Die Taufe
Eine Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis der Taufe in der evangelischen Kirche. Vorgelegt vom Rat der EKD, 2008, hg. vom Kirchenamt der EKD. ISBN 978-3-579-05904-4
3. Theologische Vergewisserungen
3.1 Biblische Befunde
Die christliche Taufe knüpft an die "Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden" (Markus 1,4) an, die Johannes der Täufer im Jordan jenen Menschen spendete, die unter dem Eindruck seiner Predigt vom bevorstehenden Endgericht Buße taten. Ob seine Taufe Zeichen der bereits vollzogenen Umkehr war oder ob in der Taufe die Umkehr vollzogen wurde, kann nicht ganz zuverlässig entschieden werden, wahrscheinlich ist letztere Deutung; auf die Taufe soll eine veränderte Lebensführung folgen (Lukas 3,10ff.). Johannes verstand sich als Vorläufer des Messias, der in Kürze mit "Heiligem Geist und Feuer" taufen werde. Vergleichbare Tauchbäder, die vermutlich ebenfalls als Reinigungsbäder von Schuld verstanden wurden, gab es auch in der räumlich dem Taufort des Johannes benachbarten Gemeinschaft von Qumran. Allerdings verstand man in Qumran Reinheit und Unreinheit kultisch und vollzog die Tauchbäder selbst regelmäßig, während der Täufer einmalig die Taufe anderen spendete.
Jesus hat sich von Johannes im Jordan taufen lassen. Allerdings sind die Schilderungen der Taufe Jesu (Markus 1,9 11 und Parallelen) schon durch implizite Bezüge auf die christliche Taufpraxis wie die Rede von einem Empfang des Heiligen Geistes und dem Zuspruch der Sohnschaft geprägt. Die frühen Christen tauften im Unterschied zu den Johannesjüngern auf den Namen Jesu Christi bzw. in seinem Namen (1 Korinther 6,11 bzw. Apostelgeschichte 2,38). Im Neuen Testament sind schon beide Präpositionen bezeugt; "auf den Namen" will zum Ausdruck bringen, dass das Heilsgeschehen konstitutiv mit dem Namen Jesu verbunden ist und der Getaufte Teil eben dieses Heilsgeschehens wird; "im Namen" meint "im Auftrag" beziehungsweise "unter Berufung auf die Autorität von".
Auf die christliche Taufe der frühen Gemeinden bezieht sich der am Schluss des Matthäusevangeliums (28,18 20) stehende Auftrag des Auferstandenen: "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe." Die Taufe ist mit dem Empfang des Heiligen Geistes verbunden (1 Korinther 12,13 bzw. Apostelgeschichte 2,38f.). Sie ist der Ritus zur Aufnahme in die christliche Gemeinde (Galater 3,26 28; Apostelgeschichte 2,41). Die christlichen Taufformeln "im Namen" bzw. "auf den Namen" lassen sich sprachlich exakt nicht aus der heidnischen oder jüdischen Umwelt ableiten, sondern dürften eine nachösterliche Bildung der jungen Gemeinde darstellen.
In der neutestamentlichen Zeit folgte in der Regel die Taufe auf den Glauben, wie der sekundäre Markusschluss zeigt: "Wer glaubt und getauft wird, wird gerettet werden, wer nicht glaubt, wird verurteilt werden" (Markus 16,16). Viele Stellen im Neuen Testament nennen Taufe und Sündenvergebung in einem Atemzug, allerdings ohne eine genaue Beschreibung des Vollzuges, sondern mit fast ausschließlichem Interesse am Faktum der Sündenvergebung. Ebenso gehören Wassertaufe und Geistempfang eng zusammen (Apostelgeschichte 10,47). Im Johannesevangelium werden dagegen Taufe, Geistempfang und eine leiblich verstandene Gotteskindschaft in einen engen Zusammenhang gesetzt: In der Taufe wird das Menschenkind zum Gotteskind, der von einer Mutter Geborene wird von Neuem, "von oben" geboren (Johannes 3,3 6).
Die bedeutungsvollste neutestamentliche Tauftheologie findet sich in den Schriften des Apostels Paulus, dessen Taufe in den frühen dreißiger Jahren des ersten Jahrhunderts (Apostelgeschichte 9,18) zugleich der früheste chronologisch greifbare Fall einer christlichen Taufe ist. Paulus bestimmt die Gemeinschaft, die die Taufe den Christen vermittelt, als Gemeinschaft mit Christus und erläutert diese besondere Gemeinschaft in immer neuen, starken Bildern: Nach Galater 3,26 29 zieht der getaufte Christ Christus an, empfängt so die Gotteskindschaft und wird der Verheißungen teilhaftig, die an Abraham ergangen sind. Nach 1 Korinther 12,12f. werden die Christen durch einen Geist in einen Leib hineingetauft, werden mit ihren verschiedenartigen Geistesgaben zu Gliedern eines Leibes, die aufeinander angewiesen sind und bleiben. Nach Römer 6,3f. sind die, die getauft werden ("in Christus eingetaucht sind"), auf seinen Tod getauft, wurden durch die Taufe mit Christus begraben und sollen nun in einem neuen Leben wandeln. Die Taufe ist also das Begräbnis für den mit Christus gekreuzigten und gestorbenen Leib des Glaubenden, der der Sünde unterworfen ist. Durch das Erleiden des Begrabenwerdens kommt der Mensch aber zur Freiheit des neuen Lebens mit Gott. Die Taufkatechese des Apostels erinnert bereits getaufte Christen an diese Zusammenhänge.
Zugleich betont Paulus, dass die Verbindung mit Christi Kreuzestod die künftige Auferstehung der Christen zur Folge haben wird (6,5) und die sozialen Schichtungen wie Gegensätze von Freien gegenüber Unfreien, Frauen gegenüber Männern und Juden gegenüber Griechen aufgehoben sind (Galater 3,28 bzw. 1 Korinther 12,13). Man kann dieses Taufverständnis des Paulus so zusammenfassen, dass Christen in ihrem Leben Anteil gewinnen an der Bewegung des Lebens Jesu Christi, die von der Niedrigkeit zur Erhöhung und vom Tod zum Leben führt. Aufgrund dieser Teilhabe wird es Menschen möglich, sich auch gegen alle widrigen Mächte des Lebens ein neues Selbstverständnis schenken zu lassen (Römer 8; 2 Korinther 1012).
Erste Regeln für die Taufe finden sich in der ersten christlichen Kirchenordnung, der so genannten Didache, noch im ersten Jahrhundert (7,1 4): Nach der Katechese und einem ein- bis zweitägigen Fasten soll "auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" getauft werden, möglichst in fließendem kalten Wasser, ersatzweise ist auch dreimaliges Übergießen des Hauptes zulässig.
Die theologischen Streitfragen des zwanzigsten Jahrhunderts nach dem Recht der Säuglingstaufe und danach, welche Bedeutung der Glaube für den Vollzug und die Wirkung der Taufe besitzt, lassen sich aus dem Neuen Testament nur begrenzt beantworten. Jedenfalls gilt: Nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes ist die Taufe nicht geeignet, eine aktive Antwort des Glaubenden zu sein, denn das Neue Testament betont, dass jeder Täufling sie wie Jesus von Nazareth mit sich passiv geschehen lässt. Darum kann sich kein Mensch selbst taufen. Auch das zum Glauben Kommen ist keine aktive Tat des Menschen, sondern jeder empfängt, wie gerade das Beispiel des Paulus zeigt, seinen Glauben passiv. Diese passive Dimension eines Geschehens am Täufling verbindet die Taufe mit der Passion Christi. Im Geschehen der Taufe ist Gott der Aktive, der das Heil schenkt. Dies alles erzwingt die Kindertaufe nicht, aber es hindert sie auch nicht; es liegt eine Verbindung der Taufe mit der Schwelle der leiblichen Geburt nahe, weil sie der Eintritt in das neue Leben mit Gott ist. Deutlich ist aber auch, dass es nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes eine ihrer geistlichen Bedeutung weitgehend beraubte oder theologische bedeutungslose Taufe nicht geben kann. Insofern ist die taufende Kirche der Frühzeit immer auch lehrende Kirche und theologische Argumentation über christliches Leben immer auch Taufunterweisung.
3.2 Kirchenhistorische Erinnerungen
Die deutliche Spannung, die heute oft zwischen dem theologischen Gewicht der Taufe und ihrer tatsächlichen Stellung als gelegentlicher "Einschub" im sonntäglichen Hauptgottesdienst besteht, hat allmählich zugenommen und ist vor allem durch Veränderungen der Taufpraxis bedingt:
- In der Antike war die Taufe ein schlechthinniger Wechsel vom Tod zum Leben, der vor der ganzen Gemeinde erfolgte, der deutliche Konsequenzen für die Lebensgestaltung hatte und durch eine entsprechend dramatische Feier in der Osternacht liturgisch gestaltet wurde. Dieser antike Horizont der Taufe ist seit dem frühen Mittelalter allmählich in einen eher familiären Kontext transformiert und auf die göttliche Annahme eines neugeborenen Lebens eingeschränkt worden.
- Die ursprünglich unabdingbar zur Taufe gehörende Taufkatechese wurde seit dem Mittelalter zunehmend von der Taufe getrennt und als das Sakrament der Firmung beziehungsweise als kirchliche Handlung der Konfirmation verselbständigt. Dadurch entstand das Problem, an welchem Ort stattdessen die theologischen Inhalte und die Bedeutung der Taufe vermittelt werden konnten. Seit diesen liturgischen Entwicklungen stellt sich unabweisbar die Frage nach dem Ort der Tauferinnerung und Taufkatechese, die sich angesichts massiver Entkirchlichungsphänomene in der Neuzeit nochmals verschärft hat.
Wenn man einen kurzen Durchgang durch die Geschichte der Tauftheologie und Taufpraxis nach den Großepochen Antike, Mittelalter und Neuzeit zu gliedern versucht, so fällt für die Antike zunächst die strenge Prüfung der meist erwachsenen Taufbewerber (samt ihren Familien und Kindern) auf, sodann die Erlebnisdichte der gottesdienstlichen Feier. Die Taufe war damals deutlich wichtiger als die Eucharistie, weil sie vor der Entfaltung und Verrechtlichung des Bußwesens das einzige Sakrament zur Vergebung aller Sünden war, wie auch die Formulierung aus dem großen Glaubensbekenntnis der Reichssynoden von Nicäa und Konstantinopel (dem so genannten Nicäno-Konstantinopolitanum, 381 n. Chr.) zeigt: "Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden". Deswegen haben viele Menschen in der christlichen Antike ihre Taufe bis auf das Totenbett aufgeschoben, wie Kaiser Konstantin. In den ausführlichen Debatten über weitere Bußmöglichkeiten wurde entsprechend auch nie die Möglichkeit einer Wiedertaufe diskutiert.
Folgt man einer in vielen Versionen offenkundig weit verbreiteten Kirchenordnung aus dem dritten Jahrhundert, der so genannten Traditio apostolica, so gab es zwei "Zulassungsverfahren" zur Taufe, nämlich zunächst eine Zulassung zum Katechumenat und erst dann, nach erfolgreich absolviertem Unterricht, die Zulassung zur Taufe (Apostolische Tradition § 15 bzw. 20). Beide Zulassungsverfahren brauchten Zeugen, Paten und Fürsprecher; und beide Prozesse waren nicht an die Familie gebunden, sondern führten in der Regel mindestens aus der Großfamilie und den bisherigen sozialen Strukturen hinaus. Das Katechumenat dauerte drei Jahre, die biblischen Schriften spielten in der Unterweisung kaum eine Rolle, wichtig war offenbar stattdessen mindestens ab dem vierten Jahrhundert das Glaubensbekenntnis. Am Ende des Unterrichts gab es eine Art "Symbolkatechese" als Prüfung, die mit einer Segnung unter Handauflegung beendet wurde (Kretschmar, Geschichte des Taufgottesdienstes, 69 86). Keine Zulassung erhielten jedenfalls nach dem Text der Kirchenordnung Menschen, die ethisch oder theologisch anstößige Berufe ausübten (beispielsweise heidnische Götterbilder produzierten, als Soldaten in religiöse Zeremonien verwickelt werden konnten, als Lehrer heidnische Texte unterrichteten oder als Prostituierte arbeiteten), es sei denn, sie gaben diese Berufe auf (§ 16). Katechumenen bildeten einen eigenen Stand in der Kirche, erhielten häufig einen eigenen Platz im Kirchenraum zugewiesen und mussten den Gottesdienst nach Abschluss des Wortteils vor Beginn der Eucharistie verlassen.
Seit dem vierten Jahrhundert unterschied man mehrere Stufen des katechetischen Unterrichtes und beschränkte die Erklärung einzelner Teile des Ritus und der Lehre auf eine bestimmte Stufe der Einweihung. Die an den katechetischen Unterricht anschließende Zulassung zur Taufe setzte eine erneute Prüfung der Lebensführung voraus; dazu gab es jeden Tag Exorzismen, das sind Riten zur Austreibung der Mächte des Bösen (§ 20). Die Taufe selbst in der Osternacht war ein dramatisch inszenierter Herrschaftswechsel, die rituelle und faktische Befreiung aus dem dämonischen Machtbereich der Sünde und des Todes. Der Weg vom Gründonnerstag bis zum Ostermorgen gestaltete das Taufgeschehen als Mitsterben und Mitauferstehen: Der Donnerstag begann mit einem Reinigungsbad, am Freitag war Fasten auferlegt, den Sonnabend dominierte das Gebet um Dämonenaustreibung, die Nacht wurde gewacht, am Ostermorgen mit dem ersten Sonnenlicht wurde im "fließenden, lebendigen Wasser" getauft, für Kinder sprachen die Eltern und Paten. Die Taufe selbst war ein Nacherleben eben dieses theologischen Hintergrundes: Zuerst fand eine Salbung mit Exorzismusöl statt, dann wurden die alten Kleider ausgezogen, darauf wurde der ganze Körper durch Untertauchen gereinigt und es folgte die Neueinkleidung und die Taufeucharistie. Aus heutiger Perspektive betrachtet, fällt vor allem die unerhörte Erlebnisintensität dieses Taufvollzuges auf; was über die Taufe gesagt und gelehrt wurde, wurde im Vollzug erlebbar gemacht. Außerdem wurde das Tauchbad als zentrale Reinigung von den Sünden beziehungsweise als Sterben mit Christus in einer für die damalige Zeit völlig ungewöhnlichen Nacktheit vollzogen, die eine sehr hohe Schwelle für die meisten Menschen bedeutet haben dürfte, aber eben deswegen wohl auch ein tiefes Erlebnis darstellte (§ 20/21).
Interessanterweise gab es in der christlichen Antike bereits eine gewisse Pluralität der Tauftheologien: Man betonte je nach Region den Aspekt des Siegels, des Bades, des Grabes, der Reinigung oder des Herrschaftswechsels, der Übereignung an Christus und des Übergangs vom Herrschaftsbereich der Dämonen in den Herrschaftsbereich Christi (Tertullian, Über den Kranz des Soldaten 3,2). Im Westen stellte man besonders die Bedeutung der Taufe als bindendes Gelöbnis und als Rechtsakt heraus. Die Taufformel hatte zunächst wohl vor allem eine akklamatorische, also die Zustimmung ausdrückende Funktion. Die strenge antike Taufpraxis endete spätestens im sechsten Jahrhundert; seitdem ließen sich angesichts der großen Mengen, die in die Kirche drängten, die strengen Auswahlkriterien im Blick auf Beruf und Lebenswandel nicht mehr durchhalten, auch wurde die Dauer des katechetischen Unterrichtes verkürzt. Außerdem wurde die strenge Konzentration auf den Ostertermin aufgeweicht, die Taufformel wurde nun als Zusage Gottes interpretiert und das strenge Taufritual abgeschwächt. Im Westen ergab sich eine wichtige Erweiterung der Tauftheologie durch die Sündenlehre des nordafrikanischen Kirchenvaters Augustinus und die Vorstellung einer Erbsünde, d. h. einer für den Menschen konstitutiven Verfasstheit, die sich in der Neigung zu sündigen und in einer von Gott wegführenden Begierde äußert. Angesichts einer solchen Verfasstheit bedarf der Mensch schon als Kind der Vergebung dieser Erbsünde durch die Taufe (Augustinus, Enchiridion 13,43 47), so dass die Säuglingstaufe auch theologisch hervorgehoben wurde; den fehlenden Glauben der Kinder vertritt die Kirche an ihrer statt.
Am Ende der Antike begannen die Massentaufen, die spätestens mit der Taufe des Frankenkönigs Chlodwig 498/499 n. Chr. ein häufig wiederkehrendes Moment der Missionsgeschichte wurden; an die Konversion des Stammesfürsten oder Königs schloss sich die Taufe des Volkes als korporativer Akt an, sie war die Voraussetzung, nicht der Abschluss der Christianisierung. Die meisten Taufen in christianisierten Reichen wurden im Mittelalter nicht mehr als Osternachtfeier durch den Bischof in der jeweiligen Kathedralkirche, sondern als Einzelfeiern in Pfarrkirchen vollzogen; dem Bischof blieb eine Salbung nach der Taufe vorbehalten, aus der sich die Firmung entwickelte, der eine Katechese vorausgehen soll und die seit dem Konzil von Florenz (1439 1445) zu den sieben Sakramenten der römisch-katholischen Kirche gezählt wird (Denzinger-Hünermann, 1310; vgl. 1317 1319). Bei einzelnen mittelalterlichen Theologen wird sogar die Firmung über die Taufe gestellt. Da seit dem späten zwölften Jahrhundert die zuvor noch gegebene Möglichkeit der Säuglingskommunion bestritten wird, lockert sich auch die Verbindung zwischen Taufe und Abendmahlszulassung. Das Untertauchen der Täuflinge (immersio) wurde zunehmend durch ihre Besprengung (aspersio) ersetzt; die Taufe wurde nach Möglichkeit gleich nach der Geburt vollzogen und der Name des Tagesheiligen als Patron für die zu Taufenden übernommen.
Noch einmal deutlich andere Akzente wurden in der Reformationszeit gesetzt, wobei sich lutherische und reformierte Tauftheologie wie Taufpraxis durchaus deutlich unterschieden: Luther formuliert im "Kleinen Katechismus" schlechterdings grundlegende Sätze als Antwort auf die Frage, was die Taufe ist ("Die Taufe ist nicht allein schlicht Wasser, sondern sie ist das Wasser in Gottes Gebot gefasst und mit Gottes Wort verbunden"), was sie nützt ("Sie wirkt Vergebung der Sünden, erlöst vom Tode und Teufel und gibt die ewige Seligkeit allen, die es glauben, wie die Worte und Verheißung Gottes lauten") und was "solches Wassertaufen" bedeutet ("Es bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe": Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche [BSLK] 515,25 516,38). Luther umschreibt das Wesen der Taufe durch die Trias von Element, göttlichem Spendewort, das das an sich wirkungslose Element Wasser als Zeichen kräftig macht, und Stiftung durch Jesus Christus. Im "Großen Katechismus" wird zusätzlich zum Herrschaftswechsel aus der Herrschaft des Todes und der Sünde in die Gemeinschaft der Kinder Gottes als Gabe der Taufe die Aufnahme in den Gottesbund und die eschatologische Errettung beschrieben (BSLK 691,13f.). Dabei lässt Luther keinen Zweifel daran, dass "der Glaube die Person allein würdig" macht, "das heilsame, göttliche Wasser nützlich zu empfangen. ... Ohne Glauben ist es nichts nütze" (BSLK 697,34 36. 40f.). Er versteht also unter Taufe ein einmaliges Ereignis, das freilich die Chance eröffnet, sich immer wieder auf die unverbrüchliche Taufzusage der Gnade Gottes zu besinnen, und nennt dies einen lebenslangen Prozess immer neuer Rückkehr zur Taufe unverbrüchlichen Fundamentes, das der Glaube in der Taufe hat, gar nicht überschätzen. Luther tröstete einmal einen verzweifelten Menschen mit der Frage: "Bist du nicht getauft?" und soll auch sich selbst mit dem Satz "Ich bin getauft" immer wieder getröstet haben, wobei er ihn vor sich auf einen Tisch schrieb (Weimarer Ausgabe: Band 1 der Tischreden [WA.TR 1], 894).
Calvin verstand dagegen die Taufe mit Wasser als Abbild der durch Christi Blut vollzogenen Reinigung des Menschen von der Sünde, als Zeichen der Neubestimmung des Lebens in der Gemeinschaft mit Jesus Christus, als Vergewisserung der Gotteskindschaft und Zeichen der Einfügung in den Leib Christi. Entsprechend heißt es im Heidelberger Katechismus von 1563 (Frage 69) auf die Frage "Wie wirst du in der heiligen Taufe erinnert und versichert, dass das einzige Opfer Christi am Kreuz dir zugutekommt?" "Also, dass Christus dies äußerliche Wasserbad eingesetzt und dabei verheißen hat, dass ich so gewiss mit seinem Blut und Geist von der Unreinigkeit meiner Seele, das ist von allen meinen Sünden, gewaschen sei, so gewiss ich äußerlich mit dem Wasser, welches die Unsauberkeit des Leibes hinwegnimmt, gewaschen bin". Die Taufe stellt also die Gotteskindschaft nicht erst her, sondern bringt sie zum Ausdruck und dokumentiert sinnfällig die gleichzeitig durch den heiligen Geist geschenkte Zugehörigkeit des Menschen zum Gnadenbund. Nottaufen sind daher nicht sinnvoll. Eine Taufe der "jungen Kinder" wird ausdrücklich bejaht (Frage 74).Die anstelle der von den Reformatoren abgelehnten Firmung in der frühen Neuzeit zunächst in einzelnen Landstrichen eingeführte Konfirmation entwickelte sich seit dem achtzehnten Jahrhundert immer mehr zu einem festlich begangenen Ritus der Mündigkeit und wurde mit der Zulassung zum Abendmahl verbunden. Damit wurde die Taufe endgültig auf den häuslichen und familiären Kreis beschränkt und zu einer Kasualie anlässlich der Geburt umgestaltet; die großen gotischen Taufbecken ("Tauffünten") am Westeingangsportal der mittelalterlichen Kirchen und die großen barocken Taufsteine neben den Altären gerieten außer Gebrauch und wurden durch kleine Taufschalen ersetzt. Im zwanzigsten Jahrhundert provozierte der reformierte Theologe Karl Barth (1886 - 1968) mit seiner spezifischen Tauftheologie, die eine Zuspitzung reformierter Positionen darstellt, viele Pfarrer und Gemeinden. Barth unterschied streng zwischen Geist- und Wassertaufe und deutete die Wassertaufe als den antwortenden Akt des freien menschlichen Gehorsams auf das exklusive Gotteshandeln in der Geisttaufe; insbesondere seine strikte Absage an die Säuglingstaufe und die Ablehnung des sakramentalen Charakters der Taufe hat sich nicht durchsetzen können. Die zunehmende Integration von Taufen in den normalen Sonntagsgottesdienst und das Zurückdrängen von Haustaufen und separaten Taufgottesdiensten können durchaus als Reaktion auf die Infragestellung der kirchlichen Taufpraxis gedeutet werden. In den Lebensordnungen der Gliedkirchen der EKD ist die Gleichordnung von Kinder- und Erwachsenentaufe in aller Regel vollzogen; die VELKD betont in diesem Rahmen die Säuglingstaufe als die "in den meisten christlichen Kirchen ... bevorzugte Form". In allen Kirchen begründet die Taufe die Kirchenmitgliedschaft.
Im zwanzigsten Jahrhundert ist die Entgegensetzung zweier reformatorischer Taufverständnisse weitgehend überwunden worden: Zu der Beschreibung eines Reformierten wie Lutheranern gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums in der "Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa" (Leuenberger Konkordie) von 1973 gehören gemeinsame Grundlinien eines evangelischen Taufverständnisses, die auch für die reformierte Seite den Charakter der Taufe als eines "wirkkräftigen Zeichens" festhalten, das "zubringt, was es sagt", während die lutherische Seite neu die Funktion des (geschenkten) Glaubens für die Taufe thematisiert. Die Taufe ist aber nach dem Verständnis der Leuenberger Konkordie ausschließlich Gabe Gottes. Die Leuenberger Kirchengemeinschaft hat in weiteren Gesprächsgängen das gemeinsame Verständnis der Taufe geklärt und dabei 1995 ausgeführt, dass in der Taufe Gott "Vergebung der Sünden, Befreiung aus gottlosen Bindungen und Schuldverfallenheit, Wiedergeburt als Ermöglichung neuen Lebens" verheißt und schenkt (Sakramente, Amt, Ordination, 18).