EKD zieht sich aus ökumenischem Bibel-Projekt zurück
Von Rainer Clos (epd)
Frankfurt a.M. (epd). Es war brisante Post, die der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, am Mittwoch in Frankfurt dem Mainzer Kardinal Karl Lehmann persönlich übermittelte. Für den Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz enthielt das Schreiben eine Absage, deren Rückwirkung auf das ökumenische Klima noch nicht völlig abzuschätzen ist. Die evangelische Kirche wird sich danach an der angestrebten Revision der so genannten Einheitsübersetzung der Bibel nicht beteiligen, lautet die von Lehmann am Donnerstag mit Enttäuschung und Bedauern registrierte Botschaft.
«Einheitsübersetzung» hat sich als Name für die Bibelübersetzung von 1978 eingebürgert, die zunächst als einheitliche Übersetzung der deutschsprachigen katholischen Diözesen angelegt war. An der Übertragung der Psalmen und des Neuen Testaments aus den Ursprungstexten beteiligten sich auch evangelische Fachleute. Dies führte dazu, dass vor mehr als einem Vierteljahrhundert diese Bibelteile auf katholischer und evangelischer Seite als ökumenischer Text gebilligt wurden. Die Einheitsübersetzung gewann damit ein besonderes Gewicht für das Miteinander der Kirchen.
Für die katholische Kirche gehört die Neubearbeitung der Einheitsübersetzung, die seit Ende der 70er Jahre vor allem bei ökumenischen Anlässen Verwendung fand, zu einem umfassenderen Projekt. Denn die Revision steht in engem Zusammenhang mit der ebenfalls geplanten Neufassung des katholischen Messbuchs und der Überarbeitung des Gebet- und Gesangbuchs «Gotteslob». Alle drei Vorhaben sind wegen der Bezugstexte eng miteinander verschränkt.
In den Leitungsgremien der EKD hat man sich deshalb den Ausstieg aus dem seit mehreren Jahren betriebenen Übersetzungsprojekt keineswegs leicht gemacht. Für Bauchschmerzen auf evangelischer Seite hinsichtlich der Zusammenarbeit sorgte vor allem das vatikanische Dokument über den «Gebrauch der Volkssprachen bei der Herausgabe der Bücher der römischen Liturgie» von 2001. Den Vorgaben dieser römischen Instruktion könne nicht zugestimmt werden, begründete Bischof Huber den vom EKD-Rat Anfang September gebilligten Rückzug.
Vor allem das Risiko, in strittigen Fragen überstimmt zu werden, schürte evangelische Zweifel, ob ein faires Konsensverfahren möglich sei, heißt es aus dem EKD-Kirchenamt ergänzend. Bischof Huber folgert: «Dadurch wird es der evangelischen Seite unmöglich gemacht, sich an der Revision zu beteiligen und die 'Einheitsübersetzung' der Psalmen und des Neuen Testaments auch künftig als ökumenischen Text zu bewahren.»
Besorgnis, die Ökumene gerate durch den evangelischen Ausstieg aus der Revisionsarbeit an der «Einheitsübersetzung» in die Krise, hält der künftige EKD-Kirchenamts-Präsident Hermann Barth für unbegründet. Dieser Schritt sei eher symbolischer Art und in der Substanz werde sich deshalb an der engen evangelisch-katholischen Zusammenarbeit nichts ändern.
Der EKD-Ratsvorsitzende stellt klar, die entscheidende Gemeinsamkeit bleibe davon unberührt. Denn die Kirchen verbinde derselbe biblische Text. Deshalb bleibe die Bibel das «stärkste Band, das die christlichen Kirchen miteinander verbindet», bemüht sich Huber um eine Glättung möglicher ökumenischer Irritationen. Kardinal Lehmann erklärte in einer ersten Reaktion, es sei eine «erhebliche Belastung, wenn gerade im Land der Reformation, wo wir über ein Vierteljahrhundert schon auf eine gemeinsame Übersetzung zurückgreifen konnten, dieses gemeinsame Zeugnis unterbrochen wird.»
08. September 2005