Kontaktlos?

Es ist so schwer zu fassen, dass ein unsichtbares Etwas uns derzeit so sehr bedroht. Und doch wissen wir, dass das Virus existiert, dass die Bedrohung real ist. Zu Luthers Zeiten mag das anders gewesen sein. Man hatte nur eine ungefähre Ahnung von Ansteckungsbedingungen bei der Pest. Abstandhalten gehörte allerdings schon damals dazu. Und weil Luther dies wusste, nahm er sich als Person des Glaubens zurück. Aber er hörte nicht auf zu beten. So schreibt er: „So will ich Gott bitten, dass er uns gnädig sei und wehre. Danach will ich auch räuchern, die Luft reinigen helfen. Arznei geben und nehmen. Orte und Personen meiden, da man meiner nicht bedarf, auf dass ich mich nicht selbst verwahrlose und dazu durch mich vielleicht viele andere vergiften und anstecken und ihnen so durch meine Nachlässigkeit Ursache des Todes sein möchte.“ (Martin Luther zur Pestzeit, WA 23, 338 – 372)

Symbolbild - Abstand halten

Mich beeindruckt dieses Zitat, die Klarheit, mit der Luther das Risiko beschrieb und seine drastische Formulierung, dass er Sorge habe, zur „Ursach des Todes“ zu werden. Nächstenliebe, für andere dasein, jemanden in den Arm nehmen und trösten – das sind für uns selbstverständliche Wesensäußerungen unseres Glaubens. Wir wissen in der Seelsorge darum, was die Berührung einer Hand für einen Sterbenden bedeuten kann, wieviel Trost es bietet, wenn man manchmal stundenlang nebeneinandersitzt und Trauer und Schmerz miteinander aushält. Wir tun das, weil wir darauf vertrauen, dass Jesus die Ursache des Lebens ist. So hat Johann Ludwig Konrad Allen-dorf 1736 gedichtet:

Jesus ist kommen, die Ursach zum Leben.
Hochgelobt sei der erbarmende Gott,
der uns den Ursprung des Segens gegeben;
dieser verschlinget Fluch, Jammer und Tod.

Der Segen, den wir geben, soll „Fluch, Jammer und Tod“ nicht bringen, sondern verschlingen. Nun ist aber genau das die Sorge dieser Tage: der persönliche Kontakt bringt womöglich Jammer und Tod. Unser Bild davon, wie wir für andere da sind mit unserem Glauben, ist damit auf den Kopf gestellt.

Nicht auf den Kopf gestellt aber ist das, was Gott durch seinen Sohn für uns getan hat. Er bleibt die „Ursach zum Leben“. Und wie Luther sollten wir damit leben können, dass der Ausdruck unseres Glaubens sich im Moment radikal verändern muss, nicht aber unser Glaube an Gott, die „Ursach zum Leben“.

Susanne Hasselhoff
 

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