Kirchengemeinden im Internet

(Gemeindebrief Werkstatt)

Der Gemeindebrief, 26 (1996), Nr. 6, S. W1-W3.

"Surfen kann man auch woanders"

"Surfen kann man auch woanders. InterRail statt Internet". So lautet ein aktueller Werbeslogan der Deutschen Bahn. Keine Frage, das Internet ist in aller Munde, und es vergeht wohl kaum ein Tag, an dem nicht in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk oder Fernsehen über das Internet berichtet wird. Ist aber das Internet nicht nur eine Modeerscheinung? Gewiß, das Internet ist eine Modeerscheinung, aber es ist mehr als nur das. Wie immer es sich weiterentwickeln wird, das Internet wird das Kommunikations- und Informationsmedium der Zukunft werden. In diesem globalen Datennetz kann der einzelne Benutzer genausogut in einer Universitätsbibliothek nach einem Buch suchen wie sich in einer "Newsgroup" mit Gleichgesinnten weltweit über "Bonsai gardening" austauschen, mit Freunden und Bekannten Briefe austauschen oder aber schnell einmal nachsehen, wann die Kunsthalle in seiner Stadt eigentlich geöffnet hat.

Zwar wird man auch weiterhin die großen Werke der Weltliteratur in Buchform und nicht am Monitor lesen, doch aktuelle Nachrichten und Informationen mit kurzem Verfallsdatum werden zunehmend über dieses Medium verbreitet, ebenso wie Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge, Kulturkalender, regionale und örtliche Veranstaltungshinweise. Schon heute kann man sich bei diversen Stadtinformationssystemen, die viele Städte im Internet eingerichtet haben, über die aktuellen Angebote von Museen, Behörden, Firmen, Vereinen und Initiativen informieren - rund um die Uhr, denn das Internet hat immer "geöffnet".

Landeskirchen und Kirchengemeinden im World Wide Web

Was liegt da für die Kirchen näher, als sich ebenfalls im Internet mit ihrem Informationsangebot zu präsentieren? Nachdem im letzten Jahr die Evangelisch-lutherische Kirche in Bayern mit ihrem Angebot "online" ging, sind nun weitere Landeskirchen mit einem eigenen Angebot im "World Wide Web", dem Informationsdienst des Internet, vertreten: Hannover, Nordelbien, Württemberg sowie die EKD. Weitere Landeskirchen werden in diesem Jahr folgen. Neben dem CVJM und anderen freien Werken und Gruppen haben aber auch an die 70 evangelische, katholische und freikirchliche Gemeinden eine Selbstdarstellung ins Netz gestellt. Neben einer Beschreibung der Gemeinde haben auch viele einen aktuellen Veranstaltungskalender hinzugefügt.

Auf den "Servern" (den Computern, auf denen die Informationen zum Abruf bereitgestellt werden) der Landeskirchen finden sich neben aktuellen Informationen der Evangelischen Pressedienste auch Synodenberichte, Angebote zur Seelsorge über E-Mail, die elektronische Post, interaktive Diskussionsforen und Gästebücher sowie Angebote einzelner Gemeinden, die bei manchen Landeskirchen ein eigenes Verzeichnis erhalten. Wer sich einen Überblick über die Landeskirchen und die evangelischen Kirchengemeinden im Internet verschaffen will, kann dies über den EKD-Server unter der Adresse "http://www.ekd.de" tun.

Informationen im World Wide Web anbieten

Um Informationen im Internet bereitstellen zu können, braucht man zunächst selbst einen Internet-Anschluß. Diesen bekommt man entweder über die Universitäten oder über die Online-Dienste T-Online, CompuServe oder America Online (AOL) sowie die kommerziellen "Internet Service Provider" (MAZ, Contrib.Net, EuNet, XLink etc.), die eine direkte Anbindung an das Internet anbieten. Für einen Internet-Anschluß muß man als Privatpersonen mit 35,- bis 70,- DM im Monat (plus Telefonkosten zum nächstgelegenen Einwahlpunkt) rechnen. Die aktuellen Tarife, die sich fast monatlich ändern, entnimmt man am besten Computerzeitschriften, die regelmäßig über Preisveränderungen im Online-Bereich informieren. Die Gebühren für das Ablegen von Informationen auf den Rechnern der Service Provider oder Online-Dienste differieren erheblich, doch sollte man keinesfall mehr als 100,- DM im Monat dafür ausgeben.

Die Informationen von Kirchengemeinden finden sich gegenwärtig meistens auf den Rechnern der großen Online-Dienste AOL oder CompuServe, weil dort jeder Benutzer ein Verzeichnis für seine Informationen kostenlos erhält. Für Kirchengemeinden bieten sich aber auch die Server der einzelnen Landeskirchen sowie regionale Stadtinformationssysteme an. Die Informationen, die den Benutzern des Internet zur Verfügung gestellt werden sollen, können auf dem heimischen PC in der HTML-Sprache, der Programmiersprache des World Wide Web, mit jedem beliebigen Texteditor oder Textverarbeitungsprogramm aufbereitet und dann über das Modem und die Telefonleitung in das entsprechende Verzeichnis auf den Rechner des Service Providers oder Online-Dienstes transferiert werden.

Worauf man achten sollte

Wie bei jeder Publikation im kirchlichen Bereich, sei es nun der Gemeindebrief, eine Zeitschrift oder Zeitung, eine Presseerklärung oder ein Rundfunkbeitrag gilt es, bestimmte Eigenarten des jeweiligen Medium zu beachten. So auch beim Internet:

  1. Die Informationen, die bereitgestellt werden sollen, müssen klar strukturiert sein. Ein wildes Sammelsurium von Texten, Bilder und Tabellen, die unstrukturiert nebeneinander stehen, verwirren den Leser eher als das sie ihm helfen, etwas über Ihre Gemeinde zu erfahren. Eine wohlüberlegte Strukturierung der Informationen ist unerlässlich, bevor man sich ins World Wide Web begibt.
     
  2. Das Internet lebt - wie andere Medien auch - von der Aktualität: Wenn an Pfingsten immer noch die Silversterpredigt des Pfarrers auf der Startseite vorhanden ist, ist das Angebot tot. Kein Mensch ruft noch einmal diese Seite auf. Wer ein Internet Engagement plant, sollte sich vorher überlegen, ob er es schafft, die Daten auch in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren.
     
  3. Das Internet ist ein sehr kommunikatives Medium: Einige Benutzer im Internet wollen sicher den Kontakt zu Ihnen aufnehmen und erwarten dann auch eine Antwort. Wenn Sie ein Kommunkationsangebot machen ("Schreiben Sie uns...") muß auch sichergestellt sein, daß die eingehenden elektronischen Briefe auch beantwortet werden.
     
  4. Ihr Angebot wird im Internet nur gefunden, wenn die Menschen, die es erreichen soll, auch wissen, daß es dieses Angebot im Internet gibt. Die Mitteilung und Verbreitung Ihrer Internet-Adresse über die herkömmlichen Kommunkationswege der Öffentlichkeitsarbeit ist darum unverzichtbar. Außerdem sollten Sie dafür sorgen, daß auf möglichst vielen anderen Servern (z. B. Stadtinformationssystemen) Verweise auf Ihr Angebot geschaltet werden und Ihre Daten auch bei den großen Such-Maschinen im Internet registriert werden.
     
  5. Die meisten Benutzer im Internet sind zur Zeit überwiegend junge Menschen zwischen 15 und 35 Jahren. Achten Sie darauf, daß Sie die Informationen interessant und das Design der Seiten möglichst ansprechend gestalten. Langweile Seiten gibt es im Internet genug. Nur wenn sich die kirchlichen Angebote inhaltlich und gestalterisch von der Masse der Informationen positiv abheben, haben die Angebote eine Chance, von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.

Fazit

Für die Präsenz einer Gemeinde im Internet gelten die gleichen Standards wie für einen guten Gemeindebrief: Die Inhalte müssen aktuell, interessant, zielgruppenspezifisch und mit der Gemeinde identifizierbar sein. Design und Layout sollten nicht nur dem Stand der Technik entsprechen sondern auch ansprechend und einladend wirken. Im Unterschied zum Gemeindebrief aber - und das sind die Chancen und Herausforderungen dieses neuen Mediums - können die interaktiven Möglichkeiten des Internet dazu genutzt werden, auch mit Menschen direkt in Kontakt zu kommen, die nicht regelmäßig die Veranstaltungen einer Gemeinde frequentieren: über E-Mail und und Diskussionsforen, in denen Gemeinde zur Kommunikation einlädt. Der Klick mit der Maus auf einen E-Mail-Button fällt vielen Menschen leichter als der Gang zum sonntäglichen Gottesdienst oder zu einem Seelsorgegespräch mit dem Pfarrer oder Pastor. Beides kann das Internet nicht ersetzen, aber die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme ist sicher geringer.

 
Autor: Dr. Matthias Schnell