Von allem weniger
Wie sich die sinkenden Kirchenmitgliederzahlen auswirken
Frankfurt a.M. (epd). Der Mitgliederverlust in beiden großen Kirchen hält an. Die katholische Kirche in Deutschland hat im vergangenen Jahr rund 576.635 Mitglieder verloren, wie die katholische Deutsche Bischofskonferenz am Donnerstag in Bonn mitteilte. In der evangelischen Kirche sank die Mitgliederzahl um etwa 586.035. Den 27 katholischen Bistümern gehörten zum Stichtag 31. Dezember 2024 rund 19,8 Millionen, den 20 evangelischen Landeskirchen etwa 18 Millionen Menschen an.
Der Mitgliederschwund wirkt sich langfristig auch auf die Einnahmen aus der Kirchensteuer und damit auf die Kirchenfinanzen aus. Viele Bistümer und Landeskirchen befinden sich daher bereits auf Sparkurs. Das hat Auswirkungen auf Gebäude, Pfarrstellen und soziale Wohlfahrt. Ein Überblick:
GEMEINDEGRÖSSEN UND PFARRSTELLEN: Derzeit legen viele katholische Bistümer und Landeskirchen Kirchengemeinden zusammen. Es gibt landesweit immer weniger, dafür oft größere Gemeindebezirke. So sank etwa die Zahl der katholischen Pfarreien in den vergangenen zwei Jahren um rund 330. Ursachen dafür sind häufig nicht nur sinkende Mitgliederzahlen, sondern auch fehlender Pfarrnachwuchs. Die Evangelische Kirche im Rheinland, die zweitgrößte evangelische Landeskirche, hat beschlossen, die Zahl der Pfarrstellen bis zum Jahr 2040 auf rund 700 zu halbieren. Hintergründe sind die hohe Zahl von Pensionierungen der geburtenstarken Jahrgänge in den kommenden Jahren und die geringen Nachwuchszahlen. Auch die 27 katholischen Bistümer haben Probleme beim Priesternachwuchs. Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz wurden im vergangenen Jahr 47 Priesteramtskandidaten neu aufgenommen. Vor zehn Jahren waren es noch 110. 2024 gab es nach vorläufigen Angaben deutschlandweit nur noch 29 Priesterweihen, im Vergleich zu 58 im Jahr 2014.
KIRCHENGEBÄUDE: Egal ob Kirchengebäude, Gemeinde- oder Pfarrhaus - viele Bistümer und Landeskirchen verkaufen bereits Gebäude, weil sie diese nicht mehr brauchen oder ihr Unterhalt zu teuer geworden ist. EKD und Bischofskonferenz erklärten vergangenes Jahr, etliche Gottesdiensträume würden gegenwärtig nicht mehr in vollem Umfang für die Feier des Gottesdienstes benötigt. Nach dem statistischen Jahresbericht für 2023/24 der Bischofskonferenz wurde bei 650 katholischen Kirchen bundesweit seit Anfang des 20. Jahrhunderts die liturgische Nutzung beendet. 239 Kirchen wurden verkauft, 177 wurden abgerissen. Insgesamt besitzt die katholische Kirche 24.000 sakrale Gebäude. In den kommenden Jahren werden den Angaben zufolge nur noch maximal drei neue Kirchen eingeweiht - zumeist wird nur noch neu gebaut, wenn großdimensionierte Nachkriegskirchen baufällig geworden sind. Die Kunsthistorikerin Stefanie Lieb rechnet damit, dass die Kirchen rund 30 Prozent ihres Gebäudebestandes aufgeben müssen. Sie gehört zum Leitungsteam eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Thema „Sakraltransformation in Deutschland“.
SCHULEN, KINDERGÄRTEN, KRANKENHÄUSER: Bereits 2020 machte die Entscheidung des Bistums Mainz Schlagzeilen, sich von fünf Schulen in seiner Trägerschaft zu trennen. Der Grund: fehlendes Geld. Auch für Kindergärten, Pflegeheime und Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft wird aufgrund sinkender Einnahmen das Geld knapp. Der Religionssoziologe Detlef Pollack macht das am Beispiel von evangelischen Kindergärten fest. Zwar stimme es, dass Kindergärten und andere kirchliche Einrichtungen zum Großteil Mittel vom Staat erhielten, aber dies sei eben nicht vollständig der Fall. Zehn Prozent der Kosten übernehme der jeweilige evangelische Träger. Im Jahr komme die evangelische Kirche allein bei der Finanzierung von Kindergärten auf einen Betrag von rund 300 Millionen Euro. Immerhin ein Fünftel, also zwei von zehn Kindern, besuche einen evangelischen Kindergarten.
CHRISTLICHE TRADITIONEN: Religionssoziologe Pollack hat in den vergangenen fünf Jahren eine verstärkte antireligiöse Tendenz in der Gesellschaft ausgemacht. Das Bewusstsein für die Bedeutung kirchlicher Feiertage sinke. Zugleich bilde sich bei manchen Menschen in der Kirche ein Bewusstsein dafür heraus, wie sehr es darauf ankomme, kirchliche Traditionen zu pflegen. Unter den wenigen, die tatsächlich noch am Sonntag die Kirche besuchten, sei die Kirche sehr geschätzt. Menschen, die sich ehrenamtlich in der Kirche engagieren, sagten, in der Kirche herrsche ein wertschätzender Umgang miteinander. Das sei der Teil der Kirchenmitglieder, der die Kirche überhaupt noch kenne. „Die anderen besitzen oft eine festgefügte Meinung über die Kirche. Sie gehen aber nicht mehr hin und haben daher auch keine Gelegenheit, ihre Vorurteile über die Kirche zu korrigieren“, sagte Pollack.