Ethik und Seelsorge in der Bundeswehr
Der Evangelische Militärbischof
Auch Soldaten müssen ihren Glauben praktizieren können. In Einsätzen der Bundeswehr noch einmal mehr, wenn ihnen vor Augen steht, dass sie verwundet werden oder ihr Leben verlieren können. Deswegen sucht die evangelische Kirche Soldaten bei ihrer Arbeit auf, sowohl an den 90 Standorten der Bundeswehr, als auch auf Einsätzen im Ausland, an Land und auf See.
Leiter der Militärseelsorge ist der Evangelische Militärbischof. Ab Oktober 2020 hat der Theologe Bernhard Felmberg das Amt inne. Er ist hauptamtlich Militärbischof. Damit setzt die evangelische Kirche einen Schwerpunkt. Denn die Aufgaben der Bundeswehr wachsen und verändern sich. Aus der Wehrpflichtarmee ist eine Berufsarmee geworden. Sie muss stärker danach fragen, wie Soldatinnen und Soldaten mit ihren Aufgaben an wechselnden Orten Beruf und Familie vereinbaren können. Militäreinsätze belasten das gemeinsame Leben und die Partnerschaften der Truppenangehörigen.
Schwerpunkte in der Friedensethik
Auch stellen sich in der Bundeswehr ethische Fragen nach der Berechtigung des Waffeneinsatzes und der Suche nach Frieden mit neuem Gewicht. Hier bietet die evangelische Kirche ihre Unterstützung an. Seit Jahrzehnten setzt sie in der Friedensethik Schwerpunkte durch Forschungen und Publikationen, etwa durch ihre Friedensdenkschriften. Sie gehört zu den wichtigen Akteuren auf diesem Feld. Der Evangelische Militärbischof ist der Repräsentant dieses gesellschaftlichen Dienstes. Daher meldet auch er sich mit friedensethischen und -politischen Stellungnahmen öffentlich zu Wort. Zu den Tagungen der EKD-Synode legt er einen Bericht vor.
Wegen des friedensethischen Engagements der evangelischen Kirchen musste sich die Arbeit der Militärseelsorge bei ihrer Gründung vor 60 Jahren und nach der Wiedervereinigung gegen Widerstände durchsetzen. In der DDR hatten die evangelischen Kirchen die Kriegsdienstverweigerung als das deutlichere Zeichen für den Friedensdienst eines Christen bezeichnet. Doch schließlich überzeugte der Dienst der Kirche unter Soldaten. Dabei half ihr besonderes Konzept.
Außerhalb der Kommandostruktur
Fast nirgends auf der Welt ist die Militärseelsorge so aufgebaut wie in Deutschland: Der Militärbischof und die Militärgeistlichen sind Kirche und stehen deshalb außerhalb der Kommandostruktur der Bundeswehr. Sie haben keinen Dienstgrad. Kein Befehlshaber kann dem Militärbischof oder den Militärgeistlichen Anweisungen geben. Die knapp 100 Militärgeistlichen sind zwar Bundesbeamte auf Zeit, solange sie Dienst unter Soldaten tun. Doch sie nehmen ihren Seelsorgeauftrag in der Verantwortung der Kirche wahr.
Uniform tragen sie vor allem in Einsätzen. Durch Schulterklappen mit Kreuz sind sie als Pfarrer erkennbar. Und sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. So leisten der Militärbischof und die Geistlichen über ihre Aufgaben hinaus einen zusätzlichen Dienst. Soldaten können sich mit Problemen an sie wenden, ohne Dienstwege einhalten oder Konsequenzen befürchten zu müssen. Das Angebot der Militärseelsorge richtet sich an alle Soldaten unabhängig von ihrer Religion.
Komplettes Gemeindeleben im Auslandseinsatz
Mit diesem Konzept hat die Militärseelsorge Konsequenzen gezogen aus den Erfahrungen des Dritten Reiches. Sie legt Wert auf eine Unterscheidung von Staat und Kirche, auch wenn beide zusammenarbeiten.
In den Standorten feiern die Militärpfarrer Gottesdienste, in Auslandseinsätzen organisieren sie sogar ein komplettes Gemeindeleben. Die Seelsorger erteilen auch „Lebenskundlichen Unterricht“ im Rahmen der soldatischen Ausbildung. Zudem bieten sie Rüstzeiten an, etwa um Auslandseinsätze innerlich zu verarbeiten oder um persönliche Fragen zu klären.
Zwei Organisationen unterstützen den Evangelischen Militärbischof: Das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr versieht als staatliche Bundesoberbehörde Organisationsaufgaben. Der Handlungsbereich Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr setzt die Entscheidungen des Militärbischofs im kirchlichen Bereich um. Er betreibt unter anderem ein Tagungshaus für Rüstzeiten.