Seehofers „Masterplan Migration“ stößt auf Kritik
Hilfsorganisationen vermissen Bekenntnis zum Schutz von Menschen
Berlin (epd). Der von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgestellte „Masterplan“ zur künftigen Asyl- und Migrationspolitik stößt bei Hilfswerken und Kinderschutzorganisationen auf scharfe Kritik. Sie vermissen in dem Maßnahmenkatalog ein Bekenntnis zum Schutz von Menschen und sehen vor allem Kinder in Gefahr, die womöglich einen längeren Zeitraum in Sammellagern verbringen müssen.
Die Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland kritisierte einen „bedenklichen Grundtenor“ in dem Papier. Dominik Bartsch, Repräsentant des Hochkommissars in Deutschland, erklärte in Berlin: „Der Plan konzentriert sich nur auf Verschärfungen bei der Verwaltung und in Verfahrensfragen und vernachlässigt das Wichtigste: den Menschen.“ Ein Bekenntnis zum Schutz von Menschen, die in ihrem Herkunftsland bedroht seien, fehle völlig, kritisierte Bartsch.
Wohl und Schutz von Kindern vorrangig
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef Deutschland rief dazu auf, bei allen geplanten Maßnahmen das Wohl und den Schutz von Kindern jederzeit vorrangig zu behandeln. „Kein Kind darf zusätzlichen Schaden nehmen oder erneut Gefahren ausgesetzt werden“, erklärte Geschäftsführer Christian Schneider. „Dies gilt insbesondere für Einrichtungen, in denen Mädchen und Jungen mit vielen fremden Menschen auf engem Raum und über lange Zeiträume leben.“
Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ sprach von einem „Debakel für die Humanität“. Klaus Seitz, Leiter der Politikabteilung, kritisierte: „Zahlreiche Verschärfungen gegen Schutzsuchende werden postuliert, während kaum ein Wort darüber verloren wird, welche Verantwortung Deutschland gegenüber Flüchtlingen hat.“ Er fügte hinzu, es sei keinesfalls so, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge von Süden in den reichen Norden wandert. Die Hauptlast schulterten die armen Staaten selbst.
Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, hob hervor: „Die Herausforderung für unsere Gesellschaft liegt in der Integration der zu uns gekommenen Menschen.“ Dafür engagierten sich jeden Tag weiterhin Tausende von Haupt- und Ehrenamtlichen. „Nun verlieren sie die vorbehaltlose Rückendeckung der Politik“, kritisierte Lilie. Statt die Engagierten zu stärken, laufe der „Masterplan Migration“ denjenigen hinterher, die humanitäre Grundsätze aufkündigen wollten.
„Ein Dokument der Abschottung“
„Save the Children Deutschland“ kritisierte, dass der Masterplan die Interessen von Kindern an keiner Stelle berücksichtige. Die Weichen, die direkt bei der Ankunft gestellt würden, seien essenziell für ein gelingendes Ankommen der Jungen und Mädchen. Dazu gehörten der Zugang zu Gesundheitsleistungen und Bildung sowie umfassender Schutz.
Die Menschenrechtsorganisation „terre des hommes“ erklärte, der Maßnahmenkatalog sei „ein Dokument der Abschottung“. Vorstandssprecher Albert Recknagel verwies darauf, dass knapp die Hälfte der neuankommenden Flüchtlinge Kinder und Jugendliche seien. Anstatt ihre besondere Schutzbedürftigkeit ernst zu nehmen, wolle Seehofer die Rechte von Flüchtlingen auf ein absolutes Minimum reduzieren.
Der Paritätische kritisierte auch die verwendeten Begriffe. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, sagte: „Begriffe wie 'Anker-Zentren' sollen uns in die Irre führen. Es handelt sich um nichts anderes als Lager.“ Er fügte hinzu: „Wir erleben gerade, wie hier bei uns in Deutschland und Europa Menschenrechte mit Füßen getreten und ihre Universalität infrage gestellt wird.“
Auch nach Einschätzung der Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf, sind Menschenrechte in dem „Masterplan“ kaum zu finden. Sie erklärte, beharrlich werde die Schutzbedürftigkeit von Geflüchteten ausgeblendet. Flucht und Migration, die unterschiedliche Ursachen haben, würden miteinander vermischt. „Damit geraten die verbindlichen Menschenrechte der Betroffenen aus dem Blick“, sagte Rudolf.