„Vorbild sein – ARBEIT PLUS als Auszeichnung der EKD“
Wolfgang Huber
Es gilt das gesprochene Wort.
Rede zur Vergabeveranstaltung ARBEIT PLUS 2005
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Kernaussage lutherischer Berufsethik und eine bis heute wichtige Einsicht der Reformation ist die Gleichwertigkeit der verschiedenen Berufe. Jeder Mensch, jede Person wird von Gott berufen, in seinem oder ihrem Bereich zu wirken und sich zu engagieren - innerhalb oder außerhalb der Kirche. Kein Beruf ist weniger wert als ein anderer, an jeder Stelle kann und soll man mitwirken am Reiche Gottes. Wir würden das heute noch präzisieren und deutlich machen, dass es dabei nicht nur um die Berufe im klassischen Sinne geht, sondern selbstverständlich auch Familienarbeit, Kindererziehung und andere, noch am Rande unseres klassischen Entlohnungssystems stehende Berufungen gemeint sind. Wichtig ist, dass jeder sich an seinem Ort engagiert.
Ein besonders beeindruckendes Beispiel für die Konsequenzen dieser Berufs- und Engagementsethik haben wir vor zehn Tagen bei der Einweihung der Frauenkirche in Dresden erlebt: Viele tausend Menschen haben an ihrem je eigenen Ort ihren ganz eigenen Beitrag geleistet, haben sich mit Ihren Möglichkeiten, mit Geld, mit Wissen, mit Gebet, mit Handwerkskunst engagiert; entstanden ist dadurch ein wunderbares Sinnbild der Versöhnung und der Zuversicht.
Dieses Engagement, diese Annahme der eigenen Berufung, gilt es aber auch in anderen Bereichen zu zeigen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Verantwortung für Personalpolitik in einem Unternehmen. Es ist eine besondere Berufung, mit dem Beruf anderer Menschen umzugehen. Es ist eine besondere Art von Arbeit, dafür verantwortlich zu sein, dass und wie andere Menschen arbeiten. Es gibt, so denke ich manchmal, kaum eine schönere und wichtigere Tätigkeit als diejenige, dafür zu sorgen, dass andere tätig sein können. Damit hat es das Arbeitsplatzsiegel der EKD ARBEIT PLUS zu tun. Diese Zielsetzung: dafür zu arbeiten, dass und wie andere arbeiten können, führt uns heute zusammen.
Als Kirche widerstehen wir der Tendenz dazu, dass nur schlechte Nachrichten als gute Nachrichten gelten. Denn wir sind von unserem Auftrag her Experten für gute Nachrichten: Evangelium heißt auf deutsch „gute Nachricht“. Uns ist die Botschaft von Gottes unbedingter und grenzenloser Liebe anvertraut, die darauf wartet, angenommen und erwidert zu werden. Dieser Grundzug der biblischen Botschaft zieht sich von der Erschaffung der Menschen zu Gottes Ebenbild bis hin zur Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, in denen „Gerechtigkeit wohnt“. Dass Gott es mit seiner Schöpfung und mit uns Menschen gut meint, ist die Melodie, die uns verpflichtet. Dass kein Mensch von dieser Güte ausgeschlossen und aus der Teilhabe an ihr ausgegrenzt sein soll, ist die grundlegende Überzeugung, die unser Engagement bestimmt. Die Teilhabe an Arbeit ist in diese Überzeugung einbezogen.
Arbeit, so hat der Theologe Karl Barth das einmal beschrieben, ist eine elementare Form, in welcher der Mensch sein geschöpfliches Dasein bejaht. Diese elementare Verbindung von Leben und Arbeit führt uns heute zusammen.
Ich danke Ihnen für Ihr großes Interesse an der diesjährigen Vergabe des Arbeitsplatzsiegels ARBEIT PLUS. Ich verstehe Ihr Interesse an dieser Vergabe auch so, dass Sie mit uns gemeinsam auf der Suche sind nach Wegen aus der Beschäftigungskrise hinaus. Heute stehen dabei nicht abstrakte, grundsätzliche Überlegungen im Mittelpunkt, heute geht es um konkrete Beispiele, um Vorbilder, die uns darauf hinweisen, dass es sich auf dem Arbeitsmarkt um ganz konkrete Menschen, um Unternehmerinnen und Unternehmer, um Arbeitende und Arbeitslose und um ihre Beziehungen zueinander handelt. Ich erlaube mir daher an dieser Stelle auch den Hinweis, dass es aus meiner Sicht höchste Zeit wird, dass der eigentliche Kernpunkt von "Hartz IV", nämlich die Zusammenlegung der Hilfsangebote aus den früher getrennten Bereichen von Arbeitsförderung und Sozialberatung und vor allem die intensivierte, ganzheitliche Beratung, jetzt endlich konsequent und für die Betroffenen spürbar umgesetzt wird. Wenn es endlich so weit ist, dass ein Berater sich beispielsweise tatsächlich auf die Beratung von 75 Jugendlichen konzentrieren kann, wird dieser Berater ein genaues Bild davon haben, wie viele dieser Jungendlichen wirklich eine berufliche Weiterbildung brauchen, welche Grundfertigkeiten sie erlernen müssen, um sich erfolgreich bewerben können, und auch wer unter ihnen bisher der Aufgabe, Arbeit zu suchen, aus welchem Grund ausgewichen ist. Wir setzen uns nachdrücklich dafür ein, dass dieser im Gesetz an zentraler Stelle verankerte ganzheitliche Blick auf die einzelnen Menschen aufgenommen und verwirklicht wird.
Ich freue mich darüber, dass wir in diesem Jahr elf Firmen aus verschiedenen Branchen mit dem Arbeitsplatzsiegel ARBEIT PLUS der Evangelischen Kirche in Deutschland auszeichnen können, allesamt Vorbilder für verantwortliches unternehmerisches Handeln. Herr Prof. Dr. Hamel wird gleich darstellen, was diese Firmen auszeichnet.
Den Bewertungen der einzelnen Firmen im Rahmen von ARBEIT PLUS liegen ein differenziertes Indikatorensystem und ein Verfahren von hohem fachlichem Rang zugrunde. Hier wird nach wissenschaftlichen Kriterien gemessen und von einem fachkundigen Vergabegremium entschieden. Externe Fachkompetenz und das Erfahrungswissen gesellschaftlicher Institutionen werden hier miteinander verbunden.
Wirtschaftlicher Erfolg und eine menschengerechte Arbeitswelt gehören zusammen. Das ist die Grundthese von ARBEIT PLUS. Nur wer in seine Mitarbeiter investiert, kann anhaltenden Unternehmenserfolg haben. Und umgekehrt: Ein Arbeitsplatz ist die Möglichkeit für Menschen, nicht nur für ihren Unterhalt zu sorgen, sondern auch, sich am gemeinschaftlichen Leben zu beteiligen, ihre Fähigkeiten zu entfalten und einzubringen.
Die anhaltende Arbeitslosigkeit beunruhigt uns Christen nachhaltig. Ein Königsweg zu ihrer Überwindung ist nicht in Sicht. Viele gesellschaftliche Kräfte müssen zusammenwirken, um ihr zu begegnen. So fragen wir uns als Kirche immer wieder: Was können wir dazu beitragen – mit unseren Mitteln und Fähigkeiten? Immer wieder äußern wir uns aus christlichen Grundüberzeugungen heraus zu diesem Fragenkreis. Kritische Überlegungen sind dabei unvermeidlich. Doch noch wichtiger ist es, gelungene Ansätze hervorzuheben und auszuzeichnen.
Mit der Initiative ARBEIT PLUS wollen wir einen wirtschaftsethischen, beschäftigungspolitischen Dialog anstoßen. Wir wollen die Diskussion über gerechtes und zukunftsfähiges Wirtschaften voranbringen.
So danke ich Ihnen als Vertreterinnen und Vertretern aller elf Firmen sehr herzlich dafür, dass Sie sich mit Ihrer Personalpolitik als gute Vorbilder auszeichnen. Wir wollen Sie als gute Vorbilder öffentlich bekannt machen. Damit andere Firmen angespornt werden, Ihnen nachzueifern. Und damit Hoffnung wächst in unserer Gesellschaft. Darauf, dass solche Hoffnung sich entfaltet, kommt es gerade in diesen Wochen sehr an. Ich wünsche Ihnen Gottes Segen für all Ihr Wirken.
Laudatio zur Siegel-Vergabe „Arbeit Plus 2005“