Redenschreiber der friedlichen Revolution: Altpropst Heino Falcke wird 90
Gratulation des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm
Bei einer Demonstration für Vielfalt und Solidarität in Erfurt war er noch vor wenigen Tagen vorn dabei, bei einer MDR-Debatte zu alternativen Kirchensteuerkonzepten diskutierte er kürzlich hellwach mit: Heino Falcke ist fit und nach wie vor engagiert und meinungsfreudig, seine Analyse messerscharf. Immer ist er bestens informiert, zugewandt, gleichzeitig tief ernst und gottfröhlich. Am Sonntag, den 12. Mai, wird der Propst in Rente 90 Jahre alt.
Zu seinem Geburtstag hat der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, ihm persönlich gratuliert: „Wir ehren heute einen Menschen, der für die Geschichte Deutschlands eine Bedeutung hatte, die noch viel zu wenig gesehen worden ist“, sagte Bedford-Strohm im Rahmen der Geburtstagsfeier. „Ich möchte Danke sagen für allen wechselseitigen Austausch, den ich mit Dir persönlich haben durfte, seit wir uns im Vorstand der Gesellschaft für Evangelische Theologie kennengelernt haben. Und ich möchte Danke sagen im Namen der Evangelischen Kirche in Deutschland, für all Deine Impulse für unsere Kirche, die viel mehr gewirkt haben als das weithin sichtbar geworden ist.“
Stasi stufte ihn als gefährlichen Staatsfeind ein
Als in der Hochphase der friedlichen Revolution die frisch gegründeten Parteien fragten, wer eigentlich Konzepte habe, waren es nicht zuletzt von Falcke formulierte Gedanken, die zur Basis politischer Beratungen wurden. Gedacht als christliche Positionsbestimmung waren sie das Ergebnis eines breiten Diskussionsprozesses verschiedener Kirchen und Gemeinschaften, der Ökumenischen Versammlung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Falcke hatte diese einzige Plattform in der DDR, auf der so breit konzeptionell über Wirtschaft und Ökologie, sozialen Zusammenhalt und weltweite Gerechtigkeit gesprochen wurde, beharrlich vorangetrieben. Passagen des Abschlussdokumentes wurden zum Teil wortwörtlich in Parteiprogramme übernommen. Die Stasi stufte ihn als gefährlichen Staatsfeind ein.
Falcke wurde am 12. Mai 1929 in Riesenburg (Westpreußen) geboren. Er studierte nach Kriegsende Evangelische Theologie in Berlin, Göttingen und Basel und arbeitete als Wissenschaftlicher Assistent bei Karl Barth. Anschließend war er fünf Jahre als Gemeindepfarrer, danach zehn Jahre als Direktor des Predigerseminars in Gnadau bei Magdeburg tätig. 1973 wurde er zum Propst des Sprengels Erfurt berufen, den er bis zu seinem Ruhestand 1994 leitete.
Kritische Solidarität mit einem „verbesserlichen Sozialismus“
Heino Falcke hätte ein leichteres Leben haben können. Als er sich entschied, 1952 in die DDR zurückzukehren, wollte er in einer Kirche arbeiten, die es nötig mache, sich zu bekennen. Tapfer predigte er an gegen eine erneute Militarisierung, verurteilte den Wehrkundeunterricht an den Schulen, unterstützte die Arbeit mit Bausoldaten und begleitete Wehrdienstverweigerer. Schützend hielt er seine Hände über kirchliche Umweltgruppen, die zum Teil hart gegen staatliche Organe verteidigt werden mussten. Auch gegen kirchliche.
In einem Schlüsselreferat zum Selbstverständnis der DDR-Kirchen sprach er 1972 von „kritischer Solidarität“ mit einem „verbesserlichen Sozialismus“. Die SED schäumte. Anbiederung an die Regierung war ihm fremd. Dabei war er nie ein Aktivist, er argumentierte immer theologisch.
Seine theologischen Schriften inspirierten mehrere Generationen von Pfarrerinnen und Pfarrern. Trotz seiner Habilitation und der Abwerbeversuche von Universitäten, entschied er sich für die praktische kirchliche Arbeit: „Das Entscheidende passiert in den Kirchen, nicht an den Fakultäten.“ Eine politische Karriere lehnte er ab. Auch den Bitten, Bischof zu werden, entzog er sich.
„Wir handeln im Ungehorsam, wenn wir für die Wahrheit nicht einstehen“
Heino Falcke half stattdessen in viel beachteten Predigten, Bekenntnisse zu formulieren. Er war ein brillanter Redner unter anderem auf Kirchentagen. „Wir handeln im Ungehorsam, wenn wir für die Wahrheit nicht einstehen, zum Missbrauch der Macht schweigen und nicht bereit sind, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen“, war er überzeugt. In den 90er Jahren gehörte Falcke zu den Initiatoren der „Erfurter Erklärung“, die eine neue, gerechtere Politik in Deutschland forderte.
Solches Engagement zeichnet ihn bis heute aus. Das Leben im Rechtsstaat dürfe nicht zur Schläfrigkeit verleiten. Das Ziel müsse eine Alternative zur freien Marktwirtschaft sein, denn diese sei nur „die glänzende, attraktive, reiche Vorderseite“ eines Systems, zu dem „untrennbar der Hinterhof der Dritten Welt mit seinem Elend“ gehöre. Falcke lebt vor, was er von Christinnen und Christen fordert: nicht hörig zu werden, sondern angehörig zu sein der Sache Jesu.
Vor einem Jahr bekam er das Bundesverdienstkreuz. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bezeichnete es „als ein großes Glück für Thüringen, aber auch für die anderen neuen Bundesländer“, dass Falcke als „spiritus rector der Friedensbewegung klug und weitsichtig“ über viele Jahrzehnte wirkte. Seinem mutigen Wirken sei auch die friedliche Revolution 1989 mitzuverdanken. Am 28. Mai verleiht die Stadt Erfurt Heino Falcke die Ehrenbürgerwürde.
Ulrike Greim (epd)