Gottesdienst mit allen Sinnen
Kirsti Greier, Theologische Referentin für Kindergottesdienst bei der EKD, spricht über aktuelle Herausforderungen in ihrem Arbeitsfeld
Was tut sich aktuell im Themenfeld Kindergottesdienst? Welche Themen werden diskutiert?
Kirsti Greier: Natürlich geht es viel darum, wie man dem Wandel begegnen kann. Kindheit hat sich ja doch rasant verändert – das ist nichts Neues, muss aber immer wieder neu überlegt werden. Aktuell läuft eine große Datenerhebung zum Kindergottesdienst. Wir haben festgestellt, dass Kindergottesdienste ganz unterschiedliche Teilnehmendenzahlen haben. Und darauf wird mit ganz verschiedenen Sachen reagiert: Die Formate sind dann eben nicht nur klassisch am Sonntagmorgen, aber das gibt es auch. Es gibt längere Formate am Samstag, Formate für kleinere Gruppen und welche, die eher projektartig, zum Beispiel quartalsweise mit riesigen Gruppen stattfinden. Das ist sehr verschieden.
Ein anderes Thema ist Beteiligung: Wie ist es, wenn die Kinder selbst bestimmen können und insgesamt mehr beteiligt werden? Auch da werden derzeit sehr unterschiedliche Formate ausprobiert. Ein Klassiker ist das Erzählen, das ist sozusagen unser Kerngeschäft. Und Geschichten erzählen können auch schon Zwölfjährige sehr gut, ebenso musikalische Dinge. Es gibt viele sehr junge Teamerinnen und Teamer zwischen 13 und 18 Jahren, die auch beteiligt werden.
„Themen, die Kinder und Erwachsene wirklich ernst nehmen“
Was uns auch beschäftigt ist, dass wir auch mit Erwachsenen zu tun haben, mehr als früher. Damals war ein Erwachsener mit fast hundert Kindern alleine, aber inzwischen haben wir oft auch die Eltern oder eine andere Bezugsperson mit im Angebot für Kinder. Hier geht es um Fragen wie: Was brauchen Familien heute? Was ist ihnen wichtig, wenn sie gemeinsam Gottesdienst feiern wollen?
Wichtig sind Themen, die Kinder und Erwachsene wirklich ernst nehmen. Und auch das kann wieder sehr unterschiedlich sein. Ein relativ neues Thema ist „Spiritualität in der Natur“. Das reicht von Pilgern mit Kindern bis zum Gottesdienst in der freien Natur. Es geht da um das Gestalten von dem, was man in der Natur findet und wie man die Schöpfung wahrnehmen und achtsamer werden kann. Auf der anderen Seite geht es aber auch verstärkt um Kirchraumpädagogik, also: Wie erlebe ich diesen besonderen Ort mit Kindern?
Was sind heute die größten Herausforderungen für den Kindergottesdienst?
Greier: Eine Herausforderung ist sicher der Umgang mit wechselnden Teilnehmenden. Es ist gar nicht so, dass die Zahl nur zurück geht, sondern dass die Teilnahme sehr unregelmäßig ist. Das spiegelt, dass der Kinderalltag immer weniger ritualisiert ist, sondern dass Kinder ein Wochenende hier, ein Wochenende da, mal bei einem Turnier und mal ganz woanders sind. Trotzdem wollen wir ein Angebot machen, das den Kindern gerecht wird. Und wo sie nicht das Gefühl haben etwas zu verpassen, wenn sie nur alle 14 Tage kommen. Das wird relevant, wenn wir uns Reihen ausdenken, die aufeinander aufbauen.
Eine andere Herausforderung ist der Umgang mit Kindern, die in einem Kontext aufwachsen, in dem Religion nicht selbstverständlich ist: Was bedeutet das für unsere Bilder, für unsere Art zu Erzählen und für unsere Rituale? Wie schaffen wir eine Atmosphäre, dass man da gut einsteigen kann? Hier geht es darum, offene Formen zu finden. Und dann sind wir auch wieder beim Thema Beteiligung und Inklusion: Wie bauen wir Barrieren ab, die vielleicht da sind? Wie können wir alle einladen?
Das Thema Teilnehmendenzahlen ist auch für den Gottesdienst mit Erwachsenen relevant. Gibt es da Parallelen zum Kindergottesdienst?
Greier: Ich habe eher den Eindruck, dass die Gottesdienste mit Erwachsenen sich etwas abschauen könnten bei den Gottesdiensten mit Kindern. Viele Erwachsene gehen gerne in Formate mit Kindern. Vielleicht finden sie dort etwas, was ihnen an anderer Stelle fehlt.
„Nicht für Kinder, sondern mit Kindern“
Kindergottesdienst ist toll, weil wir miteinander Gott feiern – also wie jeder andere Gottesdienst auch. Aber das Besondere ist, dass Kirche mit Kindern ein Gottesdienst mit allen Sinnen ist: Wir singen zusammen und wir hören zusammen. Wir fassen etwas an, während wir es gestalten. Wir werden still, wenn wir eine Kerze anzünden. Wir sagen nicht nur, dass wir etwas ablegen, sondern wir legen möglicherweise einen Stein oder etwas anderes ab, was Ballast symbolisiert. Es ist viel eindrücklicher, Dinge mit Leib und Seele zu erfahren. Außerdem ist es selbstverständlich, dass ästhetische Sachen in den Kindergottesdienst gehören, zum Beispiel die tragende Rolle von Musik und Liedern.
Jeder Gottesdienst sollte also mehr Kindergottesdienst sein?
Greier: Ja, das könnte man sagen. Deshalb lade ich jeden und jede ein, sich einfach mal gottesdienstliche Angebote mit Kindern anzuschauen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Kindergottesdienstes?
Greier: Eigentlich soll es so bleiben, dass an vielen Orten, in vielen Formen und mit vielen kreativen Ideen Gottesdienste mit Kindern gefeiert werden. Aber es darf ruhig noch mehr Beteiligung geben.
Wie meinen Sie das?
Greier: Kinder sollten gefragt werden, wenn Konzepte beschlossen, Aktionen geplant und Projekte überlegt werden. Es soll also nicht für Kinder, sondern mit Kindern gedacht und getan werden. Ich hoffe, dass sich das irgendwann auch in Strukturen von Gemeindeleitung oder Kirchenleitung abbildet, dass also bei der allgemeinen Gottesdienstkonzeption die Gottesdienste mit Kindern direkt mitgedacht und nicht losgelöst davon verstanden werden.
Interview: Lisa Menzel (für evangelisch.de)
Kirsti Greier arbeitet als Theologische Referentin für Kindergottesdienst / Kirche mit Kindern beim Comenius-Institut in Münster sowie beim Gesamtverband für Kindergottesdienst in der EKD e.V.
Das Interview wurde erstmals veröffentlicht am 29. Mai 2018.