„Eine eigene Linie der kritischen Aneignung Karl Barths“
Südkoreanerin Meehyun Chung erhält Karl-Barth-Preis 2006
Die aus Südkorea stammende Theologin Meehyun Chung ist am heutigen Mittwoch, 30. August, in Berlin mit dem Karl-Barth-Preis 2006 der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) ausgezeichnet worden. Ihr Weg sei repräsentativ für die „insgesamt bemerkenswerte Aufnahme der Gedanken Karl Barths in den fernöstlichen Ländern“, sagte Wilhelm Hüffmeier, Präsident der UEK-Kirchenkanzlei, in seiner Laudatio zur Preisverleihung. Hüffmeier würdigte Frau Chungs „eigene Linie der kritischen Aneignung Barths“, die „auch für die Beschäftigung mit Barth in unseren Ländern lehrreich ist“. Frau Chung ist die erste Frau, die den mit 10.000 Euro dotierten Karl-Barth-Preis erhält.
Die Arbeit der Theologin zeichne sich zum einen dadurch aus, dass Frau Chung „zu den ersten in Korea gehörte, die Barth konsequent auf deutsch studiert“ habe, so Präsident Hüffmeier. Sie wolle sich darüber hinaus als koreanische Theologin den Herausforderungen der Theologie Barths stellen und sie unter den Herausforderungen koreanischer Wirklichkeit erproben. „Gerade die Entschlossenheit, mit der sie diese Spannung austrägt, macht ihren Beitrag zum Gespräch der Theologien so fruchtbar.“ Mit der kritischen Treue zur Herkunft habe auch die exemplarische Achtsamkeit zu tun, mit der Frau Chung den Dialog mit den alten religiösen, schamanistischen Traditionen ihres Landes führe, betonte Hüffmeier. Barths Theologie leite zur kritischen Prüfung der Religionen an, statt sie pauschal zu verwerfen.
Hüffmeier wies auch auf die besondere Deutung hin, die Frau Chung den Erörterungen, den Positionen und Negationen Karl Barths im Ost-West-Konflikt gebe. Diese Deutung sei auch von der Last der bis in ihre Familie reichenden Spaltung Koreas beeinflusst. Sie weise Wege aus unfruchtbaren Antistellungen und Drohgebärden heraus zu gegenseitiger realistischer Wahrnehmung und vor allem zu Gesprächen. Schließlich sei Frau Chung nicht nur in einer historisch-kritischen Interpretation der Äußerungen Barths zur Genderfrage zu einem fruchtbaren Verständnis dieser Texte vorgestoßen. Sie zeige, wie „Beziehung und Partnerschaft“ von Barth als essentiell für die „Freiheit von Mann und Frau“ herausgestellt werden. Zugleich stellt sie Barths Beitrag zur Genderfrage „in den Kontext seiner evangelischen Kritik an den politischen, gesellschaftlichen und auch religiösen Herrschaftsideologien“, unterstrich Hüffmeier.
Die Theologie Karl Barths sei in ihrer Kirche in Korea schon von Anfang an sehr relevant gewesen, sagte Meehyun Chung in ihrer Dankesrede. Dazu zählten beispielsweise der von Barth hervorgehobene Vorrang des Evangeliums vor dem Gesetz sowie die politische soziale Verantwortung der Kirche in der Gesellschaft. Barth habe sich kritisch mit der Kultur auseinandergesetzt, damit sie nicht vergöttlicht würde. „So setzte ich mich mit dem Schamanismus auseinander, um ihn positiv, aber gleichzeitig kritisch zu bewerten“, sagte Frau Chung. Barths Theologie sei damals genauso wichtig gewesen wie heute, „zum Beispiel um bei uns die zerbrechlichen Annäherungsversuche zwischen Nord- und Südkorea zu ermöglichen und beide Länder zu versöhnen“. Sie dankte für die „geistige, geistliche und materielle“ Unterstützung der EKD für ihre Kirche in Korea. „Dieser Akt der Nächstenliebe zu meiner Kirche hat sie maßgeblich unterstützt in der schwierigen Zeit der Diktaturherrschaft und mitgeholfen, die aktive Rolle der Kirche bei der Demokratisierung in Korea zu stärken.“
Die 1963 in Seoul geborene Meehyun Chung ist Pastorin der koreanischen Presbyterianischen Kirche. Sie studierte Deutsche Literatur und Philosophie sowie Theologie in Seoul, später begann sie ein Theologiestudium in Basel.1993 wurde sie dort mit der Dissertation „Karl Barth – Josef L. Hromádka – Korea“ promoviert. Seit Anfang 2005 leitet sie die Abteilung für Frauen- und Genderfragen der Mission 21 in Basel (früher Baseler Mission).
Der Karl-Barth-Preis erinnert an den in Basel geborenen Schweizer Theologen Karl Barth (1886 – 1968) und wird in der Regel alle zwei Jahre vergeben. Barth war einer der Hauptautoren der Barmer Theologischen Erklärung der Bekennenden Kirche. Er gilt als der bedeutendste protestantische Theologe des 20. Jahrhunderts. Bisherige Träger der Auszeichnung sind unter anderem der Theologe Eberhard Jüngel, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, der Dichter Kurt Marti sowie der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau.
Berlin, 30. August 2006
Pressestelle der UEK
Karoline Lehmann