Revision der EG-Fernsehrichtlinie
Stellungnahme zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission zur Revision der EG-Fernsehrichtlinie
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Ausweitung des Anwendungsbereiches
Die Europäische Kommission hat am 13.12.2005 den Entwurf einer Richtlinie vorgelegt, mit dem die Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" aus dem Jahr 1989, zuletzt geändert im Jahr 1997, abgelöst werden soll.
Es ist aus Sicht der EKD zu begrüßen, dass die Kommission eine "Inhalterichtlinie" vorgeschlagen hat, die für alle audiovisuellen Dienste unabhängig vom technischen Verbreitungsweg gelten soll. Die Kommission hat den zutreffenden Ansatz gewählt, Regelungen an den Inhalten und nicht am Übertragungsweg zu orientieren, denn das öffentliche Interesse darf nicht von der Übertragungstechnologie abhängig gemacht werden. Für gleiche Arten von Diensten sollten außerdem die gleichen Grundregeln gelten. Durch die Ausweitung des Anwendungsbereiches wird dem technischen Wandel Rechnung getragen und gleichzeitig bestimmte Grundstandards im Sinne des öffentlichen Interesses gewahrt. Die EKD begrüßt dementsprechend, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie in Zukunft nicht nur lineare Dienste von sogenannten Mediendienste-Anbietern, das heißt klassische Fernsehsendungen, sondern auch nicht-lineare Dienste, insbesondere Video-on-Demand, umfassen soll.
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Jugendschutz und Menschenwürde
Die EKD begrüßt die Erweiterung des Anwendungsbereiches der Regelungen zum Jugendschutz und zum Schutz der Menschenwürde auf die nicht-lineare Dienste. Dadurch werden zum einen gleiche Wettbewerbsbedingungen für das Fernsehen und die neuen Dienste geschaffen und ein Minimum an Standards zum öffentlichen Interesse grundsätzlich anerkannt. Nach Artikel 3 d des Revisionsvorschlages müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass all Mediendienste nicht in einer Art und Weise verbreitet werden, die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen ernsthaft beeinträchtigen könnte. Nach Artikel 3 g darf audiovisuelle Kommunikation nicht religiöse oder politische Überzeugungen verletzten. Zudem soll nach Artikel 3 e das Verbot, zu Hass aufgrund von Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Religion oder Glauber, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung aufzustacheln, für alle audiovisuellen Mediendienst und die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation gelten.
Koregulierung durch die Mitgliedstaaten und Selbstverantwortung der Medienveranstalter sind grundsätzlich positiv zu bewerten, dürfen aber nicht zu einer Preisgabe der Letztverantwortlichkeit des Staates führen.
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Werbung
Der Kommissionsvorschlag enthält eine Liberalisierung sowohl der quantitativen als auch der qualitativen Regelungen. Die tägliche Begrenzung ist aufgehoben worden. Die stündliche Begrenzung auf 20 % der Sendezeit bleibt bestehen. Der derzeit geltende Grundsatz, dass Werbung in der Regel nur zwischen verschiedenen Sendungen eingefügt werden darf, ist aufgegeben worden. Statt dessen wird nur noch verlangt, dass durch die Einfügung von Werbung der Gesamtzusammenhang der Werke nicht beeinträchtigt wird und die Rechte von Rechteinhabern nicht verletzt werden. Zudem gibt es eine Neuregelung, dass künftig Fernsehfilme, Kinderprogramme und Nachrichtensendungen für jeden Zeitraum von 35 Minuten (bisher 45 Minuten) nur einmal für Werbung und/oder Teleshopping unterbrochen werden dürfen. Darüber hinaus dürfen künftig Serien, Reihen, leichte Unterhaltungssendungen und Dokumentarfilme jederzeit unterbrochen werden (und nicht erst nach den ersten 20 Minuten). Insgesamt ergibt sich daraus eine erhebliche Liberalisierung der quantitativen Werberegeln. Die einzige Beschränkung in diesem Zusammenhang ist das bleibende Gebot wonach Einzelspots weiterhin die Ausnahme bleiben sollen (Art 10. Abs.2). Allerdings sollen sie für Sportsendungen und damit für den Bereich, in dem Einzelspots eine besondere Bedeutung haben, künftig zulässig sein.
Von gravierender Bedeutung ist das Vorhaben, künftig Product Placement zuzulassen. Ein ausdrückliches Verbot des Product Placements ist beschränkt auf Nachrichtensendungen, Sendungen zum Zeitgeschehen ("current affairs") und für Dokumentationen sowie für Kindersendungen bestehen. Damit bleibt neben den fiktionalen Sendungen der gesamte Bereich der Ratgeber- und Servicesendungen grundsätzlich offen für Product Placement. Durch die Zulassung von Product Placement wird die kommerzielle Beeinflussung der Mediendiensten verstärkt und die journalistische Integrität und Glaubwürdigkeit der Programme in Frage gestellt. Bei fiktionalen Programmen dürfte zudem die Gefahr bestehen, dass die künstlerische Integrität der Werke den Werbebotschaften geopfert wird. Die Vorschläge der Kommission zur Liberalisierung der Werbevorschriften begegnen Bedenken, denn sie beschleunigen die Wahrnehmung der Medien als ausschließliches Wirtschaftsgut, das faktisch keinerlei Kultur- und Demokratiefunktion mehr besitzt. Wenn die Zuschauer einer nicht mehr durchschaubaren Manipulation durch Wirtschaftsinteressen ausgesetzt werden, verliert das Fernsehen zunehmend seine Glaubwürdigkeit und damit seine Kultur- und Demokratiefunktion. Im Ergebnis kann so die "Liberalisierung" von Medienregulierung zu einer Freiheitseinschränkung zu Lasten der Zuschauer führen. In einem Europa der Werte muss es Medien geben, die Informationen und Werke unabhängig und objektiv vermitteln. Hierzu ist die strikte Beachtung des Grundsatzes der Trennung von Werbung und Programm unverzichtbar.
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Übertragung von Gottesdiensten
Gemäß Artikel 11 Absatz 5 der geltenden Richtlinie darf die Übertragung von Gottesdiensten nicht durch Werbung unterbrochen werden. Die EKD begrüßt, dass diese Bestimmung in Artikel 11 Absatz 2 des Revisionsvorschlages übernommen wurde. In der deutschen Fassung wurde allerdings der Begriff "religious services" mit "religiöse Programme" übersetzt, wofür kein ersichtlicher Grund erkennbar ist. Im Sinne von Klarheit sollte an der deutschen Übersetzung festgehalten werden und Artikel 11 Absatz 2 dementsprechend lauten: "Die Übertragung von Gottesdiensten darf nicht durch Werbung unterbrochen werden."
Brüssel, den 1.6.2006
Sabine v. Zanthier
Leiterin EKD-Büro Brüssel