Neue Perspektiven auf die Taufe
epd-Dokumentation zur jüngsten Dialogtagung von EKD und Freikirchen erschienen
Die Taufe steht für die Gemeinschaft der Christen. Umso mehr schmerzt es, wenn sich einzelne Kirchen gegenseitig die Gültigkeit der Taufpraxis absprechen. Seit vielen Jahren sprechen die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der Verband Evangelischer Freikirchen deshalb über ihre unterschiedlichen Auffassungen in Bezug auf die Taufe. Vor allem die Kindertaufe stellen die Freikirchen infrage. Im März vergangenen Jahres fand dazu eine Dialogtagung in der Theologischen Hochschule in Reutlingen statt, deren Ergebnisse in einer epd-Dokumentation nachzulesen sind. Ein Gespräch mit Bischöfin Petra Bosse-Huber, der Vizepräsidentin des Kirchenamts der EKD und Leiterin der Hauptabteilung Ökumene.
EKD: Bischöfin Bosse-Huber, die Kindertaufe ist ein alter Streitpunkt und gilt deswegen als Trennlinie zwischen den evangelischen Kirchen. Worin bestehen die theologischen Unterschiede?
Petra Bosse-Huber: Die Unterschiede bestehen heute nicht mehr in grundsätzlich unterschiedlichen theologischen Aussagen. Es sind Akzente. Mit der Kindertaufe betonen wir in den Landeskirchen sehr, dass Gott jeden Menschen liebt, ohne dass er eine Leistung erbracht hat. Die Bedingungslosigkeit drückt sich in der Kindertaufe aus, denn ein Kind kann nichts zu seinen eigenen Gunsten tun. Und Gottes Versprechen, dass er immer für das Kind da sein wird, drückt sich darin bedingungslos aus. Viele Freikirchen haben stärker betont, dass es eine mündige Antwort auf die Taufe geben muss, und haben deswegen die Erwachsenentaufe in den Vordergrund gestellt.
Das war in der Kirchengeschichte ein großer Graben zwischen den Landeskirchen und den Freikirchen. Inzwischen wird die Bedingungslosigkeit der Liebe Gottes von beiden Seiten betont. Es sind nur unterschiedliche biografische Stationen, an denen getauft wird.
Wie ist es zu verstehen, dass manche Kirche beide Formen praktizieren?
Auf freikirchlicher Seite sind das zum Beispiel die Methodisten, die sowohl die Kindertaufe als auch die Erwachsenentaufe praktizieren. Bei dieser doppelten Taufpraxis besteht kein Unterschied zu den Landeskirchen. Denn anders als vor 50 Jahren taufen wir mittlerweile viele Erwachsene, die lange keinen Bezug zum Glauben hatten. Und es gibt viele Jugendliche, die sich mitten in der Pubertät taufen lassen. Darin unterscheidet sich unsere Taufpraxis nicht von der der Methodisten.
Die Grenzen verwischen. Es gibt weiterhin Freikirchen, die selbst nur Erwachsene taufen, aber sehr wohl die Kindertaufe akzeptieren. Die harten Kontraste gibt es nur noch an wenigen Stellen. Das Grundverständnis, dass es aber eine mündige Antwort des Menschen geben muss, das teilen wir inzwischen uneingeschränkt.
Bei der Tagung sprachen Sie von einem Neuaufbruch. Welche neuen Perspektiven und Zugänge bei der theologischen Deutung der Taufe haben sich ergeben?
Vor dem Hintergrund des Reformationsjubiläums haben wir uns gefragt, was uns eigentlich von anderen Kirchen trennt, auch von unseren Partnern in den Freikirchen. Das historisch belastete Thema der Taufe liegt da natürlich obenauf. Das Interessante war, dass die Unterschiede zwischen manchen Freikirchen größer sind als zwischen manchen Freikirchen und den Landeskirchen. Wir haben eine Vielfalt von Taufpraxen entwickelt, mit denen wir uns den Freikirchen angenähert haben. Wir haben uns in einem jahrzehntelangen Prozess aufeinander zubewegt. Das hat auch die Dialogtagung sehr deutlich gezeigt.
Diese Entwicklung schafft viele Möglichkeiten. Wir können von alten Abgrenzungen Abstand nehmen.
Wie erklären Sie sich diese theologische Bewegung auch innerhalb der einzelnen Konfessionen?
Wir sind in einer anderen Welt unterwegs als zur Zeit der Reformation. Wir haben als Gegenüber eine viel säkularere Gesellschaft. Das Christentum wird nicht dadurch glaubwürdiger, dass sich möglichst viele Konfessionen drastisch voneinander unterscheiden. Sondern dadurch, dass sie gemeinsam ihre Botschaft glaubhaft in einer religiös unmusikalischen Welt verkünden. Bei der Taufe ist das die Liebe Gottes, auf die man irgendwann eine Antwort gibt, sei es als Kind, Jugendlicher oder Erwachsener.
Unterm Strich scheint doch eine Ungleichzeitigkeit im lutherischen Verständnis des Sakraments zu bleiben, wenn man von „gestreckter“ oder „nicht abgeschlossener“ Handlung spricht, um diese beiden Zeitpunkte zu formulieren. Wie ist das evangelische Verständnis?
Spätestens seit dem Erscheinen der letzten Taufagende (LINK) haben die lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen ein erweitertes Verständnis entwickelt. Man spricht vom „Taufweg“. Man hat also viel stärker in den Blick genommen, dass die Taufe keine einmalige Handlung ist, sondern dass wir ein Leben lang auf diesem Taufweg unterwegs sind. Das kann mit einer Kindertaufe beginnen oder einer Kindersegnung, die später in eine Konfirmandentaufe mündet.
Damit haben wir einen neuen Fokus. Es geht nicht so sehr um ein bestimmtes Datum, sondern um die Frage, ob ich mich in meinem Glauben weiterentwickelt habe. Es geht um den eigenen Weg als Christ mit Gott und auf Gott zu.
Wird so Luthers Verständnis von der Gnade Gottes ausreichend akzentuiert?
Das ist ganz nah bei Luther. Denn er hat davon gesprochen, dass wir als Christen zugleich Sünder und Gerechtfertigte sind. Dass wir nicht nur einer Taufe bedürfen, sondern auch des Weges, dass wir immer wieder Buße tun müssen, dass wir immer wieder der Vergebung bedürfen.
Wie gehen die Freikirchen mit dieser Entwicklung in den Landeskirchen um?
Die Freikirchen sind keine homogene Landschaft. Sie haben einen ähnlich pluralen Wandlungsprozess hinter sich wie die EKD. Ich sprach schon von den Methodisten, die ganz regulär Kinder und Erwachsene taufen. Es gibt Freikirchen, da tritt man ohne das ein, was man früher polemisch „Wiedertaufe“ nannte. In fast allen Freikirchen wird auf eine Wiederholung der Taufe heute ausdrücklich verzichtet, weil sich ein gemeinsames Verständnis der Taufe entwickelt hat.
Die Gespräche sind in einen Prozess der Versöhnung eingebunden. Welchen Beitrag zur Überwindung der alten Vorurteile leisten sie?
Der Dialog versucht, das jeweils Eigene als Ausdruck des Reichtums in der Ökumene zu begreifen. Gleichzeitig wollen wir ausmessen, wieviel Gemeinsamkeit es schon gibt. Dazu gehört auch immer auszusprechen, dass die Landeskirchen als die mächtigeren Kirchen in der Vergangenheit viel Schuld auf sich geladen haben, in dem sie die Freikirchen diskriminiert und teilweise auch verfolgt haben. Das zu benennen, gehört zu einem redlichen Umgang mit der Geschichte. Auch das hatte seinen Platz auf der Dialogtagung. Es geht nicht nur um die harmlose Seite der Annäherung, sondern auch um die trennende Schuld und Vergebung.
Was ist das Ziel der Gespräche?
Als gute ökumenische Gemeinschaft, als glaubwürdige Christinnen und Christen sichtbar zu werden. Je besser man sich kennt, je klarer man sich verabredet, desto glaubwürdiger wird das Zeugnis von Jesus Christus sein.
Begegnung und Erfahrungsaustausch der Vereinigung Evangelischer Freikirchen e.V. (VEF) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Theologische Hochschule Reutlingen, 6. bis 7. März 2019 epd-Dokumentation Nr. 14, 2020
Online lesenepd-Dokumentation bestellen
Bestellen per E-Mail