Grußwort zum Fastenmonat Ramadan 2019
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland
Sehr geehrte muslimische Schwestern und Brüder,
zum beginnenden Fastenmonat Ramadan sende ich Ihnen die herzlichen Grüße der Evangelischen Kirche in Deutschland und bitte Sie, diese auch in Ihre Gemeinden und Familien weiterzuleiten. Diese Grüße sind Ausdruck des Respektes und der Wertschätzung, die wir jenseits aller bestehenden Unterschiede zwischen den Religionen Ihnen gegenüber empfinden.
Religiöse Rituale wie das des Fastens vermögen dem Einzelnen und einer Gemeinschaft Halt und Orientierung zu geben. Wo Herausforderungen und Verunsicherungen zunehmen, da wächst nicht selten auch das Bedürfnis nach solchen Ritualen der Vergewisserung, der Zugehörigkeit und des Zusammenhalts. Weil das in unterschiedlichen religiösen oder nicht-religiösen Traditionen seinen Ausdruck findet, ist die Einübung in Respekt, Toleranz und Pluralität auf allen Seiten umso wichtiger.
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, dessen Annahme sich in diesem Jahr zum 70. Mal jährt, ermöglicht die vorhandene Vielfalt, indem es Religionsfreiheit garantiert und schützt. Als Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften können wir dieses Recht stärken und befördern, indem wir aus innerer Überzeugung und mit sichtbaren Schritten aufeinander zugehen und voneinander lernen. Der interreligiöse Dialog leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Die mittlerweile schon selbstverständlich gewordenen Einladungen auch an Christinnen und Christen, am abendlichen Fastenbrechen im Monat Ramadan teilzunehmen, sind eine Frucht dieses Dialogs und Ausdruck der Verständigungsbereitschaft über religiöse Grenzen hinweg.
Der biblische Monatsspruch für den Monat Mai, der sich in diesem Jahr mit dem Monat Ramadan weitgehend überschneidet, enthält eine Formulierung, die nahezu wortgleich mit einem Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses ist. Der biblische Vers in der Hebräischen Bibel lautet: „Es ist keiner wie du, und ist kein Gott außer dir“ (2. Samuel 7, 22). Das Bekenntnis zum einen Gott verbindet das Christentum mit dem Judentum und ist auch für den Islam grundlegend. Im Miteinander der Religionen wird es immer wieder darauf ankommen, wie wir dieses gemeinsame Bekenntnis zum einen Gott auslegen und in der Welt leben, wie wir es kritisch einbringen gegen alle menschlichen Bestrebungen der Selbstüberhöhung und gleichzeitig versöhnend im Umgang mit Menschen anderer Grundüberzeugungen.
Fanatismus und Extremismus, mutwillige Zerstörungen und Verletzungen der Menschenrechte, ob in religiösem oder säkularem Gewand, widersprechen dem Bekenntnis zum einen Gott, weil hier der Unterschied zwischen Mensch und Gott nicht respektiert wird und Menschen sich aufschwingen, selbst Gott sein zu wollen. Religiös geprägte Zeiten wie der Fastenmonat Ramadan erinnern die Glaubenden und dann auch die Gesellschaft, in der sie leben, an diese Unterscheidung und an die daraus resultierende, mit guten Gründen auch in die Präambel des Grundgesetzes aufgenommene „Verantwortung vor Gott und den Menschen“.
Für die kommenden Wochen wünsche ich Ihnen eine ungestörte und friedliche Fastenzeit, gesegnete Begegnungen bei den abendlichen Zusammenkünften und am Ende des Ramadans ein fröhliches Fest des Fastenbrechens.