"... und der Fremdling, der in deinen Toren ist."
- In den vergangenen Jahren ist es in Deutschland zu anhaltenden und tiefgreifenden Auseinandersetzungen um die politische und gesellschaftliche Gestaltung der Zuwanderung gekommen. Meist konzentrierte sich die Debatte auf die Bewältigung der zeitweise dramatisch steigenden Zahlen von Flüchtlingen und Asylsuchenden, die in unserem Land Schutz suchten. Die vielfältigen politischen und wirtschaftlichen Krisen, die Menschenrechtsverletzungen und Kriege in zahlreichen Regionen der Welt, vor allem aber die grundlegend gewandelten politischen Verhältnisse in Ost- und Südosteuropa mit dem Zusammenbruch ganzer politischer Systeme führten zu einem erheblich gewachsenen Zuwanderungsdruck. Bis zu dreiviertel aller Flüchtlinge und Zuwanderer kamen in den vergangenen Jahren aus dieser Region.
- Strittig war und ist dabei besonders die Frage, in welcher Weise von dieser Entwicklung das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention berührt werden dürfen. Eine Spannung zwischen dem politischen Erfordernis, die Zuwanderungszahlen zu steuern und zu begrenzen, und der unbedingten Gültigkeit dieser ethisch normativen Rechtsgüter tritt offen zutage. Dies wirkt sich um so schärfer aus, als ein politisch klares und überschaubares Konzept bisher nicht hinreichend entwickelt ist. In einem solchen Konzept könnten notwendige Steuerungselemente der Zuwanderung mit nachhaltigen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Fluchtursachen und zur Gestaltung des Aufenthalts von Flüchtlingen sowie der Integration von Zuwanderern in unserem Land verbunden werden. Erschwerend kommt hinzu, daß eine solche Politik auf europäischer Ebene erst recht in den Anfängen steckt.
- Die Kirchen haben sich in der Debatte mehrfach zu Wort gemeldet. Dabei wurde deutlich, daß über die aktuellen Stellungnahmen hinaus eine grundlegende Auseinandersetzung mit der Thematik dringend nötig ist.
- Das vorliegende Wort will die Tatbestände und umfassenden Zusammenhänge, in die eine Migrations-, Flüchtlings- und Asylpolitik gestellt ist, aufzeigen und ihre Orientierung am christlichen Menschenbild, an den allgemeinen Menschenrechten und an den Grundnormen einer gerechten Sozialordnung in Erinnerung rufen. Es gilt, gesellschaftliche und politische Voraussetzungen zu schaffen, damit das Recht der Menschen auf ein menschenwürdiges Dasein und eine gerechte Teilhabe an den Gütern dieser Erde möglichst umfassend zum Tragen kommt. Dies wird eine dauernde Aufgabe bleiben. Dabei gilt es zugleich, theologisch und politisch zu reflektieren, daß ein solches Ziel immer nur in Teilschritten angestrebt und verwirklicht werden kann. Das Wort will zugleich zur öffentlichen Debatte im kirchlichen Raum sowie in Gesellschaft und Politik beitragen, um Perspektiven für ein friedliches Miteinander von Einheimischen und Zuwanderern aufzuzeigen und Ausländerhaß und Fremdenfeindlichkeit zu begegnen.
- Das Wort bezieht die Aussiedler ausdrücklich in die Gesamtbetrachtung der Herausforderungen durch Migration und Flucht ein. Es handelt sich bei ihnen um eine besondere Gruppe von Migranten. Die deutschen Spätaussiedler, die aus den Aussiedlungsgebieten insbesondere der ehemaligen Sowjetunion, aber auch aus Polen und Rumänien, nach Deutschland kommen, sind keine Flüchtlinge, sondern haben als deutsche Volkszugehörige ein Recht auf Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland. Doch bedarf auch ihre Aufnahme und Eingliederung in das wirtschaftliche und soziale Leben in Deutschland der sozial verträglichen Gestaltung.