Morgenandacht am 29. Oktober 2009
Dorothee Frey
Wir feiern diese Morgenandacht im Namen des Vaters des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.
Lied
Über diesem Tag steht ein Wort aus dem Propheten Joel:
Aus Joel 3,1:
Danach will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch.
Ergänzt wird der Vers mit einem Wort aus der Apostelgeschichte:
Gott, der die Herzen kennt, hat es bezeugt und den Heiden den heiligen Geist gegeben wie auch uns. Apg 15,8
Danach will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch.
Danach? Ja wonach eigentlich?
Joel malt uns eine Situation vor Augen die erstmal erschreckende Bilanz zieht. Das geliebte Gottesvolk liegt am Boden zerstört, wird bedroht von außen. Im Tempel findet kein Opfer mehr statt. Dieses besondere Zeichen der Beziehung zu Gott ist tot. Das Land ist nicht nur wirtschaftlich sondern viel schlimmer: geistlich ausgelaugt.
Manch guter Ansatz ist vielleicht vorhanden, aber insgesamt ist Gott den Herzen der Men-schen fremd geworden.
In diese Welt hinein ruft Joel:
Doch auch jetzt noch, spricht der Herr, bekehret euch zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen.
Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider, und bekehrt euch zu dem Herrn eurem Gott! Denn er ist gnädig und geduldig und von großer Güte.
Danach will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch.
Aber gelingt das aus eigener Kraft?
Ein Begriff taucht bei Joel zentral auf: das Herz.
Kehrt euch um von ganzem Herzen.
Er beschreibt das Herz als gefangen und vertstrickt. Als gebunden in vielerlei Hinsicht. Zer-reißt eure Herzen. Da spricht die Sehnsucht, dass der Knoten endlich platzen möge. Damit ein neuer Weg frei wird.
Wie ist das denn wenn wir unser Herz betrachten?
Die letzten Tage waren für uns alle spannend, im wahrsten Sinne des Wortes. Was hat da nicht alles unsere Herzen bewegt. Da war Hoffnung, da war Freude für ein neues Amt, Freude über die Leute die sich zur Verfügung gestellt haben.
Aber wir können hier doch ehrlich sein. Da war auch heißes diskutieren, abwägen, da waren angespannte Nerven, da war Missgunst, vielleicht Neid. Da waren Gerüchte, Verdächtigun-gen, nun so ist das halt sagen manche, so läuft das Spiel.
Aber das alles war auch in unseren Herzen vorhanden.
Und daneben ist doch noch so viel mehr was wir in unseren Herzen mit uns herumtragen.
Da sind Sorgen um mich und mein Auskommen. Werde ich meinen Platz finden? Wird meine Partnerschaft gelingen?
Sorgen mache ich mir, wenn ich an meine Zukunft denke, und an die Zukunft derer, die nicht mit den gleichen Chancen aufwachsen. Wie wird unsere Gesellschaft in Zukunft zusam-menleben können ohne Neid, Missgunst, Egoismus. Ich mache mir Sorgen, wenn Menschen mit extremen Einstellungen und wenig Dialogfähigkeit auftreten. Und wenn es zu Konflikten führt, sei es im religiösen, im zwischenmenschlichen oder im politischen Bereich.
Wie wird meine Zukunft gelingen, bei so vielen Faktoren auf die ich keinen Einfluss habe? Und werde ich es schaffen konsequent zu sein, in den Bereichen, auf die ich Einfluss habe?
Außerdem sorgen wir uns ja nicht nur um uns selbst und unser direktes Umfeld.
Sondern auch um unsere Gesellschaft.
Da sind Leute denen ich begegne, und die mein Herz nicht ruhig lassen.
Die Eltern, die ich beim Campingurlaub treffe, beide in Kurzarbeit.
Die Konfirmandenmutter, deren Mann sie wegen der religiösen Erziehung der Kinder belä-chelt. Die Eltern, die ihr Kind verloren haben, und überwältigt sind von Sprachlosigkeit und Trauer. Die Bäckerei, die den Familienbetrieb auflösen muss. Die Studentin, die trotz gutem Abitur und Stipendium nicht mehr weiter kann. Burnout. Den Nichtwähler, der aus lauter Frust über die Politik keine Stimme abgibt. Die Bekannte, deren Eltern sich getrennt haben, und sie im neuen Leben der beiden keinen Platz mehr hat.
Und ich denke, sie könnten diese Liste beliebig weiterführen. Jeder von uns, das ist nun wirklich kein Geheimnis, kennt das Leben nicht nur von seinen Sonnenseiten.
Wir haben uns die letzten Tage um die Kirche gesorgt, und gerungen um gute Leitlinien für die Zukunft. Auch um gute Personalentscheidungen.
Schließlich ist es unsere Aufgabe hier, gute Entscheidungen und Leitlinien für unsere Kirche zu finden.
Das wird von uns erwartet.
Im Matthäusevangelium lesen wir: Sorget euch um nichts. Das scheint für einen Erwachse-nen Menschen unmöglich.
Das Sorgen ist förmlich das Kennzeichen des erwachsenen Menschen.
Es bedeutet Verantwortung zu übernehmen, Sorge zu tragen. Sein eigenes Leben organisie-ren und meistern müssen. In Bewerbungssituationen, bei leidvollen Erfahrungen die plötzlich über einen herein brechen. Krankheit, Trennung, Betrug. Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit, oder wenn plötzlich andere Wegbrechen, und ich Fürsorge übernehmen muss.
Auf vieles haben wir Einfluss.
Das gilt für uns alle die wir heute morgen hier sitzen.
Wir haben viel an Verantwortung übertragen bekommen, jeder einzelne von uns.
Und vieles davon tragen wir gerne, mit Begeisterung und Vision. Aber kennen sie auch diese Zweifel und Sorgen?
Wie kann unser eigenes Leben gelingen? Wie komme ich mit meiner eigenen Kraftlosigkeit klar, die dann doch immer wieder deutlich wird.
Wo wird mein Sorgen eigentlich aufgefangen?
Wie kann ich wirklich für andere da sein?
Wie tragen wir das Evangelium in unsere Gesellschaft und in die Welt, so dass Leute davon betroffen und berührt werden, Heilsames und Trost spendendes erleben, und ihre Seele Nahrung bekommt. Auftanken kann.
Was kann ich denn erreichen? Kann ich zu diesem innersten Kern eines Mitmenschen vor-dringen, so dass er durch die Begegnung mit mir tatsächlich Trost erfährt , Perspektiven be-kommt, auftanken kann?
Und wie kann ich vor allem Selbst als Allererste diesem Gott, den wir in unserer Kirche ver-kündigen begegnen, wenn er meinem Herz zeitweise fremd wird?
Nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch.
Das ist zum Glück für uns kein schöner Weihnachtswunsch für die Zukunft. Am allerersten Pfingsttag wird dieses Wunder wahr.
Gott gießt seinen Geist aus. Er kommt
Gott, der „Ich bin da“ hat angefangen, seinen Namen zum Programm zu machen.
Gott der die Herzen kennt, hat es bezeugt, und den Heiden den Heiligen Geist gege¬ben, wie auch uns.
Dieses Wort steht über dem heutigen Tag.
Hier öffnet sich eine neue Dimension für unser Herz. Gott macht sich keine Illusionen über unser Herz. Er kennt uns. Ich glaube gerade darum kommt ER auf uns zu.
Nicht unser eigenes Herz so oft beschwertes Herz steht im Mittelpunkt. Sondern Gottes ge-ballter Erlöserwille für diese Erde, für alles Fleisch, für alle Unzulänglichkeit, für alle Schuld, für alles Versagen.
In unsere Menschlichkeit will er hineinkommen. Tröstend, liebend, versöhnend, heilend, vol¬ler Erbarmen. Einfach da.
Heute, bei unserer Arbeit, und wenn wir nach Hause gehen von dieser Synode ist er bei uns mit seinem Segen.
Und er ist dabei seinen Geist auszusenden. In diese Kirche, in diese Welt, in dieses Land… In unser eigenes Herz.
Das ist doch eine ermutigende und entlastende Botschaft für diesen Tag.
Nicht wir sitzen im Regiment und lassen uns von Gott das „absegnen“ was wir tun. In Gottes Reich gibt es keine Manager. Sondern Geliebte Kinder Gottes.
Als solche werden wir von ihm berufen in seinen Dienst.
Wir dürfen im Vertrauen auf unseren himmlischen Vater leben, der sein Reich baut. Mit uns.
Amen