Das Warten in der Bibel
„Best of Bible“
Jahr für Jahr im Dezember erinnern sich Christen in der Adventszeit daran, dass Gott in die Welt gekommen ist. Mit den Menschen zu biblischen Zeiten sind heutige Christen in der Hoffnung verbunden, dass sich am Ende alles gut füge: dass das Licht die Dunkelheit besiegt, dass Gott alle Tränen abwischen und dass eine Zeit unendlichen Friedens einkehren wird. Gründe genug, in der Adventszeit abzuwarten und getrost Tee zu trinken.
Aller Augen warten auf Gott
Die Psalmen strotzen vor begnadetem Gottvertrauen. Ein gutes Beispiel gibt der Beter des 145. Psalms. Entgegen aller menschlichen Erfahrung ist er davon überzeugt, dass Gott es am Ende gut ausgehen lassen wird – dass er die Niedergeschlagenen aufrichtet und die Hungrigen sättigt. Es lohnt sich also, zu warten. Und es ist sinnvoll, sich während des Wartens im Gebet an die guten Erfahrungen mit Gott zu erinnern.
Zitat: „Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.“ (Psalm 145,15)
Auf das Licht warten
Mehrmals bedienen sich die Verfasser der Bibel in ihren Erzählungen des Bildes der Blindheit, um die Dunkelheit der unerlösten oder gottlosen Welt zu illustrieren. Besonders drastisch gelingt das im Tobias-Buch. Den Namensgeber des Buches, der in Ninive lebt, ereilt ein ungewöhnliches Schicksal: Als er schläft, fällt der Kot einer Schwalbe in sein Auge und er erblindet. Trotzdem verliert er nicht die Hoffnung und wartet geduldig auf das Kommen des Messias. Das Warten hat sich gelohnt. Nach acht Jahren erhält er sein Augenlicht wieder zurück.
Zitat: „Wir sind Kinder der Heiligen und warten auf ein Leben, das Gott denen geben wird, die im Glauben treu und fest an ihm bleiben.“ (Tobias 2,17f.)
Am Ende steht die Freude
Warum sollte man überhaupt warten? Das Buch der Sprüche bietet eine überzeugende Antwort. All jene, die gerecht sind (also gottgefällig leben), werden am Ende des Wartens Freude erleben. Wer sein Leben jedoch gottlos verbracht hat, wird die Verdammnis spüren und verloren sein.
Zitat: „Das Warten der Gerechten wird Freude werden; aber der Gottlosen Hoffnung wird verloren sein.“ (Sprüche 10,28)
Die Seele wartet
Wer einmal Nachtdienst gemacht hat, kennt die erlösende Kraft des ersten Morgenlichtes: „Bald ist meine Arbeit zuende und ich kann nach Hause gehen und mich ausruhen.“ So ähnlich, meint der Psalmist, geht es der menschlichen Seele. Noch mehr als ein Nachtwächter wartet sie auf die ersten Lichtstrahlen des Morgengrauens, die den neuen Tag ankündigen. Die Seele kann geduldig warten, denn sie weiß: Das Licht wird kommen. Jeden Tag neu.
Zitat: „Meine Seele wartet auf den Herrn / mehr als die Wächter auf den Morgen.“ (Psalm 130,6)
Wohlwollende Gedanken
Sehr tröstlich spricht der Prophet Jeremia zu den Menschen: Sie dürfen hoffend warten auf ein gutes Ende. Das ist nicht nur spirituell gemeint, sondern sehr konkret. Denn Jeremia will den Jerusalemern Mut machen, die fern der Heimat im fernen Ninive leben müssen. Nach siebzig Jahren werde Gott sie zurück in die Heimat führen, verheißt Jeremia den Deportierten und versichert ihnen: Während der Wartezeit werde Gott „Gedanken das Friedens und nicht des Leides“ haben.
Zitat: „Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet.“ (Jeremia 29,11)
„Bist du es, der da kommen soll?“
Diese neutestamentliche Episode ist kaum zu glauben. Denn natürlich wusste Johannes der Täufer, dass Jesus der von den Propheten vorhergesagte Messias ist. Wahrscheinlich wollte Johannes seinen zweifelnden Jüngern Gewissheit schenken, als er sie mit dem Auftrag zu Jesus schickt, zu fragen: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“ Jesus antwortet nicht mit Ja oder Nein, auch nicht theologisch, sondern zählt auf, was in seiner Gegenwart geschieht: „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt.“ Darauf mögen sich die Jünger des Johannes einen eigene Reim machen.
Zitat: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“ (Matthäus 11,1-6)
In Geduld warten
Der Apostel Paulus hatte ein Problem: Viele Christen warteten darauf, dass Christus in Bälde aus dem Himmel zu ihnen zurückkehren werde. Doch die Wiederkunft („Parusie“) blieb aus. Das christliche Leben, erkannte Paulus, ist eine Wartezeit, bis der Herr wiederkommt. Der Messias war da, hatte in der Welt gelebt – und doch muss die Welt weiter auf ihn warten. Aber wie? Zwei Dinge sind Paulus wichtig. Die Christen sollen sinnvoll und gemeinschaftlich leben. Und sie sollen die Hoffnung auf die Wiederkunft Christi nicht aufgeben. „Geduldig ausharren“, heißt das Gebot der Stunde, denn „wir sind zwar gerettet, doch auf Hoffnung“.
Zitat: „Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.“ (Römer 8,25)
Uwe Birnstein