Eröffnungsrede auf der Veranstaltung zur Verleihung der Martin-Luther-Medaille in der Christianskirche zu Hamburg Altona
Nikolaus Schneider
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Renate Schmidt,
sehr geehrter Herr Dr. Beckstein,
sehr geehrte Damen und Herren,
der 31. Oktober ist ein Grunddatum für unsere evangelische Kirche. Wir erinnern heute an den öffentlichen Widerspruch Martin Luthers gegen das Ablassgeschäft seiner Kirche. Luthers Widerspruch begründete sich von der Bibel her und führte zu einer grundlegenden Reformation auch des Kirchenverständnisses.
Nach Luther ist die Kirche nicht als „Heilige Institution“ und darin als unverzichtbare Heilsverwalterin oder Heilsvermittlerin zu glauben. Sondern als „Gemeinschaft der Heiligen“, also der Menschen, die zu Jesus Christus gehören. Jeder Christ und jede Christin kann der von Gott geschenkten Rechtfertigung und Freiheit unmittelbar teilhaftig werden.
Mit diesem Kirchenverständnis befreite Luthers Reformation Glaubende aus religiöser Unmündigkeit.
Es ist mir deshalb eine große Freude, dass Sie, liebe Renate Schmidt, an diesem Abend die Martin-Luther-Medaille erhalten. Der Rat der EKD überreicht sie heute zum siebenten Mal an Persönlichkeiten, die mit einer durch reformatorischen Glauben geprägten Lebenshaltung in der Gesellschaft wegweisend wirksam waren und sind. Und Sie, liebe Frau Schmidt, leben und gestalten in Ihrem öffentlichen Wirken die Mündigkeit eines Christenmenschen mit einer überzeugenden und wegweisenden Lebenshaltung.
Dazu gehört auch, dass es eine Zeit gab, in der Sie mit der evangelischen Kirche Ihre Not hatten und nicht länger Mitglied sein wollten. Sie hatten es Ihrer Kirche übel genommen, dass sie in den 60er und 70er Jahren Ihrer Überzeugung nach zu unkritisch an Seiten der Mächtigen und Machthaber stand. Sie sind in den 90er Jahren nach einigem Zögern wieder zurückgekehrt, weil Sie – nach Ihren eigenen Worten – der Auffassung sind, „dass Glauben auch einen Ort braucht und dass es nicht reicht, alleine vor sich hin zu glauben. Dass man einen Ort der Zugehörigkeit haben muss und einen Ort, der einen zwingt, sich mit sich selber und mit seinem Glauben auseinander zu setzen.“ Mündiges Christ-Sein bedeutet eben immer auch kritisches Mitdenken und Hinterfragen – auch im Blick auf das Reden und Handeln der eigenen Kirche.
Die heutige Verleihung der Martin-Luther-Medaille steht noch unter dem Vorzeichen des EKD-Themenjahres 2014 „Reformation und Politik“. Ihr politisches Engagement, liebe Frau Schmidt, galt und gilt denen, die in einer Gesellschaft leicht überhört und übersehen werden. Denen, die wenig Macht haben: Kindern, alten Menschen, Familien mit besonderen Existenzsorgen. Dazu passt auch Ihr politisches Wirken in zahlreichen Positionen und Ämtern, nicht nur in Ihrer Zeit als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Es gehört zu Ihrem politischen Credo, dass in einer Demokratie alle beteiligt und gehört werden. Dafür steht auch Ihr Eintreten für das Wahlrecht von Geburt an. Man mag das belächeln, aber der Gedanke dahinter ist bedenkenswert: „Jeder Mensch soll von Geburt an eine Stimme haben“ – ein wichtiger Denkanstoß zur Generationendebatte.
Vieles wäre über Ihr Wirken noch zu sagen, liebe Frau Schmidt, aber ich möchte dem Laudator nicht vorgreifen. Daher übergebe ich nun gern das Wort an Sie, lieber Günter Beckstein. Gestatten Sie mir den Hinweis, dass es für mich nicht nur eine persönliche Freude ist, dass Sie die Laudatio auf Renate Schmidt halten. Ich freue mich auch, dass Sie gemeinsam mit Renate Schmidt jüngst zu Ehrenbürgern der Stadt Nürnberg ernannt wurden – das verbindet Sie mit der Preisträgerin in ganz besonderer Weise.
Wir freuen uns auf Ihre Worte an und über unsere Preisträgerin.