„Jesus wäre auch auf Facebook“

Wie Kirchen in NRW soziale Medien nutzen

Fragen stellen, Gebete formulieren, diskutieren – auch außerhalb der Kirchenmauern. Die Kirchen in NRW versuchen, mit sozialen Medien mehr Menschen zu erreichen. Zum Beispiel mit Social-Media-Gottesdiensten, die man zu Hause mitfeiern kann.

Mann mit Smartphone in der Hand

„Für uns als Kirche ist wichtig, dass wir auf Social Media Menschen erreichen können, mit denen wir sonst nicht in Kontakt kommen“, sagt der Internetbeauftragte der Evangelischen Kirche im Rheinland, Ralf Peter Reimann. (Foto: Symbolbild)

„Sie sehen aus wie Batman“, zitiert ein Pfarrer einen Jungen, der ihn gerade im Talar gesehen hat. Eine Pfarrerin berichtet stolz, dass die Mädchen und Jungen nach dem Kindergottesdienst nun Gottesdienst und Taufe spielen. „Inklusive selbst gebautem Altar“, schreibt sie auf Twitter. Unter den Hashtags #WasPfarrerSoMachen und #WasPfarrerinnenSoMachen geben Geistliche in den sozialen Medien einen Einblick in ihren Arbeitsalltag. Sie wollen ihren Beruf verständlicher machen und darüber ins Gespräch kommen – nicht nur mit Kirchgängern.

Der Internetbeauftragte der Evangelischen Kirche im Rheinland, Ralf Peter Reimann, sieht großes Potenzial in Facebook, Twitter und Co für die Kirchen. „Für uns als Kirche ist wichtig, dass wir auf Social Media Menschen erreichen können, mit denen wir sonst nicht in Kontakt kommen“, sagt der Theologe. Denn wenn befreundete Nutzer kirchliche Beiträge teilen oder liken, werden sie auch ihren Freunden angezeigt. So vervielfachen Beiträge in sozialen Netzwerken die Reichweite.

„Jesus, der auch zu Zöllnern und Sündern gegangen ist, wäre sicherlich auch auf Facebook aktiv“, sagt Reimann. „Wir gehen bewusst dorthin, weil dort die Menschen sind – und nicht, weil wir bestimmte Netzwerke besonders gut fänden.“

Auch die lippische Landeskirche nutzt bewusst soziale Medien. Der lippische Social-Media-Pfarrer Wolfgang Loest bindet sogar so viele soziale Netzwerke wie möglich in seine Arbeit ein, wenn er „socialgodi“ feiert. Die Gottesdienste, die er mit Hilfe junger Leute organisiert, werden live im Internet übertragen. Gottesdienstbesucher und Internet-Zuschauer können in den sozialen Netzwerken Kommentare schreiben. Eine Leinwand im Kirchraum bildet die Beiträge ab, die teilweise auch vorgelesen und gemeinsam gebetet werden. Bislang feierte Loest vier dieser interaktiven Gottesdienste.

Das Ohr am Puls der Zeit haben

Loest, der Gemeindepfarrer im lippischen Horn ist, betont: „Wir müssen das Ohr am Puls der Zeit haben und Gelegenheiten nutzen.“ Als das Handyspiel „Pokémon go“ bei Jugendlichen beliebt war, verwandelte er mit Konfirmanden den Kirchenraum in den Startpunkt eines Turniers. Die Jugendlichen gestalteten dazu eine Andacht. Aktuell beschäftigt sich der Pfarrer mit 360 Grad-Videos und der Virtual-Reality-Technologie, um etwa neue Wege für Kirchenführungen zu entwickeln.

Den nächsten Social-Media-Gottesdienst plant Loest für Ende Oktober mit ökumenischer Beteiligung aus Ghana. Außerdem freut er sich auf einen „socialgodi“ mit Menschen mit geistiger Behinderung. „Das ist eine Zielgruppe, die sonst kaum sichtbar und gehört wird“, sagt Loest. Die sozialen Medien ermöglichten aber, dass sich jeder unabhängig von Alter, Geschlecht und geistigen Begabungen beteiligen könne.

Kommunikation des Evangeliums statt Verkündigung

Soziale Netzwerke wirkten demokratisierend, sagt der Social-Media-Pfarrer: Hierarchien und Strukturen verschwämmen. In einem „socialgodi“ ist es auch möglich, eigene Fürbitten zu formulieren und direkte Fragen zur Predigt zu stellen. Im Schutz der Anonymität teilten Gemeindemitglieder unbefangener ihre Gedanken, die sonst schlaflose Nächte bereiten könnten. „Dann gibt es plötzlich statt Verkündigung – einer redet und die anderen hören zu – eine Kommunikation des Evangeliums, also einen Dialog“, schwärmt Loest.

Allerdings können Diskussionen in sozialen Netzwerken nach Erfahrung des rheinischen Internetbeauftragten Reimann auch mühselig sein. Als Präses Manfred Rekowski jüngst Seenotretter auf Malta besuchte, wurden Berichte über die Reise in den sozialen Medien teilweise kontrovers kommentiert. Einige Nutzer hätten sich nicht von ihrer kritischen Meinung abbringen lassen, erzählt Reimann. Andere wiederum hätten sich nach einem Austausch für neue Informationen bedankt.

Den Austausch sieht Reinmann grundsätzlich positiv: „Wir sind häufig in unserer eigenen Filterblase“, sagt der Pastor. Diskussionen mit Menschen, die andere Meinungen vertreten, könnten helfen. Auch die Kirche müsse sich immer wieder öffnen: „Wir müssen schauen, wie wir aus unserer Offline-Filterblase Kirche herauskommen.“ Soziale Medien öffneten zudem die Gemeinden für neue Menschen.

Jana Hofmann (epd)