Abschied vom unermüdlichen Kämpfer für den Weltfrieden

Kofi Annan ist im Alter von 80 Jahren gestorben

Kofi Annan auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart im Jahr 2015

Kofi Annan auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart im Jahr 2015.

Einfache Aufgaben haben Kofi Annan nie gereizt. Der Ghanaer, der am 8. April seinen 80. Geburtstag feierte, kämpfte stattdessen unermüdlich dafür, Kriege zu beenden, die Welt zu versöhnen und die Armut zu lindern. Am 18. August schlief der ehemalige UN-Generalsekretär im Kreise seiner Familie nach kurzer Krankheit friedlich ein.
 
Sein größtes Vermächtnis ist es, dass er die Vereinten Nationen fit fürs 21. Jahrhundert machte. Dabei scheute er keine Konflikte. Als siebter UN-Generalsekretär überwarf Annan sich zwischen 1997 und 2006 sowohl mit der Weltmacht USA als auch mit Afrikas Potentaten. Dass er in seiner langen diplomatischen Karriere auch Fehler machte, gab er selbst als erster zu.

Annans „stille Revolution“

Von Annan wurde stets Großes erwartet: Seine Eltern stammten aus einer langen Linie traditioneller Herrscher in Westafrika. Als Ghana 1957 seine Unabhängigkeit von Großbritannien erlangte, Annan war 18, machte sein Vater Karriere und wurde schließlich Präsident der ersten ghanaischen Bank. Sein Sohn Kofi studierte in Ghana, den USA und in Genf, wo er 1962 seine Diplomatenlaufbahn begann. Abgesehen von drei Jahren als Ghanas Tourismusdirektor blieb er den Vereinten Nationen bis zu seiner Pensionierung treu.
 
Als Generalsekretär profitierte Annan zunächst davon, dass sein Vorgänger – der Ägypter Butros Butros-Ghali – sich mit den USA derart überworfen hatte, dass der damalige Präsident Bill Clinton für die zweite Amtszeit einen neuen Mann aus Afrika suchte. Annan hatte 1990 die Ausreise von knapp 900 UN-Angestellten und westlichen Staatsbürgern aus dem Irak ausgehandelt und als Sondergesandter im ehemaligen Jugoslawien ebenfalls eine gute Figur gemacht. Er wurde schnell zum Wunschkandidaten. Am 13. Dezember 1996 wählte ihn die UN-Vollversammlung – gegen den Widerstand zahlreicher Länder.
 
Annan stoppte das nicht. Bald nach seinem Amtsantritt kündigte er eine „stille Revolution“ bei den UN an. Im ersten Jahr verkleinerte er die Bürokratie, kürzte den Verwaltungshaushalt und ließ die Einsätze von UN-Soldaten, die er jahrelang geführt hatte, auf den Prüfstand stellen. Er bündelte die humanitäre Hilfe in einer neu geschaffenen Nothilfekoordination, gründete den UN-Menschenrechtsrat und ließ die Millenniumsziele zur Überwindung von Hunger und Armut erarbeiten, die im Jahr 2000 erstmals Erfolgsmaßstäbe für die globale Entwicklung festlegten.

„Ich hätte mehr tun sollen“

Noch wichtiger als die Reformen war das Charisma des Ghanaers: Aus der Organisation mit dem gestrigen Image des Kalten Kriegs machte Annan eine wirkliche Weltorganisation, in deren Zentrum „die Menschen“ stehen sollten, wie er immer wieder betonte. Sein Aufruf an das „kollektive Gewissen der Menschheit“ etwa, notfalls militärisch gegen Staaten vorzugehen, die ihre eigene Bevölkerung drangsalierten, traf den Nerv der Zeit – und erinnerte zugleich an eine seiner eigenen großen Niederlagen.
 
1994, Annan war als Untergeneralsekretär für die Einsätze der UN-Friedenstruppen zuständig, versagten die Blauhelme in Ruanda. Sie griffen im Völkermord nicht ein, mehr als 800.000 Menschen wurden ermordet. Annan sagte später: „Ich hätte mehr tun sollen, mehr warnen und Unterstützung mobilisieren müssen.“ Auch für das Versagen beim Massaker von Srebrenica, als militante Serben im Juli 1995 unter den Augen niederländischer Blauhelmsoldaten 8.000 Bosnier ermordeten, räumte Annan eine Mitverantwortung ein.
 
Bald wurde er zum Gesicht der Weltorganisation und zum Gewissen der Welt. Nur wenige Monate nach seiner Wiederwahl für eine zweite Amtszeit wurde Annan 2001 gemeinsam mit den UN der Friedensnobelpreis verliehen. Er habe der Organisation auf unübertroffene Weise neues Leben eingehaucht, erklärte das Nobelkomitee. Die Auszeichnung gab Annan noch mehr Unabhängigkeit – die er bald brauchte.

„Wir haben die Mittel und das Vermögen, unsere Probleme zu lösen, wir brauchen nur den politischen Willen“

Der Irakkrieg 2003 entfremdete ihn mit der US-Regierung unter George W. Bush. „Keine Nation kann sich Sicherheit verschaffen, indem sie die Vorherrschaft über andere sucht“, sagte Annan später in seiner letzten Rede als UN-Generalsekretär. Und meinte die USA. Die Rede klingt heute so aktuell wie damals.
 
Nach seiner Pensionierung vermittelte Annan 2008 in Kenia, wo politisch aufgeheizte Milizen ein Blutbad angerichtet hatten. Die Vermittlung im Syrienkrieg hingegen gab er auf. Doch über seine Stiftung mischte Annan sich bis zuletzt ein. Von seiner Wahlheimat in Genf aus kommentierte er aktuelle Streitfälle und rief zu globalem Zusammenhalt auf. „Wir haben die Mittel und das Vermögen, unsere Probleme zu lösen, wir brauchen nur den politischen Willen“, erklärte Annan am 7. August in seinem letzten Tweet.

Marc Engelhardt (epd)