Rau: Menschenwürde gilt auch für Embryos im Reagenzglas
Ablehnung von biologischer Selektion
Berlin (epd). Bundespräsident Johannes Rau hat sich mit Blick auf die Gentechnik gegen jegliche Form von biologischer Selektion ausgesprochen. Auch einem Embryo im frühesten Stadium im Reagenzglas müsse die Menschenwürde zuerkannt werden, die nicht gegen andere Rechtsgüter abgewogen werden dürfe, sagte Rau am Freitag nach seinem vorab verbreitetem Manuskript bei einer Tagung zu Ethik und Behinderung in Berlin.
Angesichts der neuen Möglichkeiten der Biotechnologie gehe es nicht in erster Linie um wissenschaftliche Fragen, sondern um Wertentscheidungen, betonte Rau. Die Menschen müssten sich fragen, ob sie tun dürften, was sie technisch könnten. Der Bundespräsident sprach sich daher eindeutig gegen die genetische Untersuchung von Embryos vor der Einpflanzung in die Gebärmutter (Präimplantationsdiagnostik) aus.
Die Abtreibung von Föten mit einer Behinderung stellte er kritisch in Frage. Rau warnte vor vorschnellen moralischen Urteilen, aber die Zahl von jährlich mehr als 100.000 Abtreibungen in Deutschland könne niemanden gleichgültig lassen.
Der Wunsch, Behinderungen abzuwenden, dürfe nicht dazu führen, dass behinderte Menschen abgelehnt oder an den Rand der Gesellschaft gedrängt würden, appellierte Rau. Menschen mit Behinderungen müssten als Menschen ernst genommen werden und bräuchten Respekt. «Menschen nicht künstlich unselbstständig machen und abhängig halten, auch das ist eine Frage der Menschenwürde», sagte der Bundespräsident.
Rau würdigte zugleich die Verbesserungen der Lebensbedingungen für viele behinderte Menschen in den vergangenen Jahren. Auch die Einstellung nicht-behinderter Menschen zu Behinderungen habe sich positiv verändert. So plädierten einer Umfrage zufolge 70 Prozent der Bevölkerung dafür, dass Kinder mit Down-Syndrom zu Hause von den eigenen Eltern betreut werden. Der Gesetzgeber fördere die aktive Teilhabe von Behinderten in allen Lebensbereichen.