Reformation als Teamwork
Das ZDF sendet am Vorabend des 500. Reformationsjubiläums das Opus „Zwischen Himmel und Hölle“

Oktober 1517. Im Schatten der Nacht nähert sich ein Ruderboot dem Kloster Maria Heimsuchung. Im Klosterhof zieht Hartmann (Armin Rohde), der Handlanger des Erzbischofs Albrecht von Brandenburg (Joachim Król), gerade seine religiöse Theatershow ab. Ein effektvolles Spektakel mit Feuerwerkskörpern, Schwefelgestank und Höllenstöhnen. Dunkle Nacht und gleißendes Feuer. Die leibeigenen Bauern und einfachen Handwerker, ohnehin gedrückt von Hunger, Angst und Erinnerung an die Pest, sind vom Zauber des Dominikaners zu Tode erschrocken. Hartmann, glühender Fanatiker der Kurie, predigt den Handel mit dem zürnenden Gott: „So wie das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“
Die Leute geben ihr Letztes, die Münzen sammeln sich, bis der Passagier des Bootes Aufruhr anzettelt und niedergeschlagen wird. Es ist Thomas Müntzer mit seinem Novizen Hieronymus. Nicht mit der Kirche wolle er sich anlegen, antwortet Müntzer der abergläubischen Äbtissin, sondern mit der Dummheit. In Robin-Hood-Manier überfällt er Hartmanns Tross und verteilt das Geld, während die Mutter Oberin im Kloster mit mittelalterlichen Foltermethoden Teufelsaustreibungen an den Nonnen vornimmt. Wenig später überlebt Müntzer im Klosterhof seine Kreuzigung, sein Novize erhängt sich.
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Die evangelische Bewegung als Werk mehrerer Leitfiguren
Von Martin Luther sieht man in diesem ZDF-Spielfilm zum 500. Reformationsjubiläum zunächst nichts. Das ist Programm. „Zwischen Himmel und Hölle“ zeigt die evangelische Bewegung als Werk mehrerer Leitfiguren, Männer wie Frauen. Absicht des zweieinhalbstündigen Films ist auch, den zahlreichen Mitstreitern der Reformation späte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Die Popularität, so inszenieren es Regisseur Uwe Janson und Kameramann Michael Wiesweg, war Ergebnis von Teamwork und eingebettet in die Zeitströmung. Ohne Müntzer, Bodenstein, Ottilie von Gersen, Katharina von Bora, ohne Luthers Landesherrn Kurfürst Friedrich den Weisen und seinen politischen Stimmungsmacher Georg Spalatin, vor allem aber ohne den Drucker der Flugschriften und gewieften Medienmanager Cranach d. Ä. wäre die Reformation kein Hit für die Massen geworden.
Die Mentalität war reif für Luthers Gott
Die Mentalität, so präsentiert es das kontrastreiche Szenenbild von Ettore Guerrieri, war reif für Luthers Gott. Luthers Aufstieg beginnt als politisches Ränkespiel: Der Film zeigt ihn als Theologieprofessor mit neuen Ansichten. An der Universität spielt er mit Kollegen kumpelhaft Ball, trinkt und doziert. Es sind Kurfürst Friedrich (Rüdiger Vogler) und Spalatin (Fabian Hinrichs), die einen Weg suchen, den Geldfluss aus ihrem Land Sachsen nach Rom zu unterbinden – und dabei auf Dr. Luther (Maximilian Brückner) kommen.
Selbst die 95 Thesen entstehen in diesem Film als Werk des Brainstormings in der Druckwerkstatt Cranachs (Christoph Maria Herbst) und seiner tatkräftigen Hausfrau Barbara (Anna Schudt). Der Kunsthandwerker erkennt als Hansdampf in allen Gassen den Modernisierungsschub des Massendrucks. „Wenn ihr wollt, dass es gelesen wird“, so Cranach, „muss es modern und aufrüttelnd sein.“ Und auf Deutsch.
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Ein überzeugendes Geschichtspanorama
Der Film stellt die Menschen in den Mittelpunkt, um das Ungeheure des Paradigmenwechsels darzustellen. Dass dieser Wechsel vor allem ein theologischer war, ist den Autoren Stefan Dähnert und Marianne Wendt bewusst. Sie bauen dramaturgisch geschickt auf die Entfremdung zwischen Reformator Luther und Revolutionär Müntzer. „Zwischen Himmel und Hölle“ spielt in einem weit gespannten Erzählbogen, der von 1517 bis zum Ende des Deutschen Bauernkriegs 1527 reicht, und enthält historisch bekannte Stationen wie die Streitrede Luthers und Erzbischof Albrechts oder die Zeit auf der Wartburg ebenso wie frei Hinzugedichtetes.
Maximilian Brückner spielt Luther differenziert als überzeugten Ordo-Denker mit wachsendem Sendungsbewusstsein, darin dem historischen Luther näher als viele der Luthergestalten in diesem Fernsehjahr. Katharina von Bora ist Luthers praktische Hälfte. Gleichberechtigt daneben steht der Revoluzzer Thomas Müntzer, der mit seiner emanzipierten Frau Ottilie von Gersen (Aylin Tezel) in Jüterbog in einer Art Frühkommune lebt. „Zwischen Himmel und Hölle“ zeigt in einem überzeugenden Geschichtspanorama die Zeit der Reformation, nicht die des Reformators allein.
Heike Hupertz (epd)