwegs zu sein und gemeinsam die theologische Bedeutung des ungeteilten Gewandes Christi zu erkunden. Ich habe hohen Respekt vor den protestantischen Geschwistern, dass sie sich darauf eingelassen und dazu beigetragen haben, uns katholischerseits auf das Wesentliche der Heilig-Rock-Verehrung zu besinnen und vielleicht auch Fehlformen zu korrigieren. Als Präses Nikolaus Schneider 2012, damals auch Vorsitzender des Rates der EKD, die Einladung zur Heilig-Rock-Wallfahrt annahm, verband er damit die Hoffnung, dass die katholische Kirche in Deutschland sich umgekehrt an der Feier des 500-jährigen Reformationsjubiläums beteiligt. Auch dort war es die Christuszentrierung, die es möglich machte, 2017 mit Initiativen von EKD und Deutscher Bischofskonferenz, von Landeskirchen und Bistümern, auf regionaler und lokaler Ebene, in ökumenisch bilateralen und multilateralen Zusammenhängen, ein gemeinsames Christusfest zu feiern.

Die guten Erfahrungen treiben dazu an, mutig und entschieden den ökumenischen Weg weiterzugehen. „Es bilde sich doch niemand ein, wir könnten auf getrennten Wegen das neue Jahrtausend bestehen“ – so möchte ich noch einmal Präses Beier zitieren, der 1996 diese prophetischen Worte in Trier gesprochen hat. Wir brauchen in zunehmend zerrissenen Gesellschaften, in einer von Gewalt und Krieg bedrohten Welt, angesichts todbringender Folgen des Klimawandels, in Zeiten des Mitgliederschwundes, von denen die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland gleichermaßen betroffen sind, die Weggemeinschaft von Christinnen und Christen aus verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften, um einander im Glauben zu bestärken und glaubwürdig Zeugnis zu geben. Wie die Kirche, so ist auch ihre Einheit kein Selbstzweck. Wir sollen eins sein, „damit die Welt glaubt“, sagt das Johannesevangelium (Joh 17,21). Für diese Einheit ist das ungeteilte Gewand Jesu auch heute ein starkes Symbol. Unsere Zerrissenheit wird zutiefst auch dadurch sichtbar, dass wir bislang nicht gemeinsam Eucharistie und Abendmahl feiern können. Dialogdokumente wie Gemeinsam am Tisch des Herrn des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen haben einen wichtigen Beitrag geleistet, indem sie den künftigen Weg spuren. Zudem bin ich überzeugt, dass die von Papst Franziskus verfolgte Neujustierung von Primat, Kollegialität und Synodalität in der katholischen Kirche auch ökumenisch Türen öffnen wird. Innerkatholisch wie ökumenisch wird entscheidend sein, dass wir Vielfalt nicht als Widerspruch zur Einheit, sondern als Gestalt der Einheit verstehen und leben lernen. Als ein gutes Zeichen habe ich in diesem Zusammenhang die starke und aktive ökumenische Beteiligung vieler christlicher Konfessionen und gerade der evangelischen Kirche bei der vor Kurzem zu Ende gegangenen Weltsynode in Rom erlebt. Wie wir uns hier als Christen verhalten, kann auch eine Strahlkraft auf die Gesellschaft und ihren Umgang mit Differenzen ausüben. Eine gute Orientierung für den ökumenischen Umgang mit Vielfalt gibt der gemeinsame Text von EKD und Deutscher Bischofskonferenz, der unter dem Titel Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit im März dieses Jahres veröffentlicht wurde.

Gestatten Sie mir zum Schluss ein Wort des Dankes an den scheidenden Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und Vorsitzenden der Union Evangelischer Kirchen, Dr. Volker Jung. Wir beide haben über viele Jahre nicht nur auf Deutschlandebene und dort vor allem im Kontaktgesprächskreis von Deutscher Bischofskonferenz und EKD eng zusammengearbeitet, sondern stehen auch in der sich überschneidenden Region der EKHN und des Bistums Limburg in gemeinsamer ökumenischer Verantwortung. Wir haben dort, zusammen mit vielen anderen, einiges gemeistert und auf den Weg gebracht. Besonders denke ich an unsere intensive Kooperation angesichts der Herausforderungen in der Coronazeit und beim 3. Ökumenischen Kirchentag. Lieber Volker, ich habe Dich als fest in der evangelischen Kirche beheimateten und zugleich ökumenisch offenen Menschen und Kirchenmann kennen und als Freund schätzen gelernt. Für Dein großes ökumenisches Engagement und für unser vertrauensvolles Miteinander danke ich Dir heute von ganzem Herzen und wünsche Dir  Gottes Segen auf Deinem weiteren Lebensweg.

Dem wiedergewählten Leitenden Geistlichen der VELKD, Landesbischof Ralf Meister und dem neuen Catholica-Beauftragten der VELKD und der EKD, Landesbischof Christian Kopp, gelten heute mein besonderer Gruß und meine herzliche Gratulation. Ich wünsche Ihnen beiden für die Wahrnehmung Ihrer Ämter viel Freude und Gottes gutes Geleit.

Verehrte Synodale! Für die Synodenberatungen der kommenden Tage wünsche ich Ihnen auch im Namen meiner Mitbrüder in der Bischofskonferenz, deren Grüße ich der Synode übermitteln darf, Gottes Segen. Für uns alle erhoffe und erbitte ich, dass Christus allein Maß unserer Schritte bleibt. In ihm sind wir schon eins.

Ich würde ich mich freuen, wenn wir nun in dieser Gewissheit gemeinsam in das von Präses Beier verfasste Wallfahrts-Lied einstimmen: „Wir wichen aus, dein Wort hält stand.“

Wir wichen aus, dein Wort hält stand

1) Wir wichen aus, dein Wort hält stand. Am Ende aller Wege sind wir uns selber unbekannt, wie Fremde fremd im eignen Land. Den Segen auf uns lege, den Segen auf uns lege.

2) Bring uns zurecht und nimm uns mit vom Abend in den Morgen. Du setzt das Maß für Tritt und Schritt, hältst bei Dir fest, was uns entglitt, Wir brauchen nicht zu sorgen, wir brauchen nicht zu sorgen.

4) Der Zwietracht deiner Christenheit setz deine Lieb entgegen, Herr Christ, und weh dem schlimmen Streit, zieh an dein Herz, was sich entzweit, so stehen wir im Segen, so stehen wir im Segen.

5) Noch würfeln wir um dein Gewand und reißens doch in Teile. Treib aus den Augen uns den Sand, wir gehen ja an deiner Hand, dein Tag, Herr, komm in Eile, dein Tag, Herr, komm in Eile.

6) Wir ziehn hinauf zur Heilgen Stadt, schreib auf dein Kreuz die Namen. Brich uns das Brot, wir werden satt von allem, was dein Friede hat. Hör uns und sprich das Amen, hör uns und sprich das Amen.