EKD-Kulturbeauftragte: Sterbeprozess nicht zum Kunstwerk machen

Berlin (epd). Die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bahr, hat die Pläne des Künstlers Gregor Schneider kritisiert, der im Museum ein Sterbezimmer einrichten will. Dem "Skandal des menschenunwürdigen Sterbens lässt sich nicht durch einen kalkulierten Skandal im Medium der Kunst beikommen", erklärte Bahr am Mittwoch auf Anfrage dem epd. Die "Ästhetisierung des Sterbeprozesses zum Kunstwerk" gebe dem Sterben nicht jene Würde zurück, deren Abwesenheit Schneider zu Recht beklage.

Schneider habe mit seiner bloßen Ankündigung aber schon einen "Nerv unserer Gesellschaft getroffen", bevor sein Projekt realisiert sei. Bahr: "Vielleicht ist das in Wahrheit seine Kunst: dass es die Realisierung gar nicht mehr braucht."

Es sei das Paradox des Umgangs mit dem Tod, auf den die bloße Ankündigung Schneiders aufmerksam mache, fügte Bahr hinzu. Einerseits sei der Tod sichtbar wie nie. "Es wird unverschämt öffentlich gestorben", erklärte Bahr mit Blick auf TV-Bilder von Bombenopfern aus Krisenregionen. "Gleichzeitig halten wir uns den Tod mit allen Tricks des modernen Lebens vom Leib." Deshalb treffe die Sehnsucht des Künstlers nach einem Raum, wo sterben wieder menschenmöglich ist, auf das Anliegen der Kirche, räumte Bahr ein.

Bahr stellte zugleich in Frage, ob das Sterben "schöner" wird, weil ein Mensch im Museum stirbt. "Wird das Leiden weniger und der Schmerz geringer, weil dieser Mensch vor den Augen des Kunstbetriebs seinen Lebensatem aushaucht?", fragt die EKD-Kulturbeauftragte: "Gegen die Einsamkeit des Sterbens eine Gruppe von Voyeuren aufzubieten schlägt wohl in Zynismus um."

Der 39-jährige Installationskünstler Schneider plant Medienberichten zufolge eine Performance mit einer "Person, die entweder eines natürlichen Todes stirbt oder kurz zuvor gestorben ist". Damit wolle er "die Schönheit des Todes" zeigen, wie er in der Londoner Kunstzeitschrift "The Art Newspaper" erklärte. Als Wunschort nannte er das Krefelder Museum Haus Lange. Schneider hatte erklärt, die Aktion könne auch in seinem Studio in Mönchengladbach-Rheydt stattfinden.

23. April 2008

EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr


Pläne für Kunst-Sterbeaktion weiter in Kritik

EKD warnt vor Voyeurismus

Bestatterverband: Tabubruch

Frankfurt a.M. (epd). Der Plan des deutschen Konzeptkünstlers Gregor Schneider, einen sterbenden oder toten Menschen in einem Museum zu zeigen, stößt weiter auf Kritik. Dem "Skandal des menschenunwürdigen Sterbens lässt sich nicht durch einen kalkulierten Skandal im Medium der Kunst beikommen", erklärte am Mittwoch die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bahr. Der Bundesverband Deutscher Bestatter bezeichnete die Pläne für die Sterbe-Aktion als Tabubruch.

Die "Ästhetisierung des Sterbeprozesses zum Kunstwerk" gebe dem Sterben nicht jene Würde zurück, deren Abwesenheit Schneider zu Recht beklage, so Bahr. Schneider habe mit seiner bloßen Ankündigung aber schon einen "Nerv unserer Gesellschaft getroffen". Es sei das Paradox des Umgangs mit dem Tod, auf den Schneider aufmerksam mache, fügte Bahr hinzu. Einerseits sei der Tod sichtbar wie nie. "Es wird unverschämt öffentlich gestorben", erklärte die Theologin mit Blick auf TV-Bilder von Bombenopfern. "Gleichzeitig halten wir uns den Tod mit allen Tricks des modernen Lebens vom Leib."

Deshalb treffe die Sehnsucht des Künstlers nach einem Raum, wo Sterben wieder menschenmöglich ist, auf das Anliegen der Kirche, räumte Bahr ein. Sie stellte zugleich in Frage, ob das Sterben "schöner" wird, weil ein Mensch im Museum stirbt. "Wird das Leiden weniger und der Schmerz geringer, weil dieser Mensch vor den Augen des Kunstbetriebs seinen Lebensatem aushaucht?", fragt die EKD-Kulturbeauftragte: "Gegen die Einsamkeit des Sterbens eine Gruppe von Voyeuren aufzubieten, schlägt wohl in Zynismus um."

Kerstin Gernig vom Bundesverband Deutscher Bestatter erklärte, wer alle Grenzen zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit einreiße, steuere auf eine würdelose Gesellschaft zu. Geburt oder Sterben sei das Intimste, was es überhaupt gibt. Dies dürfe nicht in eine öffentliche Sphäre geholt werden, sagte Gernig in Düsseldorf dem epd.

Dem Künstler warf Gernig vor, allein mediale Aufmerksamkeit und Provokation zum Ziel zu haben: "Beides ist ihm gelungen." Ein Skandal wäre es, wenn sich ein Museumsdirektor finden würde, der zur Mitarbeit bereit wäre. Schneider tue so, als ob sein Anliegen - auf die zunehmende Anonymität des Sterbens aufmerksam zu machen - völlig neu wäre, kritisierte Gernig weiter. Dabei ignoriere er, "dass wir eine große Hospizbewegung in Deutschland haben." Dort gebe es bereits seit langem Räume, wo man würdevoll sterben könne.

Der Konzeptkünstler Schneider (39) hatte eine Performance mit einer Person angekündigt, "die entweder eines natürlichen Todes stirbt oder kurz zuvor gestorben ist". Damit wolle er "die Schönheit des Todes" zeigen, wie er in der Londoner Kunstzeitschrift "The Art Newspaper" erklärte.

Als Wunschort nannte er das Krefelder Museum Haus Lange. Die Einrichtung erteilte ihm Medienberichten zufolge allerdings bereits eine Absage. Schneider hatte erklärt, die Aktion könne auch in seinem Studio in Mönchengladbach-Rheydt stattfinden. In einem Zeitungsinterview berichtete der Künstler inzwischen, dass er wegen der geplanten Aktion bereits Morddrohungen erhalten habe.

23. April 2008