Evangelische Kirche trifft Papst Benedikt XVI. in Erfurt
Zeit für eine „Ökumene der Gaben“ - Ökumenischer Gottesdienst in der Augustinerkirche
Eine Delegation der evangelischen Kirche unter Leitung des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, ist am heutigen Freitag zu einem Gespräch mit Papst Benedikt XVI. und seiner Delegation im Augustinerkloster zu Erfurt zusammengekommen. Im Anschluss an das Gespräch wurde ein ökumenischer Wortgottesdienst in der Augustinerkirche gefeiert.
Bei der Begegnung der 20-köpfigen evangelischen Delegation mit dem Papst im Kapitelsaal des Augustinerklosters verlieh der Ratsvorsitzende Schneider seiner Freude darüber Ausdruck, dass der Papst die Einladung in das Augustinerkloster angenommen habe, jenem Kloster also, in dem Martin Luther im Jahre 1505 in den Augustiner-Eremitenorden aufgenommen worden sei. Nach einer kurzen Begrüßung durch die Landesbischöfin Ilse Junkermann erinnerte der Ratsvorsitzende in seiner Ansprache daran, die „getrennt gewachsenen Traditionen“ in den Konfessionen „nicht als Defizite“, sondern als „gemeinsame Gaben“ zu verstehen. In Fortentwicklung einer „Ökumene der Profile“ sei es nun an der Zeit für eine „Ökumene der Gaben“, in der „der große Fortschritt“ gefeiert werde, dass wir als getrennte Kirchen „freundschaftlich verschieden“ sind.
So würden die beiden Konfessionen das Sakrament der Taufe wechselseitig anerkennen. „Menschen in die Kirche als dem Leib Christi einzugliedern, trauen wir einander zu und vertrauen wir einander an. Darauf können wir bauen und weitere konkrete Schritte zu mehr Gemeinsamkeit wagen“, so der Ratsvorsitzende wörtlich.
Schneider erinnerte daran, dass sich die Kirchen der Reformation als „Kirche der Freiheit“ verstünden. Damit sei keine „unverbindliche Beliebigkeit“ gemeint, sondern eine Freiheit, die sich im „Ja“ zu Jesus Christus gründe und allein im Zusammenspiel von Freiheit und Bindung wahre Freiheit werde. Diese augustinisch gegründete Theologie der Reformation, so Schneider, sei „die besondere Gabe der Kirchen der Reformation in einer weltweiten Christenheit“.
Schließlich warb der Ratsvorsitzende in seiner Ansprache dafür, „von 2000 Jahren gemeinsamer Kirchengeschichte zu sprechen“, denn auch nach 1517 seien beide Konfessionen als „Westliche Kirchen“ in besonderer Weise aufeinander bezogen gewesen – „im Guten und im Bösen, in heilsamem Wirken miteinander, aber auch in tödlicher Feindschaft gegeneinander“. Deshalb sei es, so Schneider, im Blick auf das bevorstehende Reformationsjubiläum 2017 an der Zeit, Erinnerungen an die „gegenseitigen Verletzungen in der Reformationszeit“ und der ihr folgenden Geschichte beider Kirchen „zu heilen und konkrete Wege der Aussöhnung“ zu gehen.
Abschließend lud der Ratsvorsitzende den Papst als „Bruder in Christus“ ein, den 31. Oktober 2017 als ein „Fest des Christusbekenntnisses“ zu verstehen und „mit den Kirchen der Reformation“ zu feiern, auf dass alle in ökumenischer Verbundenheit Christus bezeugten, „damit die Welt glaube“ (Johannesevangelium Kapitel 17, Vers 21).
Im anschließenden ökumenischen Wortgottesdienst begrüßte die Präses der Synode der EKD, Katrin Göring-Eckardt, Papst Benedikt XVI. mit einer geistlichen Meditation. In ihren Ausführungen erinnerte sie dabei an Martin Luthers Satz: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Er sei auch für die Christinnen und Christen in der DDR ein „kämpferisches, ein stärkendes Wort“ gewesen. Aus der Geschichte habe man lernen können: „Wenn man Mauern zu lange bewacht, Mauern aus Stein und Mauern aus Schweigen, dann brechen sie von innen auf, weil die Menschen von der Freiheit wissen.“
Ausgehend von der Tageslosung des 23. Septembers aus dem Buch Jesaja (Kapitel 26, Vers 9: „Von Herzen verlangt mich nach dir des Nachts, ja, mit meinem Geist suche ich dich am Morgen“) erinnerte Göring-Eckardt an die Gottsuche vieler Menschen heute, die heimatlos geworden sind: „Heimatlos auf der Flucht vor Hunger, vor Krieg, vor Umweltzerstörung; heimatlos auch durch Gewalt an Körper und Seele, heimatlos in Enge und in Verzweiflung. Dagegen gelte es zu erinnern: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen‘ heißt es im Johannesevangelium (Kapitel 14, Vers 2), und dieses Haus, in dem wir wohnen, in das wir kommen können, egal wie wir heißen oder sind, hat auch immer noch Zimmer frei für die, die suchen und bei uns Heimat finden.“ Dies gelte für alle Menschen, betonte Göring-Eckardt. „Gott sieht uns alle mit der gleichen und nur ihm eigenen großen Liebe an.“
Im Blick auf den gemeinsamen Gottesdienst sagte die Präses abschließend: „Wer auf uns schaut, soll spüren, dass wir in allem wissen von Gottes Liebe, die uns nicht drängt, sondern trägt, die sich manchmal verbirgt und dann wieder leuchtet mit aller Kraft.“
Erfurt/Hannover, 23. September 2011
Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick