„Kirchen bringen klare ethische Grundorientierung ein“
Ratsvorsitzender Bedford-Strohm spricht auf dem ökumenischen Jahresempfang in Brüssel
Seine erste Auslandsreise hat den Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm am 2. Dezember nach Brüssel geführt. Dort absolvierte er zunächst Antrittsbesuche bei dem deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger, bei dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sowie bei dem Vorsitzenden der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), Manfred Weber.
Vor Abgeordneten des Europäischen Parlaments und weiteren Gästen aus den EU-Institutionen sprach der Vorsitzende des Rates der EKD dann am Abend auf dem ökumenischen Jahresempfang im Haus der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE). Ausgehend von der gemeinsamen kirchlichen Sozialinitiative entwickelte er Perspektiven einer europäischen Sozialpolitik. Dabei kritisierte er den Umgang der EU mit Flüchtlingen. Die Geschehnisse an den europäischen Außengrenzen seien eine Schande, so Heinrich Bedford-Strohm. Es dürfe nicht billigend in Kauf genommen werden, dass das Mittelmeer zu einem Massengrab werde. Er forderte eine offene und konstruktive Debatte über mehr legale Wege für Schutzsuchende nach Europa und regte an, die bestehenden Instrumente von Familienzusammenführung über Flüchtlingsneuansiedlung bis hin zu erleichterter Visavergabe zu nutzen
Der Ratsvorsitzende stellte die Frage, ob ein Quotensystem nicht zu einer wesentlich gerechteren Verteilung der Flüchtlinge in Europa beitragen könne. Eine zukunftsgerichtete Flüchtlingspolitik müsse allerdings auch an den Potentialen der Flüchtlinge ansetzen, so dass ein gesamteuropäisches Integrationsprogramm notwendig sei.
Darüber hinaus unterstrich er die Verantwortung der EU für den sozialen Zusammenhalt. „Die EU-Kompetenzen im Bereich der Sozialpolitik sind beschränkt. Aber die Erwartungen der Menschen an Europa sind es nicht“, betonte er. Zwar gebe es auf dem Weg aus der Staatsschulden- und Finanzkrise auch Hoffnungszeichen, doch müsse dem Auseinanderdriften von Süd und Nord, Arm und Reich, Jung und Alt weiterhin durch ein Zusammenspiel von nationaler und europäischer Ebene entgegengesteuert werden. Die Glaubwürdigkeit der Europapolitik der nächsten Jahre werde in hohem Maße davon abhängen, ob es gelingen werde, den sozialen Frieden zu erhalten. Deshalb sei es an der Zeit, dass das Finanzsystem seiner Rolle für ein soziales Europa gerecht werden könne, neben einer Finanztransaktionssteuer mahne er das Schließen von Steuerschlupflöchern an. Ferner sei eine Einigung über soziale Mindeststandards etwa über einen europaweiten Mindestlohn nötig.
Den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften komme beim nötigen Wandel der gesellschaftlichen Mentalitäten eine zentrale Bedeutung zu, betonte Bedford-Strohm. „Wir bringen auf der Basis unserer christlichen Tradition klare ethische Grundorientierung ein. Gleichzeitig beanspruchen wir nicht den Logenplatz auf irgendeiner hohen moralischen Warte“. Er äußerte Verständnis für die Herausforderungen und Dilemmata in der politischen Arbeit und zeigte sich dankbar für den Dialog zwischen Kirche und den politischen Entscheidungsträgern auf EU-Ebene.
Der Vortrag und die anschließende Diskussion fanden im Rahmen des traditionellen gemeinsamen Jahresempfangs in Brüssel statt, zu dem der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe, Prälat Dr. Karl Jüsten, und der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Prälat Dr. Martin Dutzmann, geladen hatten.
Hannover/Brüssel, den 2. Dezember 2014
Pressestelle der EKD
Carsten Splitt/ Katrin Hatzinger