Morgenandacht zur EKD-Synode in Magdeburg am 9. November 2022
Synodale Lydia Metz und Synodaler Dr. Hans-Peter Schulz
- unredigierte Fassung -
Es gilt das gesprochene Wort
Synodaler Dr. Schulz: Wir haben uns bei der Vorbereitung dieser Andacht eigentlich erst kennengelernt, und wir haben mit Bedacht nicht den Text harmonisiert. Aber wir steigen mit einem Lied ein.
(Lied: „Ich singe dir mein Lied“)
Guten Morgen, Hohe Synode, liebe Präses Heinrich, meine Damen und Herren, liebe Brüder und Schwestern,
es ist eine besondere Ehre, bei einer Synodaltagung der Evangelischen Kirche in Deutschland eine Andacht zu halten. „Jugend“ und „Kirche“, das sind die zwei Stichworte, die wir thematisieren möchten.
Synodale Metz: Peter, meinst du, das ist ein guter Anfang einer Morgenandacht zum Thema
„Jugend“ und „Kirche“: Damen, Herren, Brüder, Schwestern? Ich fühle mich davon wenig angesprochen. Ich hätte die Morgenandacht eher so begonnen:
Guten Morgen! Schön, dass Sie sich und ihr euch gegen den dritten Kaffee und für die Teilnahme an der Morgenandacht entschieden habt, dass wir uns an diesem Morgen gemeinsam Raum nehmen und gegenseitig geben, um noch einmal zum Abschluss der Synode und den intensiven letzten Tagen zur Ruhe zu kommen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen, wie es euch geht, aber für mich haben die besten Begegnungen der letzten Tage auf zwei Quadratmetern im Aufzug stattgefunden.
Jedes Mal, wenn die Tür des Aufzugs aufgegangen ist, war ganz selbstverständlich, wir machen Platz: Platz für den Menschen, der sich genauso wie wir mit einem müden Gesicht auf den Weg zum Frühstück macht. „Platz machen und Räume schaffen“ ist auch die Thematik der heutigen Andacht.
Synodaler Dr. Schulz: Wir beziehen uns bei der Andacht auf den Evangelientext „Die Speisung der Fünftausend“. Jesus antwortete ihnen: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern. Und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben. Aber ich habe euch gesagt, ihr habt gesehen und doch nicht geglaubt. Alles, was der Vater mir gibt, wird zu mir kommen.“
Der Bezug: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. – Wir handeln nicht aus uns heraus und nicht für uns. Psychologisch gesprochen besteht eine Triangulation, die unser Glaubenshandeln und unsere Glaubenskommunikation leitet. Es ist eine Ich-Du-Beziehung im Hinblick auf Jesus Christus. Nun sind wir in der Situation, dass wir nicht den Anker in Jesus Christus verlieren, sondern dass das Du unseres Handelns, unser Gegenüber, sich zunehmend verflüchtigen könnte.
Bleiben wir kurz bei der Bibelstelle. Jesus baut in seinen Worten eine Spannung auf: Ihr habt gesehen, aber ihr glaubt nicht. – In dieser Spannung von Glauben und Unglauben besteht das Dreiecksverhältnis. Der Bezug zu Christus ist in der Aussage spürbar.
Synodale Metz: Wenden wir uns der heutigen Situation zu und gehen wir von der Jahreslosung aus: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. – Wenn ich den Satz so höre, frage ich mich, ist es nicht ein bisschen bequem: Sitzen und warten, bis jemand den ersten Schritt wagt und an die Tür klopft? Die viel wichtigere Frage wäre doch eher: Klopft überhaupt noch jemand an diese Tür? Und hören wir das leise Klopfen überhaupt noch? Sollte die Tür nicht besser durchgängig sperrangelweit offen stehen bleiben, oder haben wir sie zugeschlossen aus Angst, aus Angst, damit diejenigen, die drinnen im Warmen sitzen, auch dort bleiben und wir sie irgendwie nicht rauslassen?
Synodaler Dr. Schulz: Wie immer lassen sich für alle Positionen Erfahrungen und Belege finden: für diejenigen, die die Türen öffnen und in eine imaginäre Menge der sogenannten Kirchenfernen rufen, und für diejenigen, die den Wandel, der in unserem Falle mit einem Traditionsbruch, vermutlich radikalen Traditionsbruch, begleitet sein wird, nicht wahrhaben wollen.
Der Ausgleich zwischen beiden Sichtweisen lässt sich mit den Worten des Hamburger Theologen Matthias Kroeger auf den Punkt bringen, der das Verhältnis zwischen kirchlich- tradierter Glaubensform und freier Religiosität thematisiert. So wahr die von Kroeger benannte Spannung auch ist, so sehr hat sich die Welt seit 2004, dem Erscheinungsjahr des Textes, verändert.
Synodale Metz: Ich bin es ehrlich gesagt satt – satt, dass Zukunftsvisionen immer mit Traditionsbruch in Verbindung gebracht werden, satt, dass Generationen gegeneinander ausgespielt werden, satt, dass jungen Menschen die Rolle des rebellischen Aufbruchs zugeschrieben wird. Und doch ärgere ich mich darüber, dass ich mich anpasse, um bloß nicht aus der Reihe zu tanzen, mich nicht falsch auszudrücken oder gar zu kleiden.
Aber eigentlich braucht es doch beides. Wenn ich in den Aufzug steige, freue ich mich über die Begegnungen, Gespräche und die Nähe. Aber ich freue mich genauso, wenn die Tür dann wieder aufgeht.
Synodaler Dr. Schulz: Ich erspare Ihnen, hier auf die Freiburger Studie 2017 oder weitere Veröffentlichungen – auch der EKD – einzugehen.
Kirche erscheint hier als vergehende Institution, zumindest im Sinne der jetzigen institutionellen Formen, was man mühelos als reformatorische Tiefenbewegung einordnen könnte, aber auch Ängste auslöst. Es geht um Glauben und dann erst um Kirche.
Synodale Metz: Für mich war Kirche früher immer gleich Jugendarbeit, in der ich mich zwar in jeder Freizeitminute engagiert habe, um Kindern offene Räume zu schaffen, in denen ich selber aber nie einen Platz gefunden habe: zu alt für Pfarrfeste mit Dosenwerfen, zu wenig Zeit, um mich als Messdienerin zu beweisen, zu stur, um mich auf Reli in der Schule einzulassen, zu unmusikalisch, um im Kinderchor mitzusingen, zu ungläubig erzogen, um im Gottesdienst mitzusprechen, zu bibelfern, um mit den Buchstaben und Zahlen etwas für mein Leben anzufangen, zu jung für den ökumenischen Café-Treff sonntagnachmittags, zu ungeduldig, um zwei Stunden lang stillschweigend an einer Predigt teilzunehmen.
Zu lange habe ich gebraucht, um zu verstehen, dass nicht ich das Problem war oder nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein, sondern dass es schlicht und einfach zu wenig Räume gibt in der Kirche für junge Erwachsene zwischen Konfirmation und der Taufe des eigenen Kindes.
Synodaler Dr. Schulz: Es folgen drei Textzitate, die wir als Fürbitten verstanden wissen wollen. – Das hört sich jetzt zu streng an. Wir bitten, diese als Fürbitten aufzufassen.
Die Texte stammen von Jugendlichen der Wilhelmine-Fliedner-Gesamtschule in Hilden. Es ging ums Schreiben, und sie haben das Thema selbst gewählt.
Wir lesen die drei Texte wieder im Wechsel vor und werden es mit der Bitte „Herr, erbarme dich unser“ enden.
Synodale Metz:
„Wir vergleichen uns viel. Mit den ‚perfekten‘ Leben von Influencer:innen, den super schlanken Körpern von Models und den Talenten von den unterschiedlichsten Künstler:innen. Das verändert viel in uns.“
Synodaler Dr. Schulz: Herr, erbarme dich unser.
„Vieles hat mich wütend und traurig gemacht. Ich habe viel darüber nachgedacht, und es macht mir Angst, da ich nicht weiß, wie unsere Zukunft aussehen wird. Ich kann nicht sagen, ob ich meine Hoffnung auf eine Verbesserung schon aufgeben soll, da die momentane Situation so aussieht, dass es keine gute Aussicht für uns und die Welt geben wird. Trotz dessen versuche ich, meinen Optimismus zu bewahren.“
Herr, erbarme dich unser.
Synodale Metz:
„Mir ist es komplett unverständlich, wie Menschen engstirnig auf den Profit schauen, während sie die komplette Welt zerstören. Denn auch wenn sie damit viel Geld machen, was bringt ihnen das? Am Ende des Tages werden sie auch genauso wie die armen Menschen sterben. Nur wegen dieser Menschen wird es bald alle von uns treffen, und das früher, als es normal geschehen wäre.“
Herr, erbarme dich unser.
Synodaler Dr. Schulz: Herr, wir bitten, dass die Sorgen und Ängste gehört werden und die Synode sie in ihre künftigen Entscheidungen an erste Stelle setzt. Wir bitten auch, dass Gott in dem Bemühen, das Wunder des Lebens zu erhalten, Menschen zusammenführt, unsere Herzen für Begegnungen öffnet und Räume schafft, egal, für welches Alter, welches Geschlecht oder welche Religion und Herkunft.
Führen Sie diesen Gedanken doch einfach als stilles Gebet mit durch die Beratungen.
Synodale Metz: Zur Bekräftigung und zum Abschluss singen wir gemeinsam ein zweites Lied. Das Lied heißt „Weite Räume meinen Füßen”. Das wird in den evangelischen Studierendengemeinden immer viel gesunden. Wir haben heute Morgen wieder Musiker:innen hier vorne, die das einmal durchspielen. Dann sind Sie vertraut mit der Melodie und können beim zweiten Mal einsteigen. Ich warne allerdings schon einmal vor einem Ohrwurm.
(Lied: „Weite Räume meinen Füßen“)
Synodaler Dr. Schulz: Ich wünsche uns gute Beratungen.