Bundesweites Gedenken an Holocaust-Opfer
Berlin (epd). Bundesweit ist an die Opfer des Holocaust erinnert worden. Der Bundestag rückte in diesem Jahr die Opfer der "Euthanasie"-Morde in den Mittelpunkt. In einer Gedenkstunde wurde die schleppende Aufarbeitung der Morde an Kranken und Behinderten kritisiert. Sigrid Falkenstein, deren Tante Anna Lehnkering in einer Tötungsanstalt ermordet wurde, sagte, die Opfer von "Euthanasie" und Zwangssterilisation seien lange vom öffentlichen Gedenken ausgeschlossen gewesen. Falkenstein beklagte: "Eine Anerkennung als NS-Verfolgte und Gleichstellung mit anderen verfolgten Gruppen wird ihnen bis heute versagt."
Der 27. Januar wurde 1996 in Deutschland zum Holocaust-Gedenktag erklärt, seit 2006 wird an diesem Tag auch weltweit der Opfer gedacht. Anlass ist die Befreiung des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945.
Gedenkort gebe Opfern einen Teil ihrer Würde zurück
Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kritisierte, dass die Aufarbeitung der Morde an Kranken und Behinderten lange Zeit nicht stattgefunden habe. Er verwies auf den erst 2014 eröffneten Gedenk- und Informationsort an der Tiergartenstraße 4. Dort befand sich die Behörde, in der der massenhafte Mord an Behinderten und Kranken in der NS-Zeit geplant wurde. Das Programm erhielt den Decknamen "T4".
An der Gedenkstätte an der Tiergartenstraße erinnerte die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, an die "Euthanasie"-Opfer. Der Gedenkort gebe ihnen einen Namen. Er gebe den ermordeten Männern, Frauen und Kindern einen Teil ihrer Würde zurück, sagte die ehemalige Paralympionikin.
"Ein besonders schmerzhafter Teil unserer Geschichte"
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie erinnerte daran, dass auch in diakonischen Einrichtungen Menschen Opfer der "Euthanasie" wurden. "Für die Diakonie ist das ein besonders schmerzhafter Teil unserer Geschichte", schrieb er in einem Beitrag auf seinem Blog. Nur an wenigen Orten habe sich wirklicher Widerstand gegen die Morde und Zwangssterilisationen geregt.
Auch der 500.000 von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma wurde gedacht. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte bei einem Gedenken am Sinti- und Roma-Mahnmal gegenüber dem Berliner Reichstagsgebäude: "Wir, die Nachfahren der Nationalsozialisten, stehen tief in ihrer Schuld und verbeugen uns vor den Toten." Es werde Zeit, dass die etwa 70.000 in Deutschland und zwölf Millionen in ganz Europa lebenden Sinti und Roma als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden.
Keinen Platz für Intoleranz
In Thüringen sorgte der AfD-Politiker Björn Höcke bei der Gedenkveranstaltung in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar für eine Provokation. Höcke, der in einer Rede in Dresden vor kurzem von einem "Mahnmal der Schande" im Zusammenhang mit dem Holocaust-Denkmal sprach, wurde zuvor von der Gedenkstättenleitung mitgeteilt, dass er dazu nicht willkommen sei. Trotzdem reiste Höcke an – und fuhr wieder ab, nachdem ein Mitarbeiter nochmals bekräftigte, dass er an diesem Tag unerwünscht sei. Zuvor hatte der Thüringer Landtagspräsident Christian Carius (CDU) Höcke vor einer Gedenkstunde im Landesparlament aufgefordert, dort nicht anwesend zu sein, wenn er sich nicht für die Rede entschuldige.
UN-Generalsekretär António Guterres rief anlässlich des internationalen Gedenktags zum entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus auf. Nach dem Horror des 20. Jahrhunderts dürfe es im 21. Jahrhundert keinen Platz mehr für Intoleranz geben, betonte er in New York.
27. Januar 2017